"Nur dort, wo wir die Programme exklusiv haben und wo wir sie kreativ beeinflussen können, bleiben wir überdurchschnittlich erfolgreich. Das ist bei US-Serien und -Spielfilmen leider nicht mehr der Fall." Mit diesen Worten unterstreicht RTL-Programmgeschäftsführer Frank Hoffmann in der aktuellen Ausgabe des "Horizont" noch einmal, was man schon seit längerem aus der Kölner Zentrale der Mediengruppe RTL Deutschland hört: Es sind die Eigenproduktionen, auf die RTL inzwischen wieder deutlich stärker setzt als noch vor einigen Jahren.
Die meisten Output-Deals mit Hollywood hat ohnehin die Konkurrenz aus Unterföhring an sich gezogen - was man angesichts der meist mauen Quoten, die US-Serien heute im Free-TV erreichen, bei RTL vergleichsweise gelassen sehen kann. Dagegen setzt man den massiven Ausbau an eigenproduzierten Inhalten: Hatte man für diese Saison vier neue eigenproduzierte Sitcoms ankündigen können, so stehen nun sogar gleich fünf neue Drama-Serien auf dem Produktionsplan. Fast alle der im Sommer letzten Jahres präsentierten sechs Piloten gehen damit auch in Serie.
Jeweils zehn Folgen werden von den Serien mit den Arbeitstiteln "Bad Cop", "Jenny", "Plötzlich Anwalt", "Lifelines" und "Sankt Maik" produziert. "So viele Drama-Serien hatten wir noch nie parallel in der Produktion", so Hoffmann, der damit dem mittelfristigen Ziel näher kommen will, einen zweiten Abend mit seriellen Eigenproduktionen zu besetzen. "Mit deutscher Fiction können wir uns als Marktführer absetzen. Denn kleinere Sender können sich dieses Genre nicht an mehreren Abenden leisten. Außerdem zahlen Serien im besonderen Maße in eine Sendermarke ein", unterstreicht er die Bedeutung des Genres - das sich auch noch durch bessere Wiederholbarkeit als bei Shows oder ähnlichem auszeichnet.
Allen Serien gemein ist, dass sie mit einer "Extra-Portion Humor und Leichtigkeit" daher kommen sollen, wie es Frank Hoffmann schon im letzten Sommer erklärt hat. Und darum geht's im Einzelnen: Die Crime-Serie "Bad Cop" handelt vom Kleinkriminellen Jan Starck (David Rott), der nach dem Tod seines Zwillingsbruders nicht nur in dessen Rolle als Kommissar, sondern auch in die des Ehemanns und Vaters schlüpft. Talpa beginnt Ende März mit der Produktion. In weiteren Rollen sind Daniel Rodic, Alma Leiberg, Victoria Fleer und Lisa Marie Trense zu sehen. In eine ähnliche Richtung geht "Sankt Maik" von UFA Fiction: Die Serie erzählt von dem Trickbetrüger Maik Schäfer (Daniel Donskoy), der auf der Flucht vor der Polizei seine falsche Schaffneruniform gegen eine echte Soutane austauscht. Er entkommt zwar dem Arm des Gesetzes, nicht aber der festen Hand von Pfarr-Haushälterin Maria (Susi Banzhaf), die ihn für den neuen Kirchenvorstand hält. Bettina Burchard, Marie Burchard und Vincent Krüger spielen weitere Hauptrollen, die Produktion startet im Juni.
In der Sony-Pictures-Produktion "Lifelines" nimmt Ex-Truppenarzt Falk Hartmann (Jan Hartmann) in seiner neuen Wirkungsstätte, einem Krankenhaus, mit seinen ganz eigenen Methoden den Kampf für mehr Menschlichkeit im System auf. Dabei gerät er nicht selten zwischen die Fronten, aber auch in Wirrungen mit einer alten Liebe. Gedreht wird hier ab Herbst. Jenny (Birte Hanusrichter) ist in der gleichnamigen Serie eine junge, alleinerziehende Mutter aus einfachen Verhältnissen und mit dem sprichwörtlichen "Herz auf der Zunge". Als ungelernte Anwaltssekretärin schafft sie es, ihrem Anwalt und neuen Chef Martin (August Wittgenstein) nicht nur die Fälle, sondern auch den Kopf zu verdrehen. Talpa beginnt hier im April mit dem Dreh. Und nochmal in den Anwaltsbereich geht's mit "Plötzlich Anwalt" von UFA Fiction: Hannes Beck (Bert Tischendorf) ist vierfacher Vater und Hausmann. Doch dann kommt es Schlag auf Schlag: Seine Frau geht fremd, er wirft sie raus, nun steht er alleine da mit seinen vier Kids. Jetzt muss Hannes zum ersten Mal arbeiten gehen. Als studierter Jurist und mit der schlagfertigen Unterstützung seiner Haushaltshilfe Jasmina (Andreja Schneider) muss er als Pflichtverteidiger die ganz schwierigen Fälle übernehmen. Weitere Rollen übernehmen hier Annika Ernst und René Steinke.
Doch Erfolge in der Primetime sind allenfalls die halbe Miete, um den Rückgang der Marktanteile zu stoppen - RTL litt zuletzt auch darunter, dass die Scripted-Reality-Formate am Nachmittag schwächelten. Hoffmann in "Horizont": "Auf allen großen Sendern verlieren die gescripteten Dokusoaps Reichweite und Marktanteil, weil es inzwischen ein Überangebot gibt." Auch diese Baustelle will der RTL-Chef daher nun angehen: "Einerseits versuchen wir, das Genre selbst weiterzuentwickeln. Aber wir arbeiten auch jenseits dessen in andere, verschiedene Richtungen, etwa im Real-Life-Bereich."
Gut möglich also, dass es bald auch wieder nicht gesciptete Inhalte geben wird. Aus Kostensicht sei das schonmal kein Problem: "Finanziell haben wir guten Spielraum, denn entgegen allen Vorurteilen ist die Produktion der gescripteten Reality nie wirklich günstig gewesen", sagt Frank Hoffmann. Ein Risiko ist da schon eher, Zuschauer mit der neuen Programmfarbe abzuschrecken und zur Konkurrenz zu treiben. Doch Frank Hoffmann ist optimistisch: "Das Risiko müssen wir eingehen. Egal, ob bei uns oder anderen Sendern: Man merkt, dass die Zuschauer neugierig sind auf neue Programme."