Tobias Schlegl hat dem "Stern" ein bemerkenswertes Interview gegeben und darin sehr ausführlich erklärt, wieso er sich aus dem Fernsehen zurückziehen wird, um - kein Spaß - Notfallsanitäter zu werden. "Ich stand 21 Jahre lang vor der Kamera. Das war ein großes Glück und Privileg. Und dennoch hatte ich das Gefühl, mein Leben ist bisher wie ein Computerspiel verlaufen: Alle Level sind durchgespielt", erklärte Schlegl, der seine Karriere einst bei Viva begann und zuletzt das ZDF-Kulturmagazin "Aspekte" präsentierte. "Ich sagte mir: Das kann nicht alles sein. Deshalb will ich nun hauptberuflich Notfallsanitäter beim Deutschen Roten Kreuz werden." Der Schritt tue auch weh, "aber ich wusste immer: Das ist nicht die Welt. Ich verstehe bei vielen TV-Kollegen nicht, dass sie ihr Beruf wirklich ausfüllt. Vielleicht tut er das auch gar nicht. Aber vielleicht denken sie, es läuft gerade so gut. Oder sie haben zu große Angst, etwas zu verändern."
Er habe jedenfalls keinen Burnout und sei nicht depressiv, stellte der Moderator klar. "Ich hatte tolle Kollegen und fühlte mich in meiner Arbeit wertgeschätzt. Trotzdem wuchs in mir eine gewisse Unzufriedenheit. Eine Sehnsucht." Er wolle etwas gesellschaftlich Relevantes machen. Etwas, das seinem Dasein einen Sinn verleihe. "Bildungsfernsehen zu machen ist ja schön und gut, aber es gibt dann doch noch Dinge, die wichtiger sind." Am Ende habe er das Brummen in seinem Kopf, wie er es nennt, nicht mehr verdrängen können. Immer häufiger habe er sich selbst gefragt, was er eigentlich selbst mache. "Du moderierst Sendungen, du ärgerst Politiker vor laufender Kamera, aber richtig für eine Sache engagierst du dich nicht. Ich war immer nur dabei, wenn andere etwas hervorgebracht haben, aber habe nie selbst etwas getan. Das hat an mir genagt."
Und so stellte Tobias Schlegl eines Tages schließlich eine Liste mit Berufen auf, die er sich vorstellen konnte - und strich nach und nach fast alle wieder durch. "Übrig blieb der Arzt. Allerdings hatte dieser Job einen Haken: Ich bin 38 und möchte einen schnellen Einstieg in eine neue Berufswelt. Das schloss das Medizinstudium aus", so Schlegl im "Stern". So kam er auf den Job des Notfallsanitäters. "Mir wurde klar, dass es einfach nichts Relevanteres für mich geben kann, als an der Nahtstelle von Leben und Tod zu arbeiten. Genau da will ich hin." Ihn habe ein Satz beeindruckt, den ihm verschiedene Notfallsanitäter unabhängig voneiner gesagt hätten; dass man abends wirklich wisse, was man gemacht habe. "Das ist ein ganz, ganz großer Unterschied zu meinem bisherigen Job."
"Ich gehe ins Ungewisse."
Tobias Schlegl im "Stern"-Interview über seine Zukunft
Tatsächlich setzte sich Schlegl gegen 200 Bewerber durch - und bekam den ersehnten Job. "Die Angst kam in dem Moment, als ich die Entscheidung gefällt hatte. Die Nächte danach waren der Horror", erinnert er sich und erzählt von zunächst ungläubig staunenden Blicken, die er erhielt, nachdem er der ZDF-Redaktion von seinen Plänen erzählte. "Die anfängliche Verstörung verwandelte sich meist ziemlich schnell in großes Verständnis." In den ersten drei Jahren Ausbildung wird er nun 700 bis 800 Euro monatlich verdienen, danach etwa 2500 Euro brutto. Das sei "gar nicht so einfach", gibt Schlegl zu. Er sei nicht reich, habe aber "ein bisschen was gespart" und will sich auch eine Hintertüre offen halten. "So wie andere putzen gehen oder Zeitungen austragen, werde ich ab und zu noch einen Beitrag fürs Fernsehen machen. Oder eine Radiosendung moderieren."
"Die Entscheidung stimmt uns traurig, nötigt uns aber großen Respekt ab", sagte Daniel Fiedler, Leiter der ZDF-Redaktion Kultur Berlin, am Donnerstag gegenüber dem Medienmagazin DWDL.de. Seinen letzten Einsatz bei "Aspekte" wird Tobias Schlegl übrigens am 30. September haben, wie eine ZDF-Sprecherin auf Nachfrage bestätigte. Wer Schlegls Nachfolge antreten wird, ist unterdessen noch nicht bekannt. Spannender als diese Frage dürfte aber der weitere Lebensweg von Tobias Schlegl werden. "Ich gehe ins Ungewisse. Ich weiß nicht, was mich erwartet", sagte er im "Stern"-Interview auf die Frage, wo er sich in fünf Jahren sieht und fantasiert: "Ich rette einem Menschen das Leben. Dann hätte sich das alles schon gelohnt."