Auf der Website des publizistischen Netzwerks "Die Achse des Guten" veröffentlichte Nathan Gelbart am Donnerstagnachmittag seine Beobachtungen, am Freitagmorgen griff auch der Bildblog das Thema auf: Schon am 8. Mai zeigte der Sender 3sat einen Beitrag des Warschauer ZDF-Korrespondenten Armin Coerper über jüdische Kultur in Warschau. Von einem Besuch im einzig noch verbliebenen jüdischen Theater gibt es eine Rückblende mit Material früherer Zeiten. Aus dem Off kommentiert Coerper: "Vor dem Krieg gab es viele jüdische Theater. In Warschau pulsierte das jüdische Leben. Hier lebte die jüdische Kultur wie nirgends sonst in Europa. Bis die Deutschen diese Welt brutal zerstörten."
Doch das stimmt so nicht. Die Bilder stammen nicht aus glücklichen Zeiten des freien jüdischen Lebens in Warschau - sie sind entstanden zu Zeiten des Warschauer Ghettos als Propaganda-Film der Nationalsozialisten. Besonders peinlich und heikel für das ZDF bzw. 3sat: Ebenfalls am 8. Mai, kurz zuvor, zeigte 3sat die Dokumentation "Geheimsache Ghettofilm - Das Warschauer Ghetto und die Propaganda der Nazis". Die 2010 entstandene Produktion der Filmemacherin Yael Hersonski fand weltweit Beobachtung. Sie erzählt vom perfiden Versuch der Nazis in eine Propaganda-Film das Leben im Warschauer Ghetto als fröhlich und ausgelassen darzustellen. Genau die Bilder, die der Warschauer ZDF-Korrespondent Armin Coerper als Beleg für das früher so heitere jüdische Leben in Warschau nahm, sind unter Zwang der Nazis entstanden.
Davon erzählt die Dokumentation. Bei den exakt gleichen Bildern erzählt ein Zeitzeuge von damals, wie die Nazis Juden ins Theater beorderten, sie dann dort den ganzen Tag festhielten und zum Klatschen und Lachen zwangen, um ihren Propaganda-Film zu drehen. Das Medienmagazin DWDL.de erkundigte sich am Freitag beim ZDF. Dort zeigt man sich zwar alarmiert und wolle nochmal genau prüfen, doch zunächst einmal sei das alles nicht so: "In dem Kommentar zu den besagten Sequenzen befindet sich keinerlei Hinweis, dass diese Aufnahmen unter Zwang entstanden sind. Es heißt dort, dass die Bewohner dem Hunger und der Not zum Trotz versuchten, ihr kulturelles Leben weiterzuführen. Es wird auch aus den Erinnerungen einer Zeitzeugin an diesen Theaterbesuch zitiert, ohne Hinweis auf Zwang."
Weiter teilt eine ZDF-Sprecherin mit: "An anderer Stelle wird tatsächlich auf den Propagandafilm der Nazis hingewiesen, der das luxuriöse Leben der Juden im Ghetto auf zynische Weise proklamieren sollte. Die Theaterszene ist aber deutlich davon getrennt." Der Video-Vergleich legt jedoch das Gegenteil nahe. Das ZDF verteidigt sich: "Die kritisierte Szene aus dem jüdischen Theater hat das ZDF aus dem Archiv des Jüdischen Historischen Instituts in Warschau erhalten (… ) Aufgrund der Seriosität des Jüdischen Historischen Instituts hat der Autor keinen Anlass gesehen, die genaue Herkunft der Bilder noch einmal zu ermitteln. "
Immerhin kündigt das ZDF an: "Selbstverständlich wird der Autor die Bilder noch einmal überprüfen und die Dokumentation für eventuelle weitere Ausstrahlungen und für das Online-Angebot korrigieren, falls sich die verwendeten Bilder als nicht authentisch erweisen sollten."