Hat das Internet da eigentlich der TV-Kritik geholfen? Es gibt dank des Internets zwar eine öffentliche Plattform zum Austauch, aber oftmals auch in zweifelhaftem Tonfall...
Tja, es hat Vor- und Nachteile. Erst mal die Vorteile: Es gibt den Zuschauern ein Forum, in dem sie überhaupt wieder ihre Meinung sagen können und wahrgenommen werden. Über kritische Post mit Drohungen wie „Ich schalt den Sender nie wieder ein“ haben die TV-Sender in früheren Tagen doch im Zweifel nur gelacht. Wer keine dieser GfK-Boxen zu Hause hat, ist als Zuschauer irrelevanter als der umkippende Sack Reis in China, weil man nicht gemessen wird. Man ist weniger wert als ein Nichtwähler, weil als Verweigerer zumindest noch statistisch erfasst wird. Im Netz bündelt sich Kritik öffentlich und kann somit nicht komplett ignoriert werden. Bei der Abschlussfeier der Olympischen Spiele, die von den ARD-Kommentatoren völlig taktlos und dümmlich zerquatscht wurden, gab es beispielsweise eine Riesenbeschwerdewelle auf der ARD-Facebook-Seite – und auf einmal wurden die Moderatoren still. Die Wirkung war verblüffend, auch wenn die ARD natürlich später alles leugnete.
Das ist die gute Seite. Und die schlechte?
Im Internet darf natürlich jeder Pöbler, der sich sonst nicht traut zu seiner Meinung zu stehen und sie auch niemals jemanden persönlich ins Gesicht sagen würde, plötzlich das Maul aufreißen. Da wimmelt es manchmal vor schlechter Laune und selbstgerechten Leuten, die einfach nur meckern wollen, und oft löst das ganze Lawinen unreflektierter Beleidigungen aus. Das mag ich nicht. Ich mag es auch nicht, wenn man von mir verlangt, dass ich den Hass und die Wut anderer weitertransportieren soll. Wenn ich dann mal sage, dass ich das eine oder andere gar nicht so schlimm finde oder sogar mag, dann wird mit oft sofort Verrat oder Käuflichkeit vorgeworfen. Mein Gott, ich mache das doch nicht, weil ich alles blind hasse oder eine persönliche Fehde austrage. Ich mag das Fernsehen und hätte gern mehr gutes davon, also habe ich auch das Recht, Sendungen oder Menschen zu mögen oder zumindest nicht sofort kritisieren zu wollen.
Ach, das liebe Fernsehen. Woran genau krankt es denn?
Die Quote an sich ist das Grundübel. Geld und Wille kommt später, aber die Wurzel allen Übels im deutschen Fernsehen ist der Glaube an die Quote. Dabei geht das jetzt überhaupt nicht gegen die Messung und die GfK an sich. Die machen im Rahmen ihrer Möglichkeiten einen guten Job. Das Problem ist: Knapp 6.000 Haushalte haben so eine Box neben dem Fernseher im Wohnzimmer stehen. Wenn einer neu reinkommt ins Wohnzimmer, muss der sich mit der Fernbedienung anmelden, wenn er geht auch wieder abmelden. Und so wird ganz genau gemessen, wer wann was im Wohnzimmer geschaut hat. Wunderbar, alles prima. Nur das Problem ist doch: Diese Messung entstand zu einer Zeit zu der die Mediennutzung noch eine ganz andere war. Heute sagt mir die Quotenmessung doch überhaupt nichts darüber, ob die Menschen nebenher nicht mit Smartphone, Tablet oder Notebook beschäftigt sind. Die Quotenmessung geht davon aus: Wer im Wohnzimmer sitzt, der guckt auch.
Und die TV-Nutzung über andere Geräte wird ja auch noch nicht gemessen...
Ja, eben. Fernsehen wird zu einem sehr großen Teil, vor allem von jüngeren Menschen, gar nicht mehr live, nicht mal mehr im Wohnzimmer oder an einem Fernseher gesehen, es wird aufgezeichnet, zeitversetzt gesehen oder über das Internet. Doch all diese Arten der TV-Nutzung werden derzeit nicht erfasst, bzw. haben in der Auswertung keinerlei Relevanz....
....also schlägt die Quote nur dann nach oben aus, wenn ich mich auf die konzentriere, die nicht jung und nicht aufgeschlossen sind. Vereinfacht gesagt.
So könnte man es zusammenfassen. Die Quotenmessung schenkt uns zahlreiche wichtige Erkenntnisse, z.B. die ungefähren Alters- und Bildungsstrukturen der Nutzer, Einschalt- und Abschaltfaktoren und ob die Leute nach der Werbung auch wieder zurück kommen oder nicht. Das sind ganz wichtige Informationen. Aber für das große Ganze - also die Frage, wie erfolgreich Sendungen im Wettbewerb miteinander sind - fehlt leider Aussagekraft, denn die so genannte Quote ist ein irrealer Schätzwert. Diese Messung hat mit der wahren Nutzung nichts mehr zu tun. Das immerhin beklagen die Sender ja inzwischen auch, nur tun sie nichts dagegen, denn es ist die einzige existierende Währung im TV-System, selbst wenn sie unlogisch ist.
Die Quote und die Öffentlich-Rechtlichen. Auch ein schönes Thema...
Die Öffentlich-Rechtlichen haben einen Auftrag. Wir alle bezahlen sie, damit sie diesen Auftrag ausführen. Die Privaten können ja theoretisch machen was sie wollen, wenn sie wirklich nur noch ihre Aktionäre befriedigen wollen, ist das ihre Entscheidung. Da kommt dann eben Billig-Scheiß plus endlose Wiederholungen bei raus. Solange am Jahresende ein Plus in der Bilanz steht, haben die Privatsender zumindest theoretisch ihren Job richtig gemacht. Ihnen ist der Inhalt egal, es zählt nur der Gewinn am Ende der Bilanz. Aber die Öffentlich-Rechtlichen können sich damit nicht herausreden. Deren Job wäre es, uns jeden Tag und jeden Monat mit neuen Ideen zu überraschen. Die haben keinerlei wirtschaftlichen Druck, sondern sollten der Kreativität und dem Publikum verpflichtet sein. Was für eine traumhafte Voraussetzung für Innovationen! Aber wenn wir uns die letzten fünfundzwanzig Jahre anschauen: Jeder einzelne TV-Trend, unabhängig von der Qualität, kam von den Privaten. Selbst Quizshows, Telenovelas und Infotainment. Wo sind die Ideen der Öffentlich-Rechtlichen? Wo haben ARD und ZDF Trends gesetzt? Sie haben nur kopiert, und das meist viel zu spät und dann auch noch schlecht.
Gut, das ist jetzt zugespitzt formuliert. Aber es ist schon enttäuschend wie wenig Kreativität bei so viel Mitteln herauskommt...
Die BBC schafft es doch. Und das obwohl die auch sparen müssen, man ist in England nicht reicher oder begünstigter als bei uns. Wenn man BBC einschaltet, kann man zwar auch bei einer beschaulichen Garten-Sendung landen oder dröge Streifzüge durch britische Landschaften erwischen. Aber eben nicht nur. Die BBC weiß wie man verschiedene Geschmäcker bedient und die eigene Kreativität fördert. Da kommen dann auch Perlen wie „Sherlock“, „The Office“, „Doctor Who“ und andere Highlights bei heraus - so viele geile Serien, die um die ganze Welt gehen. Plus Shows, Dokumentationen und andere Formate, die Qualitätsstandards neu definieren und vorgeben. Es ist einfach diese spürbare Mischkalkulation zwischen Brot-und-Butter-Produktionen und bewussten Highlights, die das Publikum - übrigens deutlicher als bei ARD und ZDF - auch schon mal intellektuell fordert anstatt nur einzulullen. Man spürt drüben auf der Insel den stetigen Wunsch, immer wieder etwas Neues zu entdecken und auszuprobieren.
Gut, jetzt hat die BBC eben den gewissen Vorteil der internationalen Vermarktbarkeit der Produktionen durch die englische Sprache. Aber ich stimme da zu: Fiction von der BBC bedeutet eine sehr breite Palette. Und in Deutschland zeigen ARD und ZDF fast ausnahmslos Krimi...
Genre-Produktionen existieren in Deutschland fast gar nicht. Thriller, Fantasy, Science Fiction, Horror, schräger Humor oder ein Mix aus verschiedenen Genres wird man bei uns kaum finden.