Für jeden gestandenen Journalisten muss die Situation frustrierend sein: Da steht man als kleiner TV-Sender, den kaum ein Zuschauer kennt, plötzlich im Fokus der Aufmerksamkeit, weil man ausführlich vom NSU-Prozess berichtet. Doch danach ist wieder Schluss mit Nachrichten und Information, weil das Budget dafür nicht ausreicht. Das ist das Schicksal von Ebru TV. Nach dem ambitionierten Sonderprogramm mit eigenem Ü-Wagen im Frühjahr 2013 schaltete der Sender aus Offenbach auf B-Ware vom internationalen Fiction-Markt und abgestandene Dokus um.

"Als Journalist blutet einem natürlich das Herz, wenn man einerseits so viel positive Beachtung findet wie wir bei unserer Berichterstattung zum NSU-Prozess, andererseits aber noch zu klein ist, um sich eine regelmäßige Produktion von teuren Nachrichten und Informations-sendungen leisten zu können", sagt Burhanettin Demir, Chefredakteur und Vize-Geschäftsführer von Ebru TV, im Gespräch mit dem Medienmagazin DWDL.de. "Ich hoffe, dass wir bald die nötige Reichweite und Kapitalisierung erzielen werden, um mehr auf diesem Feld zu machen." Auf dem steinigen Weg dorthin halten Demir und seine Gesellschafter die bisherige Marke Ebru TV eher für hinderlich.



Zwar ist die in Offenbach ansässige World Media Group AG in türkischem Besitz und mit der Tageszeitung "Zaman Avrupa" sowie dem Europa-Fenster des Fernsehsenders Samanyolu TV auch auf türkischsprachige Medien spezialisiert. Doch für Ebru TV war eine andere Ausrichtung vorgesehen. Zunächst irrlichterte der Sender drei Jahre erfolglos als transeuropäischer Lifestyle- und Kulturkanal in englischer Sprache über den Satelliten, ehe er 2013 zum Unterhaltungsprogramm für den deutschsprachigen Markt umgekrempelt wurde.

"Der türkischsprachige TV-Markt ist in Deutschland weitgehend ausgeschöpft", so Demir. "Da gibt es kein großes Wachstum mehr. Die jüngeren Menschen in den Einwandererfamilien, die hier geboren und aufgewachsen sind, konsumieren immer weniger türkisches Fernsehen." Weil das Wort "Ebru" - türkisch für "Augenbraue" - immer noch türkische Assoziationen weckt und so die Zielgruppe einschränkt, wird der Name nun getilgt. In Zusammenarbeit mit den Agenturen Opium effect (Design) und Endmark (Namensfindung, Branding) führt der Sender im April seinen neuen Namen QLAR ein.

"Der Name QLAR ist schnörkellos wie unser Programm", so Marketingchef Jens Walther zu DWDL.de. "Er soll für Qualität stehen und für die Quelle guter Unterhaltung mit Mehrwert." Ausgesprochen wird der Name wie das Adjektiv "klar" - dass man über die ungewöhnliche Schreibweise stolpert, ist dabei sicherlich erwünscht. Ebenfalls neu ist der Vermarkter, der zum 1. April den Werbezeitenverkauf des Senders übernimmt: Goldbach Germany, eine Ende 2014 gegründete Tochter der Schweizer Goldbach Group, die in Deutschland zur dritten Kraft im TV-Markt werden möchte und nach eigenen Angaben bisher zwölf nationale Free- und Pay-TV-Sender sowie über 100.000 digitale Out-of-Home-Werbescreens vermarktet. Geschäftsführer ist der frühere ProSiebenSat.1-Marketing-Vorstand Peter Christmann.

Bislang hat die World Media Group Ebru TV zusammen mit ihren türkischen Medien inhouse vermarktet, allerdings auf ziemlich kleiner Flamme. Das reicht künftig nicht mehr aus. "Unsere Gesellschafter erwarten, dass der Sender auf eigenen Beinen steht und Geld verdient", erklärt Burhanettin Demir den Neuaufbruch. Angepeiltes Ziel für die nächsten drei Jahre: 1 Prozent Zuschauer-Marktanteil in der Kernzielgruppe der 25- bis 59-Jährigen. Auf halber Strecke, nach anderthalb Jahren, soll möglichst das Zwischenziel 0,5 Prozent erreicht sein. Ob man für QLAR eine GfK-Lizenz anstrebt, ist noch nicht klar.

Das klingt bescheiden - und dürfte doch schwierig genug werden. Programmlich kann QLAR nach wie vor nicht mit allzu großen Pfunden wuchern. Das gut abgehangene Serienangebot mit Titeln wie "Sea Patrol", "The Border" oder "Tennisschläger und Kanonen" ("I Spy") wird zum Rebranding um die Free-TV-Premiere der kanadischen Buschpiloten-Serie "Arctic Air" ergänzt. Sie soll im Original mit deutschen Untertiteln laufen. Außerdem gibt es ein Wiedersehen mit dem Sitcom-Oldie "Taxi" mit Danny DeVito und Tony Danza, der von 1978 bis 1983 bei ABC lief. Ein Paket an internationalen Doku- und Reality-Formaten kommt vom britischen Programmvertrieb Sky Vision, diverse Kochformate von BonGusto werden bei QLAR zweitverwertet. 

Einzige neue Eigenproduktion ist das wöchentliche Magazin "Laut gedacht", in dem Passanten auf der Straße ihre Meinung zu gesellschaftlichen Fragen und Problemen sagen dürfen. Ältere Eigenproduktionen wie das Technikmagazin "Update" oder die Doku-Reihe "Faszination Museum" werden zwar nicht mehr fortgesetzt, dafür aber laufend wiederholt. Anderthalb der täglichen neun Programmstunden von 17 bis 2 Uhr sind an den österreichischen Teleshopping-Sender MediaShop untervermietet. In den programmfreien Stunden werden Hinweistafeln mit Nachrichten, Programmtipps und Quizfragen gesendet. Der Hessischen Landesanstalt für privaten Rundfunk und neue Medien reicht das für eine Vollprogramm-Lizenz aus.

Trotz des eher überschaubaren Programmaufwands findet Marketingchef Walther den Genremix von QLAR für den Moment attraktiv genug: "
Wir nehmen mit unserem Programmangebot eine Position zwischen den Öffentlich-Rechtlichen und den Privaten ein - weder bieder noch trashig." Neben der Verbreitung via Astra-Satellit, Zattoo sowie den regionalen Kabelnetzen von Tele Columbus und wilhem.tel arbeite man an einem weiteren Ausbrau der Distribution. "Entsprechend der sich verändernden Nutzung werden wir bei unserem Webauftritt VoD und Mobile verstärkt in den Vordergrund stellen", so Walther. Zum Jahresende sei zudem eine eigene QLAR-App geplant.