Sie sprachen eben selbst schon „Stern TV“ an. Viele Kritiker fühlten sich daran erinnert und fragten, ob die Sendung einfach nur ins Erste gewandert sei...

Diese Kritik können nur die äußern, die anscheinend weder die eine noch die andere Sendung vorher gesehen haben. Davon abgesehen: „Stern TV“ ist eine über mehr als zwei Jahrzehnte hinweg absolut erfolgreiche Sendung, die zum Teil komplizierte Themen sehr gut erklärt und auf den Punkt bringt und vor allen Dingen filmisch umsetzt. Teile dieser erworbenen Kompetenz zu nutzen, finde ich völlig in Ordnung und es schmückt die Sendung zudem. Aber der Charakter des Sonntagabend-Termins im Ersten hat sich ja nicht maßgeblich verändert. Dieser Sendeplatz ist einer der stabilsten im deutschen Fernsehen. Dem trage ich Rechnung und stelle eben nicht alles auf den Kopf. Aber uns war klar, dass man den einen nicht genug und den anderen in jedem Fall zu viel ändern kann. So denke ich aber nicht. Mir geht es darum, ein Thema mit den passenden Mitteln so kritisch, kontrovers und verständlich wie möglich zu machen.

Damit am Ende der Erkenntnisgewinn, quasi die Währung bei den Talkshows, stimmt...

Ja, unter Erkenntnisgewinn am Sonntag würde ich auch subsumieren, dass die Zuschauer  bestimmte Dinge einfach besser verstehen. Ich weiß zum Beispiel, dass es Menschen gibt, die ein Problem mit unseren Filmsequenzen haben, in denen Dinge erklärt werden. Aber das Medium Fernsehen ist nun einmal in der Lage bestimmte Sachverhalte mit seinen Mitteln besser zu vermitteln als wenn da ein Mensch  sitzt und aufsagt, wie es ist. Man kann mit einer grafischen Unterstützung und filmischen Beispielen einfach sehr viel mehr machen. Das notiere ich letztlich auch unter Erkenntnisgewinn, wenn die Leute sagen, dass sie so vielleicht zumindest Teile der Problemlage überhaupt erst einmal verstanden haben. Ich finde den Erkenntnisgewinn einer solchen Sendung darauf zu begrenzen, dass mir Meinungen über Dinge klarer geworden sind, greift zu kurz. Das nützt mir ja nur, wenn ich die Problemlage verstanden habe. Wir neigen in Deutschland manchmal dazu, eher meinungsstark daherzukommen, statt sich erst einmal mit der Sache selbst näher zu befassen.

Bei der Euro-Krise weiß man ja gar nicht, wer hier die Problemlage überhaupt verstanden hat, falls man überhaupt weiß, was genau die Problemlage ist...

Ich glaube, dass die Sehnsucht der Menschen nach Orientierung sehr, sehr groß ist. Und da ist z.B. die Euro-Krise ein Thema von ganz neuer Komplexität. Wenn in den 70er Jahren über die Ost-Verträge diskutiert wurde, dann gab es ein dafür und ein dagegen. Zwei Lager mit klaren Fronten, die dann leidenschaftlich diskutieren konnten, weil auch die Zuschauer eine klare Vorstellung davon hatten, worum es ging. Aber bei der Euro-Krise durchzublicken bedeutet ja, erst einmal überhaupt eine Ahnung davon zu bekommen, worum es überhaupt genau geht.

Gibt es eigentlich ein ungeschriebenes Gesetz, dass in deutschen Polittalks am Ende alle wieder Freunde seien müssen? Es scheint den Zwang zu geben am Ende einen Konsens gefunden zu haben...

Das finde ich nicht. Ich halte die Diskussion, die Auseinandersetzung, für absolut wichtig. Auch wenn Fernsehsendungen nie wie ein Ersatzparlament daherkommen sollten, können und sollen sie doch die politischen und gesellschaftlichen Konfliktlinien abbilden. 

Sie sind erfahrener Fernsehmoderator und auch Fernsehproduzent. Wie peinlich waren Ihnen da die technischen Probleme in den ersten Sendungen? Oder war das nebensächlich?

Nein, der Punkt ist wichtig. Wenn man bei irgendeiner Sendung akustische Probleme nicht gebrauchen kann, dann bei einer Gesprächssendung. Ich habe intern noch vor der Premiere gescherzt, dass das Bild ja gerne mal ausfallen kann, das ist nicht so schlimm. Aber wenn es Tonprobleme gibt, wäre das problematisch. Da räume ich ein, dass wir in der allerersten Sendung, aber zum Glück nur da, noch ein paar Probleme hatten. Wir haben dann nochmal mit einem finanziell riesigen Aufwand -  und das hat nichts mit der ARD zu tun, weil ich die Sendung produziere, daher muss ich dafür auch grade stehen, das zu beheben - die Akustik verbessert, damit es jetzt gut funktioniert.

Aber es kann doch nicht überraschend gewesen sein, dass so ein Gasometer besondere Anforderungen stellt, oder?

Doch – und wir wussten vorher auch, dass dieser Gasometer akustisch eine Riesen-Herausforderung ist und dass Sie das überhaupt nicht mit einer Studioatmosphäre vergleichen können, wo Sie sich das alles künstlich mit Styropor-Wänden hinstellen können. Die Herausforderung war bekannt und wir haben einen gigantischen Aufwand betrieben, um die akustischen Nachteile auszugleichen. Aber bei unserer ersten Sendung kamen dann zwei Dinge zusammen.

Was denn?

Es war zunächst mal die erste Sendung und eben noch nicht alles bis ins Letzte so ausgetüftelt, wie wir es uns gewünscht hatten. Aber dann kam während unserer Premierensendung auch noch ein Gewitter mit Schlagregen, der dann auf unsere Konstruktion drauf donnerte, wie man es vielleicht nur einmal im Jahr erleben wird.