Herr Reichart, zunächst einmal herzlichen Glückwunsch zu gleich zwei Deutschen Fernsehpreisen. Vox war der Überraschungssieger des Abends.
 
Ja, das war eine schöne Überraschung für uns alle. Es war toll, unsere Vox-Kollegen, unsere Produktionspartner von Constantin Entertainment und Schwartzkopff TV aber auch Guido Maria Kretschmer mit stolzem Lächeln und dem Fernsehpreis in der Hand auf der Bühne zu sehen.

Weltweit gilt gerade die Fernsehserie als das heißeste Genre. Vox punktet hingegen mit non-fiktionaler Unterhaltung…

Eigenproduktionen im Non-Fiktionalen sind sehr wichtig. Damit lässt sich besonders genau definieren, wo man als Sender hin will. Man prägt die Marke viel unmittelbarer als über Serien oder Spielfilme. Auch wenn gerade Vox immer sehr wohl auch identitätsstiftende Serien-Highlights im Programm hatte.



Noch dazu kommen inzwischen andere Sehgewohnheiten durch neue Anbieter und Plattformen…

Sollten die neuen Sehgewohnheiten am linearen Fernsehen nagen, dann wohl im Bereich der Lizenzware bei Serien und Filmen. Ich denke, fast alle großen europäischen Free-to-Air-Sender rücken Eigenproduktionen strategisch noch stärker in den Fokus. Eine immer länger werdende Verwertungskette setzt Lizenzprogramme zunehmend unter Druck.

Und wie reagiert Vox darauf? Sie setzen immerhin in nicht unerheblichem Umfang auf Programm aus den USA.
 
Ja, auch Vox muss sich damit auseinandersetzen, ganz klar. Wir haben Montag, Mittwoch und Freitag drei etablierte Serienabende. Aber das Genre, das unter anderem auch Vox groß gemacht hat, die Crime Procedurals, werden diese Programmstrecken nicht mehr alleine bedienen können. Procedurals, zum Teil aus neuen Themenwelten, wollen wir weiterhin erfolgreich integrieren, wie es uns mit „Chicago Fire“ gelungen ist. Aber wir müssen Plätze schaffen für den klaren US-Trend hin zu kürzeren Staffeln mit dichterer, horizontaler Erzählweise. Es wird eine Herausforderung sein, Serien wie „Outlander“ oder „Ressurection“ optimal zu platzieren und zu promoten. Wir sind aber fest davon überzeugt, dass sich gerade die Vox-Zuschauer auf diese neue Art von US-Serien einlassen werden.

Sie sprachen eben davon, Eigenproduktionen in den Fokus zu rücken. Aber kann die Antwort des deutschen Fernsehens auf den Erfolg der Fiktion im Ausland wirklich nur das Non-Fiktionale sein?

Fiktionales Erzählen war immer schon ein wichtiger Teil der Identität von Vox, aber bislang immer in Form von Lizenzserien und -filmen. Wir sehen darin aber kein Dogma, das uns davon abhält, es auch mal selbst zu versuchen. Wir wollen eigentlich alle Genres für Vox interpretieren.

Mit anderen Worten: Vox steigt in die Eigenproduktion von Serien ein?

Wenn wir darüber nachdenken, eine eigene Serie für die Primetime zu produzieren, dann muss auf jeden Fall garantiert sein, dass es etwas Neuartiges ist und zu uns passt. Es geht also nicht um ambitionierte Großprojekte oder Krimiserien. Dafür braucht es Vox nicht. Wenn uns allerdings eine Idee, ein Skript oder ein Buch anspricht und wir das Gefühl haben, dass wir diese Geschichte selbst erzählen sollten - dann hätten wir auf jeden Fall Lust, mit Vox auch in dieser Hinsicht neue Wege zu gehen und unsere ersten Erfahrungen mit einer fiktionalen Eigenproduktion zu sammeln.

Und diese Idee haben Sie bereits entdeckt?
 
Ganz persönlich habe ich eine enge Verbindung zu einer Geschichte, die bei einem regionalen katalanischen Fernsehsender ihren Ursprung hatte. Uns gefiel diese Serie von Albert Espinosa so gut, dass wir sie für Antena 3, der Sendergruppe, für die ich damals tätig war, gekauft und dort unter dem Titel „Pulseras rojas“ sehr erfolgreich ausgestrahlt haben. Für die USA hat Steven Spielberg zugeschlagen und die Serie unter dem Titel „Red Band Society“ neu interpretiert. Und wir würden diesen fantastischen Stoff sehr gerne für Deutschland adaptieren.

Die Serie war eine der Überraschungen bei den diesjährigen LA Screenings. Eine herzerwärmende und gleichzeitig bitterböse, ungewöhnliche Krankenhaus-Serie.

Es ist auf jeden Fall eine unique und wunderschöne Geschichte, die man mit keiner anderen Serie vergleichen kann und uns somit die Gelegenheit gibt, uns mit den richtigen Produktionspartnern an ein neues Genre heranzuwagen.

Wenn Sie die Idee aber schon bei ihrer Ankunft in Köln „mit im Gepäck hatten“, warum dann erst jetzt die Entscheidung?

Alles zu seiner Zeit. Außerdem mussten zunächst noch einige Fragen rund um die Formatrechte geklärt werden.

Die US-Version holt für Fox gerade keine guten Einschaltquoten. Das entmutigt Sie nicht?

Nein! Oder vielleicht nur ein bisschen (lacht). Wir kennen das spanische Original und die Kraft der Bücher. Eine deutsche Adaption muss es schaffen, das Feingefühl für die Besonderheit dieser Serie zu treffen. Es wird nicht die amerikanische Interpretation des Stoffes sein, die wir in unserer Version auf die Reise schicken wollen.

Wer soll die Serie für Sie produzieren?

Jan Kromschröder und Gerda Müller von Bantry Bay. Wir freuen uns sehr auf das gemeinsame Projekt.

Sie sagten eben „Wir wollen eigentlich alle Genres für Vox interpretieren“. Hat das über die erste eigene Serie hinaus eine Bedeutung?

Also auf das Thema Sport werden wir uns auch künftig bei Vox nicht stürzen. Und die Überlegung auf US-Comedy zu setzen, hat uns nicht überzeugt. „Anger Management“ passt besser zu RTL Nitro und ist dort ein echtes Highlight. Im Gegenzug wurde „Chicago Fire“ bei Vox zur erfolgreichen Primetime-Serie, die sich sogar während der Fußball-WM etablieren konnte. Aber auf Comedy wollen wir bei Vox trotzdem nicht ganz verzichten.

Lesen Sie auf Seite 2: Was Vox mit den "heute show"-Machern plant und wer bei der neuen Kochshow "Game of Chefs" an Bord ist