Die Formatpflege bringt mich zu einer anderen Frage: Deutschland gilt nicht gerade als der kreativste Fernsehmarkt, wenn es um neue Formate geht. Aber viele internationale Formate wurden in Deutschland perfektioniert. „Das perfekte Dinner“ ist im englischen Original beispielsweise, meiner Meinung nach, nur halb so gut wie die deutsche Version...

Kromschröder: ITV Studios produzierte in Großbritannien erst nur wenige Folgen für Channel 4. Dann verkaufte Stefan Oelze das Format kurz danach in Deutschland an VOX. Zunächst auch nur zehn Folgen, aber VOX hat nach der Ausstrahlung der ersten Folgen gleich verlängert und der Erfolg in Deutschland hat  „Come dine with me“ in Großbritannien geholfen. Da ging in diesem Fall sehr viel Expertise von uns an die britischen Kollegen.

Buccieri: Ein ursprünglich britisches Format wurde durch die Erfahrungen und Verbesserungen in Deutschland angereichert. „Come dine with me“ ist eine Erfolgsgeschichte, die den Sinn und Vorteil der ITV Studios-Familie gut herausstellt. Es ist übrigens die Erfolgsgeschichte von ITV Studios, weil es unser erfolgreichstes Format überhaupt ist. Es ist derzeit in 34 verschiedenen Fernsehmärkten auf Sendung und das wäre ohne die Erfahrungen aus unseren internationalen Produktionshäusern - inklusive Deutschland - sicher nicht gekommen.

Kromschröder: Die Deutschen mögen vielleicht nicht gut sein im Erfinden von neuen TV-Ideen, aber sie sind sehr gut in der Neuerfindung oder Überarbeitung bestehender Formate. Ein weiteres Beispiel dafür ist „Der Bachelor“. Ein großer Erfolg für RTL und uns. Wir veranstalten gerade Workshops in London in denen unser deutsches Team den anderen ITV Studios-Kollegen aus aller Welt erzählen, was sie an dem Format verändert haben und warum. Zwischen der ersten Staffel von „Der Bachelor“ aus dem Hause Brainpool und unserer Version liegen ja große Unterschiede.

Mit dem Blick zurück auf die MIPTV: Gibt es aktuelle Trends zu erkennen?

Buccieri: Es ist im Grunde wie immer: Das nächste Hit-Format wird der nächste Trend (lacht). Aber unter all den Begriffen, mit denen Produzenten derzeit um sich werfen, kommen zwei in diesem Jahr besonders oft vor: Authentizität und Glaubwürdigkeit. Wir haben gerade ein Dokusoap-Format  namens „The Audience“, das sich sehr gut verkauft. Darin berät eine Gruppe von 50 ganz unterschiedlichen Menschen in jeder Folge eine Person bei einer schwierigen, lebensverändernden Frage. Es ist sehr pur und emotional, weil es nicht um Effekte geht sondern darum, ob die Weisheit einer Gruppe einem einzelnen bei seinem jeweiligen Problem helfen kann.

Kromschröder: Ich denke diese beiden Schlagworte gelten derzeit auch für Fernsehideen in Deutschland. Es darf gerne auch noch herzerwärmend sein. Wir haben in Deutschland zwar derzeit keine große wirtschaftliche Krise, aber selbst wenn es uns gut geht, zweifeln die Deutschen an der Zukunft und da lässt man sich gerne vom Fernsehen ablenken und entführen in schöne, heile Welt. Und das findet sich entweder in eher kleineren zwischenmenschlichen Formaten bei denen man zum Beispiel normalen Menschen beim Kochen zuschaut oder in den Over-the-top-Hochglanz-Shows wie „Let‘s dance“ oder „I‘m a celebrity - get me out of here“. Da ist das deutsche Zuschauerverhalten sehr extrem.

Authentizität und Glaubwürdigkeit ist so eine Sache - gerade in Deutschland mit dem Genre der Scripted Reality...

Kromschröder: Das stimmt. Da eskalieren am Nachmittag in Scripted Reality-Formaten zwischenmenschliche Situationen derart extrem, dass man in der Primetime beispielsweise in Coaching-Formaten vor dem Problem steht, dass dem Zuschauer unter Umständen die realen Probleme oder Herausforderungen im Vergleich zu den geschriebenen Extremfällen am Nachmittag zu banal oder nichtig vorkommen. Aber da darf man nicht der Versuchung erliegen. Und wir produzieren bei ITV Studios Germany übrigens derzeit auch keine Scripted Reality. Aus guten Gründen.