Auf der Bilanz-Pressekonferenz von Bertelsmann wurde am Mittwoch noch vom Wachstum durch strategische Zukäufe gesprochen und noch am selben Abend vermeldet die Fernsehtochter von Bertelsmann einen ersten Vollzug, bei dem vermutlich noch eine letzte Unterschrift fehlte, um sie rechtzeitig zur PK der Bertelsmänner präsentieren zu können. Doch jetzt scheint die Tinte getrocknet zu sein: Die zur RTL Group gehörende TV-Produktionsfirma FremantleMedia übernimmt die Mehrheit an der US-amerikanischen Produktionsfirma 495 Productions, die sich in den USA mit Reality-Formaten und Factual Entertainment einen Namen gemacht hat. Die bekannteste Sendung aus dem Hause 495 Productions war das zum Kult gewordene MTV-Format "Jersey Shore", aus dem weitere SpinOffs entstanden sind. Längst hat das 2006 durch TV-Produzentin SallyAnn Salsano gegründete Unternehmen aber auch dutzende weitere Formate für US-Kabelsender produziert und macht dem Vernehmen nach einen Jahresumsatz von rund 50 Millionen Dollar. FremantleMedia erwirbt jetzt zunächst 75 Prozent der Anteile an Salsanos Unternehmen und hat eine Option auf den Kauf der verbleibenden 25 Prozent. Dem Vernehmen nach haben die 75 Prozent rund 25 Millionen Euro gekostet.
Mit dem Erwerb will der Produktionsarm der RTL Group die Position seiner US-Tochter FremantleMedia North America festigen. Schon im Jahr 2009 hatte man dafür auch die Produktionsfirma Original Productions übernommen, deren Gründer Thom Beers inzwischen Nordamerika-Chef von FremantleMedia ist. Jetzt also das nächste Investment, das RTL Group-CEO Guillaume de Posch Anfang März bei der Bilanz-PK des Fernsehkonzerns schon leise ankündigte. Auf DWDL.de-Nachfrage sprach er damals schon von gezieltem Interesse an einem kleinen bis mittleren Übernahme-Kandidaten auf dem US-Markt. "Diese Akquisition ermöglicht es uns, unsere Präsenz als Produzent für US-Kabelsender auszubauen und unser Inhalte- und Kunden-Portfolio zu erweitern", erklärt Cecile Frot-Coutaz, CEO von FremantleMedia. "Gleichzeitig wollen wir 495 Productions in den USA weiter wachsen lassen sowie die weltweite Präsenz der Produktionsfirma durch unser umfassendes Vertriebs- und Produktionsnetzwerk weiter ausbauen."
Thom Beers fügt hinzu: "SallyAnn ist eine brilliante Führungspersönlichkeit, ein kreativer Kopf und eine der erfolgreichsten Produzentinnen in der Unterhaltungsindustrie. Seit der Gründung 2006 hat sie mit dem talentierten Kreativteam von 495 Productions das Unternehmen zu einem regelrechten Powerhouse ausgebaut." Und die gelobte SallyAnn Salsano, Gründerin von 495 Productions, sieht einen großartigen Moment für sie und ihr Team: "Dank der langjährigen Zusammenarbeit mit Cécile und Thom war die Entscheidung einfach, mit wem wir uns zusammentun werden. Beide kennen mich, sie verstehen, wie ich das Unternehmen leite und sie schätzen die Art und Weise, wie ich meine Shows produziere. Ich habe 2006 bei null angefangen und dies ist der Beweis, dass, wenn du liebst, was du tust und wenn du bis zum Umfallen arbeitest, jemand darauf aufmerksam wird und es sich schließlich auszahlt."
Beers und Salsano kennen und verstehen sich in der Tat bestens - und das nicht erst seit gestern. Bereits beim Realscreen Summit 2013 in Washington, einem großen US-Bracnhentreff, wo der damals noch recht neue FremantleMedia North America-Chef und die 495 Productions-Gründerin gemeinsam auf einem Panel saßen, waren Gemeinsamkeiten unübersehbar. Beers kommt ebenfalls aus der Ecke des Reality- und Factual-Entertainment. Er erfand Sendungen wie "Deadliest Catch" und "Ice Road Truckers". Über seine neue Aufgabe als CEO von FremantleMedia North America scherzte er damals: "Vom Whiskey auf dem Fischerboot zum Champagner in Beverly Hills." Mit SallyAnn Salsano holt er sich jetzt eine Weggefährtin an Bord, die auch lieber Reality produziert als die große Show, für die FremantleMedia sonst bekannt ist. An Material für Reality-Formate werde es jedenfalls nie mangeln, wie Salsano im vergangenen Jahr beim Branchentreff in Washington schon bemerkte: "Schauen Sie sich um. Lauter komische Typen hier. Da ist ergiebiger als People watching am Flughafen. Und so fängt Reality-TV ja an."
Für FremantleMedia-Chefin Cecile Frot-Coutaz dürfte 495 Productions aber nicht der letzte Zukauf gewesen sein. Bei der TV-Messe MIPCOM im vergangenen Herbst betonte sie immer und immer wieder die Bedeutung von Größe - verbunden auch mit dem Hinweis darauf, dass FremantleMedia im Bereich der fiktionalen Unterhaltung sicher noch Nachholbedarf hat. In dem derzeit so gefragten Genre der Drama-Serien ist der traditionell aus der Show-Unterhaltung kommende TV-Produzent FremantleMedia nicht so stark aufgestellt wie andere international agierende Produktionshäuser. Deswegen dürfte mit 495 Productions zunächst einmal eine Lücke in den USA geschlossen wurden sein, die zusätzliche Umsätze im boomenden Eigenproduktionsmarkt für Kabelsender erschließen soll. Zur Verstärkung des fiktionalen Portfolios gab es vor einigen Wochen Gerüchte über ein Interesse an einer Übernahme des Produzenten-Netzwerks All3Media, die sich bis jetzt noch nicht bestätigten. Aber Tinte braucht schließlich manchmal estaunlich lange bis sie trocken ist.