Dass die Vermarkter der Fernsehsender keine großen Fans von sozialen Medien sind, ist keine neue Erkenntnis. Wie hart die Geschäftsführer des ProSiebenSat.1-Vermarkters SevenOne Media nun gegen Facebook austeilen, überrascht dann aber doch. Guido Modenbach und Thomas Port formulieren gegenüber den Kollegen von "Werben & Verkaufen" scharfe Kritik an dem sozialen Netzwerk. "Wie Facebook im Werbemarkt kommuniziert, ist an der Grenze zur Scharlatanerie", ist da einer der Vorwürfe Modenbachs. Und Port fügt in ähnlich rauem Ton hinzu: "Das ist Irreführung der Werbekunden. Es bewirkt eine Manipulation des Marktes", so Port gegenüber "W&V".
Anlass der der verbalen Angriffe ist eine Studie Facebooks, die vor einigen Monaten veröffentlich wurde und die Wirkung von klassischen Fernsehspots mit der Bewegtbildwerbung auf Facebook vergleicht und so Werbekunden und ihre Budgets vom klassischen Fernsehen zum sozialen Netzwerk ködern soll. Port und Modenbach sind, vorsichtig formuliert, alles andere als überzeugt von der Studie. "Facebook präsentiert ein Fakebook", so Modenbachs Urteil. In der Studie wimmele es von methodischen Fehlern, die nach Ansicht von Modenbach für Nichtexperten "nur sehr schwer zu durchschauen" seien, stattdessen den Werbekunden auf den ersten Blick aber beeindrucken könnten.
Die SevenOne-Bosse stören sich an verschiedenen Aspekten der Studie. Insbesondere geht es Modenbach und Port dabei darum, dass angegeben werde, Video-Werbung mit klassischer TV-Werbung zu vergleichen, am Ende aber gar nicht ausschließlich Videos mit einbezogen werden, sondern auch klassische Bannerwerbung den Weg in die Facebook-Werte findet. Im Falle der in der Studie untersuchten Kampagnen seien alleine 38 Prozent auf klassische Banner entfallen. "Auf Facebook gibt es gar keine reinen Videokampagnen", rechtfertigt Stefan Meister, Sprecher der Deutschlandzentrale von Facebook, das Vorgehen. Bei allen habe die Videowerbung aber die Mehrheit bei einem Median von 79 Prozent ausgemacht, so Meister. "Da halten wir es für gerechtfertigt, hier von Videokampagnen zu reden."
Ein weiterer Kritikpunkt: Facebook berechnet für den Return on Investment (ROI) einen Mittelwert aus fünf untersuchten Kampagnen unterschiedlicher Marken, was Modenbach als völlig unzulässig "und methodisch absolute[n] Wahnsinn" bezeichnet. Das sieht man im Hause Facebook, wenig verwunderlich, aber völlig anders. "Wir haben da ja nicht Brotaufstrich und Autos verglichen", argumentiert Torsten Müller-Klockmann, bei Facebook Deutschland für die Forschungsarbeit zuständig, die Angaben. Für Müller-Klockmann handelt es sich dabei um ein Vorgehen, das "methodisch absolut sauber" sei.
Auch einen dritten Vorwurf weist Facebook kategorisch von sich. Man habe selbst nie die Schlussfolgerung gezogen, dass Größen wie Sales-Uplift und ROI linear mit den Werbeausgaben ansteigen. Die ROI-Analyse basiere stattdessen "immer auf einem Status quo. Nach den Argumenten der Kritiker wären dann sämtliche Marketingmix-Modelle obsolet, was aber niemand ernsthaft annehmen würde", stichelt Facebook in Richtung SevenOne Media. Port und Modenbach argumentieren, dass Facebook genau dieses lineare Wachstum aber suggeriere und sich künstlich erfolgreicher rechne, indem man sich als Targetmedium mit einem Massenmedium, dem Fernsehen, vergleiche.
Letztlich dürfte es aber nicht ausgerechnet diese eine Studie sein, die Port und Modenbach ein Dorn im Auge ist. Vielmehr geht es den Geschäftsführern von SevenOne Media auch um das Prinzip, bemängeln sie doch auch, dass Facebook sich einer offiziellen Gesamtreichweitenmessung verweigert und lieber eigene Zahlen verbreitet, statt sich am deutschen Mediasystem zu beteiligen. Facebook entziehe sich der Kontrolle und verdunkle gezielt die eigenen Schwächen, lautet da nur ein Vorwurf, wenn Modenbach meint "Facebook vermarktet letztlich einen Mythos". Auch dass Facebook trotz des Vergleiches mit der Fernsehwerbung selbst keine Angaben zur durchschnittlichen Sehdauer macht, die SevenOne bei nur 1,3 Minuten täglich schätzt, passt beiden dabei gut ins Bild.