1.) Und wer bitte übernimmt jetzt die Verantwortung?
In einem Land, in dem es schicker ist von Kontinuität, Verlässlichkeit sowie Evolution statt Revolution zu sprechen, darf man vielleicht keine Überraschungen erwarten. Es widerspricht möglicherweise auch unserer Mentalität sich nicht unnötigerweise in riskante Abenteuer zu stürzen - sich einfach mal von einem Gefühl leiten zu lassen. Es wird nicht mehr geglaubt, es wird nicht mehr verteidigt. Verantwortung übernehmen? Nein, danke. Marktforschungen oder Erfolg im Ausland - erst wenn man im Zweifel darauf verweisen kann, dass es eigentlich gar nicht so hätte kommen dürfen, fühlt man sich sicher. Und so werden Entscheidungen über neue Formate längst nicht mehr aus Überzeugung oder gar Leidenschaft getroffen. Noch schlimmer aber im praktischen Alltag: Die Entscheidungsprozesse werden länger. Und das wiederum hat weitere Folgen: Viele kleine Produktionsfirmen können sich Hängepartien nicht leisten. Das wiederum wissen die Sender sehr genau und in der Verzweiflung drücken so - um endlich einen Zuschlag zu bekommen - manche Kleinstproduzenten die Preise der Branche noch weiter nach unten. „Ein Teufelskreis“, hätte TV Kaiser früher gesagt.
2.) Der Köder und der Fisch, oder: Ich muss das ja nicht gucken
In den 90er Jahren wurde Helmut Thoma für den Satz gefeiert, dass der Köder ja dem Fisch schmecken müsse - und nicht dem Angler. Auch heute noch wird der Satz gerne zitiert. Am häufigsten von Thoma selbst. Ursprünglich sollte er die Hochnäsigkeit der Öffentlich-Rechtlichen über das populäre und seichte Programm der Privatsender zum Ausdruck bringen. Doch längst wurde diese Aussage ins Perverse übertrieben. Bei den furchtbarsten Fernsehformaten sprechen Produzenten wie Senderverantwortliche mit der Berufung auf Thomas Zitat im Grunde ihre innere Kündigung aus. So entfernt man sich vom eigenen Programm. Niemand erwartet, dass ein Produzent inhaltlich Fan aller seiner Produktionen ist. Aber er sollte, nein, er muss sie verantworten und kann sich kritischer Fragen nach dem Sinn und Unsinn manches TV-Schwachsinns nicht so einfach entziehen. Sie glauben gar nicht, wie schnell sich Produzenten oder auch Moderatoren auf den Schlips getreten fühlen, wenn man sie daran erinnert.
3.) Traut Euch: Vom mangelnden Vertrauen in eigene Ideen
Sicher ist es manchmal etwas naiv, wenn jemand glaubt, mit einer einfachen Idee für das neue Knaller-Format einfach bei einem Fernsehsender anklopfen zu können. Früher war es so, doch heute schmunzelt man darüber, weil das Fernsehgeschäft längst ein großer und entsprechend träger Apparat geworden ist. Die Ideen zu den meisten umgesetzten TV-Formaten unserer Zeit stammen ohnehin nicht von hier sondern aus dem anglo-amerikanischen Raum oder den Niederlanden. Und während man es sich beim anglo-amerikanischen Raum vielleicht noch mit der Größe des Marktes erklären kann, so bleibt eine offene Frage, wieso so viele TV-Ideen aus den Niederlanden kommen. Sind wir nicht so kreativ? Doch, das sind wir. Aber wir glauben es uns selbst nicht. Die Folgen dieser Haltung sind aberwitzig: Mehrere TV-Produzenten geben ihre in Deutschland entwickelten Ideen inzwischen im Zweifel an ihre britischen Mutterhäuser ab, die diese dann umsetzen. Und mit dem Label des „erfolgreichen britischen Formats“ kauft es dann schon irgendwann jemand in Deutschland.