Klassentreffen jeder Art suchen sich bekanntlich gern runde Zahlen als Anlass. Zehn Jahre Abi 2007 etwa, das Examenstutorium von 1967, ein Vierteljahrhundert Mittlere Reife – außergewöhnliche Ereignisse erfordern außergewöhnliche Zeitspannen. Da zeugt es vom außergewöhnlichen Wiedervereinigungsdrang einer Klasse, die sich am 31. Mai 2008 letztmals vor der Kamera getroffen und nun so große Sehnsucht nacheinander hat, dass sie ihr Treffen zum runden Abschiedsjubiläum ein Jahr vorzieht. Auf den Mittwoch dieser Woche, um genau zu sein.
Gegen Mittag nämlich traf sich da das Stammpersonal einer, ach was, der Kochsendung schlechthin in einer coolen Showküche und feiert fröhliche Auferstehung: „Kerners Köche“. Kurz vor Weihnachten 2004 wurde die Keimzelle des hiesigen Zubereitungsbooms am Bildschirm im Rahmen von Johannes B. Kerners Talkshow geboren. Gut 13 Jahre später nun sind drei davon ins Hamburger Szeneviertel Ottensen gereist, um einem „tiefsitzenden Drang“ zu folgen, wie Gastgeber JBK es leicht pathetisch ausdrückt. Als „Kerners Köche“ durch „Lanz kocht“ ersetzt wurde, sagt der Namensgeber von einst und heute, „war die Geschichte ja noch nicht auserzählt.“
Sie ging wie folgt: Fünf mehr oder weniger bekannte Küchenkünstler trafen sich Freitagabends ganz in der Nähe des heutigen Klassentreffens und taten etwas, das vor laufender Kamera seinerzeit noch ungewöhnlich war: Sie quatschten beim Kochen, kochten beim Quatschen, kredenzten Gerichte von erlesener Güte scheinbar nebenbei. „Es war das reinste Chaos“, erinnert sich der Gastgeber, „für viele gar Anarchie“, doch dabei „sehr unterhaltsam und ziemlich beliebt“. Bis zu 17.000 Studiotickets hätte das ZDF damals pro Sendung angeblich verkaufen können. Mehr hatte nur „Wetten, dass…?“.
Wetten, was…?
Das erfolgreichste Lagerfeuer der hiesigen TV-Historie ist längst erloschen, Kerner jedoch entzündet sein eigenes aufs Neue und hat mit Alfons Schuhbeck, Cornelia Poletto und Johann Lafer drei zur offiziellen Präsentation geladen, die schon früher dabei waren. Und wie sie jetzt im gediegenen Hinterhof-Altbau interagieren, wie sie beim Kochen durchs chromblitzende Luxusmobiliär flitzen, wie sie hier eine Ingwer-Karotten-Suppe mit Jakobsmuscheln kredenzen (Schuhbeck), dort Winterkabeljau auf Beluga-Linsen (Poletto) und dazwischen kalorienarme Schwarzwälder Kirschtorte im Glas (Lafer), da wird man das Gefühl nicht los, Kerner hätte recht mit seinem Pathos vom kollektiven Drang zurück in die Zukunft.
Wobei keineswegs alles beim Alten bleibt. Der Sendetermin wandert vom Follow-up der Freitagskrimis auf den Samstagnachmittag um 16.15 Uhr, wo zuvor „Lafer! Lichter! Lecker!“ lief. Zur Rezeptumsetzung kommt ein kleiner, nicht näher definierter Wettbewerb mit Publikumsbeteiligung hinzu. Und neben Veteranen von Mälzer über Wiener bis Rosin werden neue Gesichter im Bratendunst glänzen. Darunter vergleichsweise branchenfremde wie Sebastian Lege, der dem ZDF bislang nur als Lebensmitteltester diente und hier in Hamburg für den robusteren Teil der Haute Cuisine zuständig ist: Grüner Spargel im Speckmantel zu Wirsingchips aus der Mikrowelle. Mit den sichtbar gereiften Maîtres am Nebenherd wolle sich der junge „Food-Entertainer“ eben nicht messen. Deshalb trägt er als einziger in dem Quartett mit Kochausbildung keinen schneeweißen Kittel, sondern handwerkerdunkle Schürze. Deshalb sei sein Beitrag eher einfach als raffiniert. „Ich bin kein Mensch, der so viel nachdenkt.“
Andererseits: auch die Stars agieren gern aus dem Rückenmark. Wenn der fast doppelt so alte Sterne-Gastronom Alfons Schuhbeck ein paar Meter weiter mit bayerischer Mir-san-mir-Lässigkeit „Petersil‘ ist die Sonnenbrille des Menschen“ durch den Raum bellt, kommt das tief aus dem Bauch des Kochfernsehens. Auch sein auch Österreich stammender Kollege Lafer ist instinktiv im Studiomodus, wenn er die Zubereitung seiner Nachspeise wie ein Wasserfall kommentiert. „Ah geh, no‘h an Löffel Kirschwasser drüber, für’s Gemüt“, fertig ist die Show, selbst wenn nirgendwo Kameras laufen, sondern allenfalls die Smartphones der geladenen Reporter.
Und am Rande, eher dabei als mittendrin: Johannes B. Kerner. Ob er keine Angst habe, von der schubladenfreudigen Öffentlichkeit nun wieder in die des Kochonkels gesteckt zu werden? „Ach Gott“, antwortet er im Maßanzug mit Einstecktuch. Nach Tausenden von Talkrunden, Hunderten Shows, dazu dem ganzen Sport, hatte er „schon so viele Stempel“, dass der des Kochens „nach 126 Folgen doch eher klein war“. Außerdem, das ist ihm nach bald 30 seiner kaum 53 Jahre im Geschäft schon wichtig, „habe ich dem Drängen der Köche nachgegeben, nicht umgekehrt.“
Die Schuhbecks, Polettos, Lafers, Wieners, Mälzers also waren es, denen das Klassentreffen wichtig schien. Aufgezeichnet jeweils kurz vor der Ausstrahlung, sind ab 1. April zunächst mal 16 Sendungen geplant. Alles Weitere regelt die Quote. Und die Lust der wechselnden Belegschaft, unterhaltsame Informationen über leckeres, gesundes, gutes Essen mit einem Schuss Anarchie zu servieren. Um Nachhaltigkeit gehe es dabei schon auch, beteuert der Gastgeber im Angesicht von Klimawandel und Massentierhaltung. „Mehr aber noch um Wahrhaftigkeit“. Und natürlich Spaß, bellt Alfons Schuhbeck bayerisch robust und reibt noch etwas Ingwer in die Suppe. „An Guad’n!“