Lieber Bora Dagtekin,
vielleicht habe ich ja Glück und Sie lesen meine Mail wirklich. Das würde mich sehr freuen. Ich habe nämlich ein Anliegen, das mir schon seit ein paar Jahren auf der Seele liegt, aber in den vergangenen Monaten hat es angefangen, auf der Seele zu brennen: Ich vermisse Sie. Sehr.
Also, nicht Sie persönlich, ich kenne Sie ja nicht. (Wenn ich Sie kennen würde, hätte ich mich natürlich unter Ausschluss der Öffentlichkeit an Sie gewandt.) "Wie kann die mich denn dann vermissen?" Das fragen Sie sich jetzt sicher. Okay, ich präzisiere: Ich vermisse Ihre Arbeit. "Warum geht die denn dann nicht einfach ins Kino?" Wieder eine Frage, die Sie sich jetzt vermutlich stellen. Ganz einfach: Weil mich Ihre Filme nicht interessieren.
Vielleicht sollte ich noch deutlicher werden: Ich vermisse Ihre Arbeit an Serien. Für mich ist "Doctor’s Diary" immer noch die beste deutsche Serie. Weder vor noch nach 2008 habe ich Besseres gesehen - und das will einiges heißen, dann seit drei, vier Jahren bemüht man sich in Deutschland endlich um gute Serien. Doch es hat niemand geschafft, Ihr wunderbares Werk von meinem Sockel zu stoßen.
Gretchen Haase ist warmherzig, schräg, tough, tiefgründig, witzig - einfach fantastisch. Marc Meier ist arschlochig, ebenfalls schräg (wenn auch auf eine andere Art), tiefgründig - ebenfalls fantastisch. Und dann noch Schwester Sabine! Schwester Gabi! Frau Doktor Hassmann! Ach, ich könnte jetzt noch sehr viel über sämtliche Charaktere aufschreiben, die mich begeistern. Aber das erspare ich uns jetzt mal - Sie kennen sie ja viel besser als ich - und wende mich den Dialogen zu: Großartigst! Da sitzt jedes Wort. Das sind Wortwechsel, von denen viele Drehbuchautoren noch sehr, sehr viel lernen können. (Eine Frage nebenbei: Gehört "Doctor’s Diary" eigentlich zum Kanon in der Ausbildung von Drehbuchautoren? Ach, ich vergaß, dass es in Deutschland ja immer noch etwas schwierig ist mit der Ausbildung für Drehbuchautoren.) Und die Geschichte: Herrlichst! Auch wenn es hin und wieder eine Wendung gab, die ich in dem Moment, in dem sie passierte, etwas überzogen fand - doch im Nachhinein haben alle Spaß gemacht und Sinn ergeben.
Und auch Ihre erste Serie "Türkisch für Anfänger" finde ich richtig gut. Eine echte Ausnahmeerscheinung unter den ARD-Vorabendserien - okay, neben "Berlin, Berlin". In diesem Fall habe ich mir übrigens auch Ihren Film angeschaut. Aber, nee, den fand ich längst nicht so gut wie die Serie.
Ich kann ja verstehen, dass Sie auch mal einen Film machen wollten. Oder zwei oder drei. Der Ruhm und die Ehre - und die Kohle. Alles klar. Aber das haben Sie ja jetzt gemacht, können es also abhaken. Und dann haben Sie wieder Zeit für die wirklich wichtigen Dinge: großartige Serien schreiben. Okay?
Achso, falls Sie sich wundern sollten, warum ich Ihnen ausgerechnet jetzt schreibe: Meine Tochter hat vor kurzem ihren Wunschzettel an den Weihnachtsmann geschrieben. Und da habe ich darüber nachgedacht, was ich mir wünschen würde. Und jetzt raten Sie mal, was ganz oben landen würde. Genau: "Eine neue Serie von Bora Dagtekin".
Haben Sie ein wunderbares Wochenende!
Ulrike Klode
P.S.: Ich soll Ihnen liebe Grüße von den DWDL.de-Kollegen ausrichten. Die freuen sich auch schon auf Ihre nächste Serie. :-)