"Richtig sauer" sei er auf Spotify, ließ Robert Skuppin seinem Ärger freien Lauf. Aus nachvollziehbaren Gründen, immerhin waren dem Programmchef von Radioeins waren gerade seine beiden prominenten Schützlinge Jan Böhmermann und Olli Schulz an den Streamingdienst abhandengekommen - Anlass genug für ihn, die Zusammenarbeit mit Spotify zu überdenken. "Spotify hat probiert, ein Partner von uns zu werden", sagte Skuppin im April gegenüber dem NDR-Magazin "Zapp". "Wenn man jetzt ihr Verhalten nimmt, dann sind sie mit Sicherheit kein Partner. Wer sich so verhält und mit sehr viel Geld den Markt verändert und unsere Radiostars wegkauft, dem werden wir mit Sicherheit nicht kostenlos unser Material zur Verfügung stellen." Deutliche Worte also - und in der Tat hat Radioeins ernst gemacht und seine Playlist entfernt.
Derzeit werde beobachtet, wie Spotify weiter agiert, erklärt ein Sendersprecher auf DWDL.de-Nachfrage. "Aktuell stehen keine gemeinsamen Projekte an. Sprich: Still ruht der See." Doch ist das Problem tatsächlich gelöst, indem die Zusammenarbeit einstellt und neue Player auf dem Markt so gut es geht ausgeblendet werden? Thomas Jung, Programmchef von SWR3, hält davon jedenfalls nicht viel. "Es macht meines Erachtens keinen Sinn, als Radio-Anbieter diese Angebote zu ignorieren", erklärte Jung gegenüber DWDL.de. "Ob Spotify, Apple Music, Amazon Prime oder Deezer - jeder Streaming-Dienst ist ein Konkurrent mehr. Und zwar für das Medienzeit-Budget. Wer ein Audio-Angebot nutzt, hört nicht gleichzeitig ein anderes." Gezielt nutzt SWR3 daher Spotify für seine Verbreitungs- und Marketing-Interessen.
Auch Jochen Rausch, langjähriger 1Live-Chef, der inzwischen auch die Hörfunkprogramme WDR2 und WDR4 verantwortet, verweist auf das Zeitbudget der Hörerinnen und Hörer. Abgrenzen will er seine Sender gegenüber Spotify vor allem durch den Inhalt. "Letztlich wird es darauf ankommen, die regionale Nähe, die persönliche Ansprache, die Qualität des gesprochenen Wortes und die bedachte Auswahl der Musik gegen Streamingdienste oder andere Mischformen zu setzen", gibt Rausch die Marschroute für die Zukunft aus. Ganz ähnlich äußert sich auch Ulrich Manitz, der den MDR-Sender Jump verantwortet. "Die Stärken von MDR JUMP sind regionale Nähe, Vertrautheit und Authentizität und ein Programm auf Augenhöhe mit einer erwachsenen Hörerschaft - etwas, was eine abspielbare Playlist so nicht leisten kann", sagt Manitz. Für Jump spielt Spotify dennoch daher gar keine Rolle.
Und WDR-Mann Jochen Rausch sieht die Streamingangebote ohnehin nicht als Radiosender. Vielmehr treten sie nach seiner Ansicht an die Stelle der klassischen Tonträger. Doch wird das so bleiben? Tatsächlich könnte die Abgrenzung in Zukunft deutlich schwerer fallen, schließlich zeigt gerade der Wechsel von Böhmermann und Schulz, dass auch Spotify inzwischen gewillt ist, seinen Kunden Inhalte zu bieten, die weit über das klassische Musikstreaming hinausgehen. Ganz ähnlich verhält es sich mit AppleMusic: Seit dem Start des Angebots vor etwas mehr als einem Jahr bietet Apple unter dem Namen Beats 1 zusätzlich einen internationalen Radiosender an, dessen Programm in Los Angeles, New York und London produziert wird. Dafür verpflichtete der Konzern sogar den langjährigen BBC-Radiomoderator Zane Lowe - ein Zeichen dafür, wie ernst man es meint.
"Junge Menschen interessieren sich einfach mehr für Musik. Davon profitieren auch die Jungen Wellen in Deutschland."
SWR3-Programmchef Thomas Jung
Aber auch Amazon mischt inzwischen kräftig mit und ließ sich die Netcast-Rechte für die Übertragung der Bundesliga-Spiele einiges kommen. Damit will Amazon von der übernächsten Saison an das Prime-Paket für seine Kunden noch attraktiver machen. Dem Eindruck, dass hauptsächlich ältere Menschen Radio hören, während sich Junge dem Streaming zuwenden, will SWR3-Programmchef Thomas Jung jedoch entschieden entgegentreten. "Junge Menschen bis Mitte/Ende 20 interessieren sich einfach mehr für Musik. Das war schon immer so. Davon profitieren nicht nur Spotify oder andere Online-Angebote bis hin zu YouTube. Davon profitieren auch die Jungen Wellen in Deutschland."
So erreiche selbst SWR3 als Popwelle nach wie vor fast eine Million Hörerinnen und Hörer bis 29 Jahren, rechnet Jung vor. "Es hat sich gezeigt, dass die Radionutzung bei jungen Leuten etwas zurückgeht aber keineswegs radikal abbricht. Das Radio bleibt auch bei der Generation Z von Relevanz", sagt er gegenüber DWDL.de und verweist auf eine aktuelle Deloitte-Studie zur "Media Disruption" sagt. Demnach liege nur in der ganz jungen Zielgruppe der Anteil derer, die mindestens einmal pro Woche Radio hören, nicht deutlich über 50 Prozent. "Ungeachtet dessen kann sich aber das traditionelle Radio gut behaupten", so Jung.
Noch einen großem Schritt weiter als SWR3 ist übrigens schon vor zwei Jahren der Radiosender bigFM gegangen, als er die "Spotify Radioshow" ins Programm nahm. Geschäftsführer Kristian Kropp begreift den Streamingdienst wie kaum ein anderer Radiomacher als Chance. Er spricht gar von einem "Paradigmenwechsel im Radiomarkt", mit dem sich ganz neue Entwicklungen in der Programmgestaltung eröffnen. "Die Informationen der Spotify-Community ermöglichen uns, Trends deutlich früher zu erkennen", sagte er und brachte es einmal in einem Interview mit "radiowoche" auf den Punkt: "Spotify ist kein Feind. Spotify ist ein Freund des Radios. Das Vorurteil ist - wie meistens - reine Unwissenheit. Spotify ist der perfekte Multiplikator für unsere Shows, unsere Playlisten. Wir erreichen über Spotify Nicht-Hörer von Radio. Das ist wirklich perfekt. Wer etwas von digitalem Marketing versteht, wird jede Zeile unterschreiben."