Die Nachrichtenagentur dts wehrt sich gegen Vorwürfe, die in der Nacht zu Freitag verbreitete Falschmeldung der "Welt", wonach Altkanzler Helmut Kohl gestorben sei, ungeprüft übernommen zu haben. Tatsächlich habe man bloß eine Blitzmeldung verbreitet, die aus nur einem Satz bestand: "'Welt-Online' berichtet über Tod von Helmut Kohl - keine Bestätigung". An dieser Meldung habe jedes Wort gestimmt, wenngleich man sie "selbstverständlich nicht verbreitet hätte", sofern zu vermuten gewesen wäre, dass ein "Welt"-Redakteur lediglich einen falschen Knopf gedrückt hätte.
Medien des Springer-Verlags seien bezogen auf Kohls Privatleben zudem als Primärquelle anzusehen. "Es ist bekannt, dass Kohl eine besondere Nähe beispielsweise zum Chefredakteur der 'Bild'-Zeitung hat", so dts-Chefredakteur Michael Höfele, der damit ganz sicher nicht falsch liegt. "Kohl ist Diekmanns Trauzeuge, Diekmann ist Trauzeuge Kohls. Wenn der Altkanzler irgendwann das Zeitliche segnet, die Medien aus dem Axel-Springer-Verlag werden es als erste melden."
Den Vorwurf, die Meldung nicht überprüft zu haben, weist Höfele derweil zurück. "Da wir als kleine Nachrichtenagentur auf 'Breaking News' spezialisiert sind, konnte die Angelegenheit nicht einfach nicht beachtet werden", schreibt der Chefredakteur und betont, man habe versucht, Kohls Büro zu erreichen - dort sei allerdings schlicht niemand ans Telefon gegangen. Aus diesem Grund habe sich der Nachtredakteur für die bereits erwähnte Formulierung entschieden, die "vollständig der Wahrheit entspricht".
Gleichzeitig kritisiert Höfele die Äußerungen des stellvertretenden "Welt"-Chefredakteurs Oliver Michalsky, der die Panne am Freitag mit einem "technischen Anwenderfehler" erklärte und - zu Recht - darauf verwies, dass vorbereitete Nachrufe "redaktionelle Praxis" seien. Doch genau hier setzt die Kritik des dts-Chefredakteurs an. "Wäre ein solcher Nachruf online gestellt worden, man hätte durchaus vermuten können, dass hier 'ein falscher Knopf' gedrückt wurde. Doch bei der von 'Welt-Online' verbreiteten Meldung handelte es sich nicht um einen fertig vorbereiteten Nachruf. Stattdessen wurde eine Kurzmeldung verbreitet, in der explizit davon die Rede war, dass der Altkanzler 'in der Nacht auf Freitag' verstorben sei."
Höfeles Deutung erscheint durchaus schlüssig: "Dass solche Kurzmeldungen ebenfalls vorbereitet werden, ist keineswegs üblich und es ist auch nicht notwendig. Es müsste dann ja eine Version 'in der Nacht auf Freitag', 'am frühen Samstagmorgen', 'am Samstagvormittag', usw. geben. Es würde im Eintrittsfall länger dauern, die 'richtige' Version zu suchen, als diese zwei Sätze einzutippen. Dass also, wie der stellvertretende "Welt"-Chefredakteur Oliver Michalsky schreibt, hier ein "nicht zur Publikation vorgesehenen Artikel" versehentlich publiziert wurde, anstatt ihn zu speichern, erscheint für uns unwahrscheinlich. Und es war in dem Moment der Veröffentlichung von 'Welt-Online' daher für uns auch nicht zu vermuten."
Bei Springer wollte man sich am Freitagabend nicht weiter zu den Mutmaßungen der Nachrichtenagentur äußern. "'Die Welt' hat die Umstände, die zu der Felmeldung führten, ja bereits erklärt", heißt es auf DWDL.de-Anfrage lapidar von Seiten des Verlags. "Der Text war schlicht nicht zur Publikation vorgesehen, wie Oliver Michalsky unterstreicht." Damit hat Springer sicherlich recht. Dass zwei kurze Sätze schon einen Nachruf darstellen, darf dennoch bezweifelt werden.