Man sieht in Cannes also viele Geschäftspartner. Aber auch andere ITV Studios-Kollegen, nehm ich an. Wie muss man sich generell den Austausch vorstellen? Wie intensiv ist der in einem internationalen Produzentennetzwerk?
Kromschröder: Es ist wichtig, dass die vielen ITV-Tochtergesellschaften nicht wie Satelliten wirken und agieren. Natürlich gibt es viele Formate bei denen man die Erfahrung und Vorleistung aus UK gerne übernimmt, etwa bei „I‘m a celebrity - get me out of here“, welches wir dann zudem gemeinsam mit den australischen Kollegen in der Nähe von Brisbane produzieren. Aber es geht auch darum, etwas zurück zu geben. Beispielsweise die Erfahrung vor Ort, welche Formate wie an wen verkauft werden könnten und welche Erfahrungen man gemacht hat, die wiederum anderen helfen können. Es gibt eben - anders als es einem manchmal auf der MIP erzählt wird - keine Fernsehformate die unverändert einfach so weltweit funktionieren. Oder es gibt Charaktere wie Harald Glööckler, die man dann mal den internationalen Kollegen vorstellt.
Buccieri: Oh, er ist fantastisch und sehr lustig.
Kromschröder: Er war ja auch schon in Los Angeles und hat sich dort ja mit Deinen US-Kollegen getroffen. Ob da was draus wird? Man weiß ja nie (lacht). Aber um allgemein auf die Frage zurück zu kommen: Für all das ist ein konstanter Austausch wichtig. Wir telefonieren wöchentlich, zweimal im Monat gibt es Telefonkonferenzen mit allen ITV-Produktionsfirmen über neue Entwicklungen. Mehrfach im Jahr treffen wir uns alle, im Juni bin ich beispielsweise in Berlin Gastgeber eines solchen Treffens. Es gibt sicher einige Unternehmen bei denen es deutlich zentralisierter ist. Da ist ITV relativ offen und die einzelnen Töchter unabhängig in der Form als dass wir auch andere Formate produzieren. Gerade erst das Warner-Format „Der Bachelor“ zum Beispiel oder das BBC-Format „Strictly Come Dancing“.
Buccieri: Wir haben das Beste aus beiden Welten. Wir sind gesegnet mit all den Formaten, der Erfahrung, der Show-Expertise und den Kenntnissen der Märkte durch unsere Mutter. Gleichzeitig aber sind wir in den einzelnen Märkten sehr unabhängig und können eigene Formate kreieren oder Formate lizensieren und umsetzen. Auf den Punkt gebracht: Wir wollen, dass unsere Töchter einen eigenen Unternehmergeist entwickeln.
Kromschröder: Als ich 2008 zu Granada kam, habe ich von Stefan Oelze eine großartige Firma übernommen. Aber es war eine Produktionsfirma, die komplett von Hochglanzshows oder Dokusoaps rund ums Thema Kochen abhing und es wurde fast ausschließlich für die Mediengruppe RTL Deutschland produziert. In 2011 haben wir 470 Programmstunden für 13 verschiedene Sender produziert - also eine größere Bandbreite, was inhaltlich aufgrund meines Backgrounds auch bedeutet: Fiction, also „Der letzte Bulle“ oder aktuell unsere erste Sitcom „Sekretärinnen“ für RTL. Und wir entwickeln gerade eine neue zehnteilige Serie für das ZDF.
Welche Rolle spielt ITV Studios Germany im ITV Studios Netzwerk? Geht es mehr darum internationale Formate im vergleichsweise großen deutschen Markt zu platzieren oder aus dem deutschen Markt Formate und Ideen für den internationalen Markt zu gewinnen?
Buccieri: Meine Antwort wird sie nicht überraschen: Es ist Beides (lacht). Jan hat in Deutschland einen hervorragenden Job gemacht und etwa bei „I‘m a celebrity - get me out of here“ oder „Das perfekte Dinner“ bewiesen, wie man lang laufende Formate pflegt. Das ist neben der Begeisterung für alles was neu ist, der Kern unseres Geschäfts. Generell gesprochen wollen wir, dass all unsere Produktionsfirmen weltweit in ihren Märkten eine eigene Handschrift und damit auch eigene Formate entwickeln. Und davon profitiert dann auch das Mutterschiff, wie wir es nennen. Wie vorhin schon mal gesagt: Wir wollen in einem großen Konzern den Unternehmergeist erhalten.