Wäre es nach den Plänen der ARD gegangen, würde es One heute gar nicht mehr geben. Der ursprünglich unter dem Namen Einsfestival laufende Sender sollte eigentlich für einen gemeinsamen Jugendkanal mit dem ZDF geopfert werden. Es kam bekanntlich anders: Die Ministerpräsidenten genehmigten das junge Angebot nur fürs Netz, Einsfestival hingegen durfte plötzlich doch bleiben. Das gilt es zu berücksichtigen, wenn man verstehen will, warum One auch heute noch nahe der Bedeutungslosigkeit rangiert: In einen Sender kurz vor der vermuteten Abwicklung wird verständlicherweise nicht viel investiert. Doch: Die Entscheidung, dass der Sender weiterexistieren würde, fiel im Herbst 2014 - mehr als zwei Jahre ist das also inzwischen her.
Seitdem hat man das Erscheinungsbild kräftig modernisiert, den Namen vom angestaubten Einsfestival in One geändert, am Programm geschraubt - doch mehr Zuschauer hat das bislang nicht gebracht. 0,3 Prozent erreichte One bei den 14- bis 49-Jährigen im Jahr 2014 im Schnitt. 2015 waren es ebenfalls 0,3 Prozent. Und 2016 wurde es auch nicht mehr. Zum Vergleich: ZDFneo hat sich während dieser Zeit von 0,9 auf 1,3 Prozent in der jungen Altersgruppe gesteigert - von den 2,1 Prozent beim Gesamtpublikum mal ganz zu schweigen. One kam hier 2016 auf einen Marktanteil von 0,4 Prozent. One war damit kaum erfolgreicher als der vom ZDF längst aufgegebene Sender ZDF.kultur, der nur noch in Wiederholungsschleifen sendete.
Doch woran liegt das? Bislang veröffentlichte One keine detaillierten Quoten pro Sendung, seit Anfang des Jahres ist das anders. Und so lässt sich nun erkennen, dass es One durchaus häufiger gelingt, eine nennenswerte Anzahl an Zuschauern anzusprechen. Als am Donnerstag letzter Woche der "Tatortreiniger" sein Werk verrichtete, erzielte One zur besten Sendezeit beispielsweise satte 2,1 Prozent Marktanteil bei den 14- bis 49-Jährigen - und war damit beim jüngeren Publikum der erfolgreichste der kleineren Sender. Bis zu 400.000 Zuschauer wurden hier in den letzten Wochen insgesamt schon erreicht. 400.000 waren es auch, die am vorlezten Wochenende die Wiederholung des Sonntags-"Tatorts" im Anschluss an die Ausstrahlung im Ersten sahen, auch bei den jüngeren Zuschauern lag der Marktanteil jenseits der 1-Prozent-Marke, an diesem Wochenende sahen immerhin 340.000 Zuschauer zu. Ähnliches gelang auch "Miss Fishers mysteriöse Todesfälle". Es ist also nicht so, dass den Sender niemand auf dem Schirm hätte - mit den richtigen Inhalten, sind schon nennenswerte Reichweiten möglich. Doch warum geht es dann nicht voran? Wir haben einige Schwachstellen ausgemacht.
Jimmy Fallon - gut fürs Image, Gift für die Quoten
Seit Anfang vergangenen Jahres zeigt Einsfestival nun schon Abend für Abend die "Tonight Show" mit Jimmy Fallon, also die erfolgreichste Late-Night-Show aus den USA, jeweils versehen mit deutschen Untertiteln. Das brachte dem Sender schöne Schlagzeilen und auch viel Lob und Sympathie. Doch letztlich macht man ähnliche Erfahrungen wie Sender, die US-Serien im Originalton zeigen: Öffentlich freuen sich viele - doch die Zielgruppe scheint dann doch ziemlich begrenzt. Wenn's gut läuft, schalten 50.000 ein - häufig sind es aber auch nur 20.000. In der jüngeren Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen war die Reichweite in den vergangenen Tagen auch immer wieder gar nicht messbar, der Marktanteil lag bei 0,0 Prozent.
Besonders ärgerlich ist das für den Sender, weil One damit jeden Tag nach 23 Uhr fast ohne Zuschauer dasteht - also ausgerechnet zu einer Zeit, die für kleinere Sender besonders wichtig ist. In der Primetime ist es für Sender in der Liga von One per se nicht ungewöhnlich, immer mal wieder chancenlos gegen die Größeren dazustehen - dafür profitieren die Kleinen häufig davon, dass später am Abend auch bei RTL, ProSieben & Co. das Programm ausfranst. Für die kleinen Sender ist das die Chance, sich auf ein Vielfaches des Senderschnitts zu steigern. Die "Tonight Show" hingegen fungiert als Stopper - die Zuschauer von davor sind weg, danach müsste mühsam wieder neu Reichweite aufgebaut werden.
Audience Flow? Was ist das?
Das führt zum nächsten augenfälligen Problem: Allgemein hat One ein Problem, zueinander passende Line-Ups zu bauen und so die Zuschauer zu halten. Will man es positiv ausdrücken: Der Sender ist noch nicht durchoptimiert und weiß zu überraschen. Damit verliert man aber nicht selten große Teile des gerade erst gewonnenen Publikums. Ein Beispiel "Doctor Who" war in der vergangenen Woche zwar nicht der größte Überflieger, lag mit 0,6 Prozent Marktanteil bei den 14- bis 49-Jährigen aber beim Doppelten des Senderschnitts. Insgesamt sahen 130.000 Zuschauer zu. Um 21 Uhr zeigte Einsfestival dann aber nicht etwa eine passende Serie, sondern 90 Minuten lang Highlights des "PULS-Festivals 2016". Die Reichweite brach auf 10.000 Zuschauer ein und war damit praktisch kaum noch messbar.
Auch das Programm am Nachmittag gibt Rätsel auf: Während zur Mittagszeit normalerweise ein Film zu sehen ist, startet um 14 Uhr eine 90-minütige Dokustrecke, ehe um 15:30 Uhr wieder leichte Film-Unterhaltung punkten soll. Das ist zwar auf eigentümliche Art und Weise verlässlich, selbst wenn eines der Elemente mal punkten kann, profitiert das wenig passende Nachfolgeprogramm davon aber meist nicht.
Der Vorabend: Innovativ ist anders
One ist ein Sender, der sich explizit an "junge Erwachsene" richten soll - angesichts dessen darf man zumindest mal fragen, ob Maria Schell und Siegfried Rauch in der 80er-Jahre-Serie "Die glückliche Familie" wirklich das passendste sind, was man im großen Archiv aller ARD-Anstalten für den 17-Uhr-Sendeplatz und damit den Start ins Vorabendprogramm auftreiben konnte. Die Quoten sind kein Desaster und liegen auf dem Senderschnitt - doch voran bringen kann One das nicht.
Am Vorabend laufen dann übrigens alte Folgen der "Lindenstraße" und von "Sturm der Liebe". Letzteres muss wie am Nachmittag bei den großen Schwestern Das Erste und ZDF ins Duell mit "Bares für Rares" und zieht dort klar den Kürzeren. Trotzdem gehört "Sturm der Liebe" schon mit zum erfolgreichsten, was der Sender zu bieten hat. Sein Image als hipper Sender fürs junge Publikum kann One damit abereher nicht aufpolieren.
Der "One"-Effekt wurde verschenkt
Im Sommer vergangenen Jahres kündigte der WDR als federführende ARD-Anstalt ohne viel Aufhebens an, Einsfestival zum 3. September in "One" umzubenennen. Damit entledigte man sich des alten Namens, der auch im Sender selbst nie besonders geliebt wurde und kaum den Eindruck erweckte, sich ans jüngere Publikum zu wenden. Es wäre die Chance gewesen, einen Neustart zu wagen - mit einem tiefgreifend veränderten Programm. Doch allzu viel hat sich außer dem Namen im September nicht geändert, eine große Werbekampagne zu One blieb aus - und der mögliche Effekt, auf einen Schlag mehr Zuschauer auf sich aufmerksam zu machen, auch.
Stattdessen setzt man bei One auf Evolution. Auch heute heißt es: "Die Profilschärfung ist noch nicht abgeschlossen", es sollte sich also weiterhin etwas tun im Programm. Für dieses Jahr sind beispielsweise weitere Free-TV-Premieren angekündigt, darunter die BBC-Bestseller-Adaption "Love Nina" über eine 20-Jährige, die 1982 aus dem ländlichen England in ein Londoner Upperclass-Viertel zieht, um als Nanny für die alleinerziehende George zu arbeiten. Punkten will der Sender auch mit der tiefschwarzen kanadischen Comedy "Sensitive Skin", die schon dank der Hauptdarstellerin Kim Cattrall, die aus "Sex and the City" bestens bekannt ist, etwas Aufmerksamkeit auf sich ziehen dürfte. Weitere geplante Lizenzserien sind "The Job Lot", "Uncle" und das "Doctor-Who"-Spinoff "Class". Die Frage ist trotzdem, ob der Sender mit einzelnen neuen Formaten tatsächlich nennenswert wachsen kann - oder ob sie in der noch nicht stringenten Ausrichtung des Senders untergehen werden. Um einige wäre es in jedem Fall schade.