Noch eine fiktionale Eigenproduktion also?

Richtig (lacht). Es hat uns sehr gereizt, auch das mal auszuprobieren. Mit Prime Productions haben wir eine kleine Comedy-Serie produziert. Es ist im weitesten Sinne eine Short-Comedy mit drei unterschiedlichen Paaren in überzeichneten Geschichten aus dem alltäglichen Leben. Im Ensemble findet sich neben lauter frischen und vielversprechenden Gesichtern auch eine gute Bekannte: Grit Boettcher. Comedy als Genre ist sicher neu für uns, aber Spaß und Humor ist bei Vox seit vielen Jahren zuhause, wenn man beispielsweise an „Shopping Queen“, „Detlef muss reisen“ oder auch „Ab ins Beet!“ denkt. Wir haben „Einfach unzertrennlich“, wie der Titel lautet, nicht für einen speziellen Sendeplatz geplant und bislang auch noch nicht angekündigt. Das ist erstmal ein Test, frisch aus dem Fernsehlabor, den wir aber sehr bald einfach mal in unser Programm integrieren und dann sehen werden, wie unsere Zuschauer auf etwas reagieren, was sie so bei Vox noch nie gesehen haben.


 
Klingt fast so als wäre „Expect the unexpected“ ihr neues Motto.

Bei „Sing meinen Song – Das Tauschkonzert“ und „Die Höhle der Löwen“ spielte uns unser Publikum schon recht deutlich zurück: „Wir geben euren neuartigen Ideen gerne mal eine Chance!“ Wir haben in meiner Anfangszeit bei Vox entschieden, uns von „X Factor“ zu verabschieden und stattdessen neue Formatideen zu suchen. Das Risiko ist dabei zwar etwas größer, die Belohnung im Erfolgsfall aber ebenso. Natürlich geht dabei auch mal was ganz böse daneben, aber die Marke Vox ist stabil genug, um auch Misserfolge wegzustecken. Zu Vox passen noch viel mehr Themen und es ist ein Privileg, wenn die Zuschauer einer Sendermarke aufgeschlossen und positiv gegenüberstehen. Auf diese Bereitschaft für Neues müssen wir mit echten, ehrlichen und hochwertigen Produktionen antworten.
 
Neben der bekannten Fortsetzung von „Sing meinen Song“ geht jetzt also auch „Die Höhle der Löwen“ in eine zweite Staffel.
 
Es geht weiter, da war das Votum der Vox-Zuschauer eindeutig. Wir haben mit Sony Pictures ein Einvernehmen, dass wir eine weitere Staffel machen. Jetzt werden wir mit unseren Löwen sprechen, ob sie Lust und Zeit haben für eine zweite Staffel.

Ist das Risiko größer, jetzt zu viel verändern zu wollen oder alles beim Alten zu belassen?

Der Zuschauer erwartet eine Entwicklung. Die Geschäftsideen und Pitches werden, eine logische Entwicklung, noch besser - weil wir jetzt weitaus mehr Bewerber haben als bei Staffel 1, für die wir noch etwas mühsamer auf Gründer-Messen und online zur Bewerbung aufgerufen haben und erst einmal das Format erklären mussten. Und das Format entwickelt seine Reize auch durch die Persönlichkeiten der Löwen, deren Reaktionen treue Zuschauer inzwischen ja schon antizipieren. Das hat seinen speziellen Charme und entwickelt ein Eigenleben.

Die Sendung galt im Vorfeld innerhalb der Branche als das riskanteste TV-Projekt des Jahres. Warum funktioniert „Die Höhle der Löwen“ Ihrer Meinung nach?
 
Natürlich hat nicht jeder Zuschauer schon einmal eine Geschäftsidee gepitcht, aber jeder von uns kennt Situationen im Leben, bei denen man weiß: Jetzt geht es gleich um alles. Das macht das Thema bzw. die Sendung so menschlich und verständlich. Und dazu kommt dann natürlich die Couch-Analyse: Würde ich da investieren? Würde ich dieses Produkt dann kaufen? Oder natürlich auch die Frage: Warum bin ich bloß nicht auf diese Idee gekommen?

Das mag sich mancher Konkurrent bei der „Shopping Queen“ denken. Ein Fernsehpreis und gute Quoten. Welche Lehren können Sie bei Vox daraus ziehen?
 
In 2015 haben bei der Daytime-Programmierung der 13-Uhr- und 14-Uhr-Sendeplatz Priorität. Hier wollen wir uns von den Scripted-Entertainment-Formaten komplett verabschieden und auf Eigenproduktionen setzen, die noch besser zur „Shopping Queen“ passen. Die „Shopping Queen“ gibt uns als verlässlicher Anker am Nachmittag die Möglichkeit, davor und danach neue Formate auszuprobieren, wie wir das mit „Mein himmlisches Hotel“ oder „Flirt oder Fiasko“ gemacht haben.

„Das perfekte Dinner“ war in den vergangenen Jahren so prägend für Vox wie vermutlich kein anderes Format. Lässt sich das weiterhin frisch halten oder braucht es einen Plan B für den Vorabend?

Man braucht immer einen Plan B. Aber ich muss an dieser Stelle allen Beteiligten rund um „Das perfekte Dinner“ ein großes Kompliment machen. Das ist seit acht Jahren Fernsehen mit viel Liebe zum Detail. Da hat unsere Redaktion und ITV Studios Germany auch in der Formatpflege die Hausaufgaben mit einer Eins mit Sternchen gemacht. Wir wünschen uns, dass „Das perfekte Dinner“ auch noch in den nächsten Jahren genauso gut performt wie in der Vergangenheit. Aber gerade auf so wichtigen Sendeplätzen muss man sich immer bewusst sein, dass Zyklen auch enden können. Es wäre fahrlässig, wenn wir uns bei dieser Zeitschiene, wie in jeder anderen auch, nicht Gedanken über unsere Optionen machen würden.
 
Bleiben wir beim Thema Kochen. Sie sagten einmal, Vox wolle lieber Trends setzen als hinterher zu laufen. Wie bitte passt dann mit „Game of Chefs“ noch eine weitere Kochshow in diese Strategie?

Wir wollen Vox mit neuen Themen vielseitiger aufstellen. Das gilt für den Bereich Fiktion wie für den Bereich Entertainment. Aber selbstverständlich müssen wir auch unsere Position in unseren Kernkompetenzen verteidigen. Dazu gehört das Thema Kochen auf jeden Fall. Aber wir müssen frischer und moderner werden und unseren Zuschauern eine klare Weiterentwicklung zeigen. Das gilt für bestehende Formate, wie die „Promi Kocharena“, die als „Grill den Henssler“ ein komplett anderes Gewand verpasst bekam und danach sehr starke Quoten erreichte. Jetzt produzieren wir im Herbst mit „Game of Chefs“ ein neues Kochformat und sind im neuen Jahr damit on air.

Geschickt ausgewichen. Noch einmal die Frage: Warum „Game of Chefs“? Was ist an der Sendung jetzt so anders?
 
Dieses Format beruht auf einer sehr ehrlichen Betrachtung dessen, was in einer Küche passiert. Es geht um Kreativität, Leidenschaft und Führung. Wir verzichten hier auf Köpfe, die man schon von anderen Sendern kennt. Wir hatten dabei das Glück, genau die Köche von dem Format überzeugen zu können, die wir auch wirklich haben wollten. Wir freuen uns auf Christian Jürgens aus dem Seehotel Überfahrt in Rottach-Egern am Tegernsee, einem von nur elf Köchen in Deutschland mit drei Michelin-Sternen. Und auf Christian Lohse aus dem Fischers Fritz in Berlin, der zwei Michelin-Sterne trägt, sowie Holger Bodendorf, der mit seinem Restaurant Bodendorf’s auf Sylt einen Michelin-Stern bekommen hat. Auch die Moderatorin ist ein neues Gesicht für die Vox-Zuschauer: Silvia Schneider moderierte bislang bei Puls 4 in Österreich. Auch in einem bekannten Genre versuchen wir, Unerwartetes zu liefern.

Welche Sender sind für Sie eigentlich die naheliegendsten Wettbewerber? Also die Sender, an denen sich Vox misst?

Allein aus Spaß am Wettbewerb orientieren wir uns eher nach oben. Da will man hin, da kratzt man dran, dafür strengt man sich an - obwohl sich dann immer wieder auch Baustellen im eigenen Programm auftun, die uns einen Schritt zurückwerfen. Die Ambitionen sind aber klar: Wir wollen nicht das beste Fernsehen der zweiten Sender-Generation machen. Wir wollen das beste Fernsehen machen. Ich bin überzeugt, dass die Zuschauer gute Unterhaltung finden und keinen Unterschied zwischen Sendergrößen oder -generationen machen. Hin und wieder bezeichnet man Vox als Qualitätssender oder „der öffentlich-rechtlichste unter den Privaten“. Damit können wir leben (schmunzelt). Das nehmen wir als Ansporn.

Herr Reichart, herzlichen Dank für das Gespräch.