Patricia Szarvas
Patricia Szarvas berichtet für CNBC als Anchor-Woman von der Frankfurter Börse und dem deutschen Finanzmarkt. Bevor die gebürtige Wienerin im Jahr 1999 zu CNBC kam, leitete sie unter anderem die Börsenredaktion des italienischen Senders RAI. Szarva studierte Wirtschaft und Kommunikation und hat unter anderem auch als Broker, Privatbankier und Portfolio Managerin gearbeitet. An der Londoner Börser war sie als Maklerin registriert.
 
Frau Szarvas, als Moderatorin beim Wirtschaftssender CNBC sind Sie ganz nah dran am Wirtschaftsgeschehen und sprechen mit den wichtigsten Köpfen der Finanz-Branche. Wie schätzen Sie die Lage ein? Steht die Börse noch?

Da ist schon eine ganze Weile der Wurm drin, und so bleibt es erstmal. Leider! Was gerade passiert, ist sehr traurig, weil es in erster Linie eine psychologische Auseinandersetzung ist und nichts mehr mit Realität zu tun hat.

Ist es denn wirklich so schlimm, wie allerorten zu lesen ist? Die Berichterstattung geht zu Weilen in Richtung Weltuntergangs-Stimmung.

Der Weltuntergang steht nicht bevor. Aber keiner weiß, wann der Boden gefunden wird. Jetzt grassiert die Angst und die Vertrauenskrise geht soweit, dass jeder, der noch eine Leiche im Keller hat davon ausgeht, dass das bei den anderen auch so ist. Das ist wie mit dem Fremdgehen: Man vertraut dem Partner nicht mehr, wenn man es selber gemacht hat oder es sich auch nur vorstellen kann dies selber zu tun.

Wie hat sich die Arbeit als Journalistin in diesem für die Beteiligten unangenehmen Umfeld verändert?

Vom journalistischen Standpunkt aus gesehen ist es gerade die eine sehr interessante und spannende Zeit: Es wird Geschichte geschrieben und man bekommt alles hautnah mit. Auf der anderen Seite wird durch die Krise immer deutlicher, welche Verantwortung die Medien bei den Ereignissen tragen.
 
 
 
Was bedeutet das konkret?

Im Augenblick wird kaum eine positive Nachricht über den Markt gedruckt. Die meisten Journalisten springen gerade auf einen Trend auf und beschleunigen den Niedergang. Man sollte aber vorsichtig sein! Wenn ich ein Gerücht höre, frage ich bei den betroffenen Firmen nach, bevor ich damit on air gehe. Das muss man machen, auch wenn die Kommunikation in den betroffenen Unternehmen manchmal etwas träge ist.

Ist das im harten Wettbewerb der Nachrichtenangebote denn überhaupt möglich?


Als Opinion-Leader, so wie CNBC es ist, muss man sich seiner Verantwortung den Märkten gegenüber einfach bewusst sein. Wir haben durch das Platzen der Dotcom-Blase im Jahr 2001, zu der wir mit beigetragen haben und auch an den Pranger gestellt wurden, viel gelernt. Wir versuchen jetzt, uns neutral zu verhalten, anstatt das Vakuum, das sich gerade bildet auch noch zu hypen.

Können Sie Beispiele nennen, was sich bei Ihrer Arbeit verändert hat?

Die Journalisten teilen sich in zwei Kategorien: Diejenigen, die die Murdoch-Schiene fahren und kurzfristige denkend jedem Scoop hinterherlaufen und diejenigen, die langfristig denken, so wie wir. Wenn auch die Nachricht schlecht ist, versuchen wir dennoch immer einen Kontext zu finden und das langfristige Umfeld für das betroffene Unternehmen zu zeigen. Das ist wie eine Corporate Responsibility, die wir gegenüber den Unternehmen wahrnehmen.
 
Welchen Auswirkungen hat die Beschleunigung des Nachrichtengeschäfts durch das Internet? Ist das für Sie eher Fluch oder Segen?

Das Internet ist immer ein Segen, weil es eine sehr gute Informationsquelle ist, wenn man sich ein bisschen Mühe gibt. Allerdings entwickeln manche Informationen durch die Geschwindigkeit des Netzes schon mal eine Eigendynamik, die unser Auffassungsvermögen übersteigen kann und der man nur noch hinterherläuft. Dadurch werden wir manchmal ausgespielt. Für die betroffenen Firmen bedeutet das, dass sie in der Kommunikation umdenken müssen. Die Unternehmen müssen lernen erste Informationsquelle zu werden, bevor die Gerüchte aufkommen.
 
Dazu gehört auch das persönliche Gespräch mit den Journalisten. Hat sich dieser Kontakt seit dem Ausbruch der Krise verändert?

All die Vorstände und Führungsverantwortlichen, mit denen ich Tag für Tag spreche sind plötzlich nahbar und verletzlich geworden – und geben das auch zum ersten Mal zu! Die Arrogante Uns-kann-nichts-passieren-Haltung ist weg. Die hat ihnen ohnehin niemand mehr abgenommen. Jetzt heißt es: "Verdammt, es ist nicht gut gelaufen! Wir können aber keine verbindlichen Aussagen treffen, weil wir selber nicht wissen, was kommt". Man zeigt auf einmal Verletzlichkeit und gesteht Fehler ein. Das gefällt.

Wieso gefällt das?

Die Manager werden dadurch wieder glaubwürdig und anfassbar. Bis vor Kurzem war alles sehr abgehoben und abstrakt. Es ging um Geschäftsmodelle und Investitionen. Jetzt schaut man seinen Gesprächspartnern wieder in die Augen und hat als Journalist die einmalige Gelegenheit, eine ehrliche  Beziehung zu den Akteuren aufzubauen.