In den vergangenen Tagen sind die Verhandlungen zwischen ProSiebenSat.1Puls4, der Österreich-Tochter des deutschen Medienkonzerns, und der Tele München Gruppe (TMG) von Herbert Kloiber breit in der Öffentlichkeit diskutiert worden. Kloiber hatte im vergangenen Jahr angekündigt, den Privatsender ATV verkaufen zu wollen, in einem Interview hatte er den Sender zudem als seinen "größten Fehler" bezeichnet. ATV schreibt seit seinem Start tiefrote Zahlen. Nun hat ProSiebenSat.1Puls4 bestätigt, ATV übernehmen zu wollen. Die entsprechenden Verträge wurden unterzeichnet.

Der Verkauf an die jetzt schon dominierende Privatsendergruppe in Österreich muss nun noch von den zuständigen Medien- und Kartellbehörden genehmigt werden. Es wird davon ausgegangen, dass die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) dem Deal unter Auflagen zustimmt. Bereits in der vergangenen Woche ließ die Behörde verlauten: "Die vorgeschlagenen Auflagen der Zusammenschlusswerber erscheinen geeignet, die wettbewerbsrechtlichen Probleme und die Themen zur Medienvielfalt zu lösen." Wenn der Deal bei der BWB angemeldet wird, will diese die Auflagen innerhalb von einem Tag veröffentlichen. Nach DWDL.de-Informationen soll das noch in dieser Woche passieren.

 ProSiebenSat.1Puls4 erklärt nun jedenfalls in einer Mitteilung, dass man durch die "geplante Integration und Sanierung" von ATV in den Konzern den Fortbestand des Senders langfristig sichern möchte. Markus Breitenecker, Geschäftsführer ProSiebenSat.1Puls4, sagt zum Deal: "Ziel des Kaufs ist es, ATV in die ProSiebenSat.1Puls4-Gruppe zu integrieren und die Position von ATV auf dem österreichischen TV-Markt so nachhaltig zu stärken." TMG-Chef Herbert Kloiber spricht von einer "optimalen Lösung" für den Fortbestand von ATV.

ATV ging 2003 als erster österreichischer Privatsender überhaupt landesweit on Air. Inzwischen gehört auch der kleine Spartensender ATV II und die VoD-Plattform ATV smart zum Sender. Ähnlich wie RTL II setzt ATV auf viele Dokusoap-Eigenproduktionen und kann davon auch immer wieder einige ins Ausland verkaufen. Sowohl ATV als auch ProSiebenSat.1Puls4 haben große Sendezentralen in Wien - ob die zwei Standorte auch nach dem Kauf noch bestehen bleiben, ist derzeit unklar. Denkbar wäre aber auch, dass die Wettbewerbshüter das zur Auflage machen. Sicher scheint nur, dass durch den Zusammenschluss Mitarbeiter ihren Job verlieren werden, denn so oder so wird es Synergie-Effekte zwischen den Unternehmen geben.

In den vergangenen Tagen hatten sich immer mehr österreichische Medienmacher in die Verkaufsgespräche eingemischt und diese öffentlich kommentiert. TMG-Chef Kloiber hatte sich aber allem Anschein nach schon vor Wochen auf ProSiebenSat.1 als Käufer festgelegt. Die Stimmen aus den vergangenen Tagen könnten daher vor allem dazu gedient haben, die Auflagen der BWB zu verschärfen.

Schon heute ist ProSiebenSat.1 die dominierende Privatsendergruppe in Österreich. Der Marktanteil beim werberelevanten Publikum zwischen 12 und 49 Jahren lag im vergangenen Jahr bei 26,1, der ORF lag mit 26,9 Prozent nur unwesentlich höher, unterliegt aber Beschränkungen in der Vermarktung. Im Werbemarkt kommt ProSiebenSat.1Puls4 daher auf einen Marktanteil von etwa 36,6 Prozent, durch den Kauf von ATV würden hier noch einmal etwas mehr als sechs Prozentpunkte hinzukommen. Der ORF kommt auf etwa 30 Prozent Marktanteil im Werbemarkt, IP Österreich (u.a. RTL-Gruppe) auf 21,5 Prozent.

ATV© ATV
Lange lag ATV als erster landesweiter Privatsender in den TV-Quoten vor Puls 4, in den vergangenen Jahren haben sich die Machtverhältnisse allerdings gedreht und Puls 4 ist zum führenden Privatsender in Österreich aufgestiegen - die deutschen Sender mal ausgenommen. Durch den sehr späten Start des landesweiten Privatfernsehens sind aber beide Sender vergleichsweise schwach und nicht mit RTL, Sat.1 oder ProSieben zu vergleichen, die hierzulande ein ganz anderes Standing haben. Auch in Österreich haben die deutschen Sender mit ihren österreichischen Werbefenstern oft höhere Quoten als die Puls 4 und ATV.

ATV punktet dennoch vor allem in der Information und erreicht mit seinen täglichen Nachrichtensendungen hervorragende Quoten. Etliche Journalisten des Senders fürchten nun allerdings um die Unabhängigkeit ihrer Redaktion. Vor wenigen Tagen haben sie sich daher an die Parteien und zuständigen Behörden gewandt und vor einem "massiven Verlust an Meinungsvielfalt" gewarnt. Sie schreiben unter anderem: "Der sehr kleine Fernsehmarkt in Österreich würde eine kritische Stimme verlieren, einen Innovationsmotor, der viel für die Vermittlung von Politik in Österreich getan hat. Nur eine Vielfalt an Redaktionen sichert eine Vielfalt an Meinungen, dies zu garantieren, ist Ihre Aufgabe. Wir appellieren an Sie, Ihrer Verantwortung in den kommenden Wochen nachzukommen und die Medien- und Meinungsvielfalt in diesem Land nicht leichtfertig zu opfern."

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