Sarah Kuttner, Stefan Raab, Klaas Heufer-Umlauf, Enie van de Meiklokjes, Tobias Schlegl, Christian Ulmen: Die Liste derer, die ihre Fernsehkarriere der Existenz von MTV und Viva zu verdanken haben, ist lang und könnte an dieser Stelle noch beinahe endlos fortgesetzt werden. Umso ärgerlicher für die großen Sender, dass das Musikfernsehen inzwischen seinen Betrieb weitgehend eingestellt hat - und damit auch die Bemühungen, den Moderatoren-Nachwuchs zu fördern. Ein Stück weit hat Joiz seit seinem Deutschland-Start vor knapp drei Jahren diese Funktion übernommen. Auf Sendergesichter wie Alexandra Maurer, Julia Krüger, Maurice Gajda oder Martin Tietjen sind inzwischen auch RTL, Sat.1 oder RTL II aufmerksam geworden.
Doch Joiz alleine wird vermutlich kaum ausreichend sein, um die Förderung junger Moderatoren für sämtliche Sender zu übernehmen. Doch das ist kein Grund zur Verzweiflung - findet man zumindest bei RTL II. "Heute existieren etliche Flächen, auf denen junge Talente sich ausprobieren können", sagt Martin Blickhan gegenüber dem Medienmagazin DWDL.de. "Neben den vereinzelten Chancen auf Haupt- und Spartensendern ist es vor allem die riesige Spielwiese Internet, auf der junge Talente sich ausprobieren. Sei es als Moderatoren oder Reporter, im Bereich Comedy oder auch in den thematisch unterschiedlichsten Channels und Vlogs."
Auch beim Marktführer RTL schaut man sich um, was auf YouTube vor sich geht. Letztlich sei aber gar nicht so entscheidend, woher die jungen Talente kommen, betont RTL-Sprecher Christian Körner. "YouTube ist eine Möglichkeit ebenso wie das Radio oder andere, kleinere Sender." Einer, der vor seiner Fernsehkarriere lange bei Radio gearbeitet hat, ist Daniel Hartwich. Er gehörte einst bei You FM zum Team der ersten Stunde, war später bei hr3 zu hören - und moderiert heute mit "Das Supertalent", "Let's dance" und "Ich bin ein Star - Holt mich hier raus!" drei der erfolgreichsten Shows bei RTL. Weniger erfolgreich verlief der Einstand von Rainer Maria Jilg, der vor eineinhalb Jahren die Castingshow "Rising Star" präsentierte - dass die Sendung floppte, dürfte jedoch am wenigsten an ihrem Moderator gelegen haben.
Zu den neuen Hoffnunsträgern von RTL gehört nun Jan Köppen, der sich schon bei Nitro austoben durfte und demnächst zusammen mit Nazan Eckes eine neue Tanzshow moderieren wird. "Kein deutscher Sender hat die Vielfalt an Moderatorinnen und Moderatoren wie RTL", rühmt man sich in Köln. Auffällig ist jedoch, wie lange viele Gesichter schon bei RTL schon im Einsatz sind. Man tut Peter Kloeppel, Frauke Ludowig oder Wolfram Kons ganz sicher nicht unrecht, wenn man behauptet, sie gehörten zum Inventar des Senders. Hinzu kommen Stars wie Thomas Gottschalk und Günther Jauch, die ebenfalls nicht mehr als junge Talente durchgehen. Ungeachtet dessen oder vielleicht auch gerade deshalb bekam Gottschalk jüngst eine neue Primetime-Show - und auch sein guter Freund Günther Jauch wird demnächst mit "500 - Die Quiz-Arena" ein frisches Format erhalten.
RTL will eine zweite Garde etablieren
Aus Sicht des Senders ergibt diese Strategie durchaus Sinn, schließlich wissen viele Zuschauer Konstanz zu schätzen. Im Zweifel lässt man einen alten Bekannten eben lieber ins Wohnzimmer als ein bis dato unbeschriebenes Blatt. "RTL macht Programm für die ganze Familie, daher brauchen wir auch Moderatorinnen und Moderatoren, die entsprechende Altersspanne abdecken", erklärt Christian Körner. "Noch wichtiger als das Alter aber ist, dass sie ihren Job gut machen, glaubwürdig und authentisch sind, zum jeweiligen Format bestmöglich passen und das Konzept ihres Formats tragen. Wir sind sehr froh über die Bandbreite an Moderatorinnen und Moderatoren, die wir mit großer Verlässlichkeit im Programm haben."
Doch trotz der personellen Konstanz will RTL den Nachwuchs nicht vernachlässigen. So gab Chefredakteur Michael Wulf schon vor einiger Zeit die Devise aus, für jede Nummer 1 im Informationsbereich einen Nachfolger aufzubauen. Neuzugänge wie Maik Meuser im "Nachtjournal" oder Bella Lesnik bei "Exclusiv" unterstreichen das Vorhaben. Sie bekommen die Zeit, sich zu etablieren - und das Publikum die Gelegenheit, sich an die "Neuen" zu gewöhnen, während sich gleichzeitig auf altbekannte Gesichter nicht verzichten müssen. Ja selbst im fiktionalen Bereich versucht es RTL zunehmend mit unverbrauchten Gesichtern - zusätzlich zu großen Stars, die im besten Fall für Einschaltimpulse sorgen. "Seit geraumer Zeit setzen wir darauf, junge und noch nicht klar einem Sender zuzuordnende Schauspielerinnen und Schauspieler für unsere Projekte zu gewinnen", erklärt Körner und verweist etwa auf Picco von Grote, die erst bei "Starfighter" zu sehen war und später auch an der Seite von Ken Duken in "Duell der Brüder" mitwirkte. Gleiches gilt für Steve Windolf, der bei "Doc meets Dorf" bereits mitspielte und danach die Hauptrolle in "Starfighter" übernahm.
Den einen Weg ins Programm gibt es aber freilich nicht - und den kann auch der SWR nicht versprechen, zumal für Politmagazine andere Kriterien gelten als für Talks oder Unterhaltungssendungen. "Der SWR ist allerdings ganz aktiv beteiligt an der Förderung und Schulung von Nachwuchsmoderatoren", sagt Sendersprecher Bruno Geiler und verweist darauf, dass der SWR Partner des Instituts für Moderation an der Hochschule der Medien in Stuttgart ist, die vom langjährigen "Nachtcafé"-Moderator Wieland Backes initiiert wurde (er kommt im nächsten Teil unseres Schwerpunkts noch ausführlich zu Wort). Beim im Herbst startenden Jungen Angebot von ARD und ZDF werde hingegen gar nicht explizit nach Moderatoren gesucht. "So wie wir keine Formate wollen, die ohne die Beteiligung der Zielgruppe entstehen, wollen wir auch keine Formate, die ohne Beteiligung des Protagonisten entstehen", heißt es lapidar.
Bei RTL II You, dem jungen Online-Ableger von RTL II, wird indes vor allem nach Menschen gesucht, die bereits große Schritte im Netz gemacht haben. "Sie haben mit ihrer Art und ihren Inhalten teils beträchtliche Fangemeinden hinter sich versammelt und funktionieren toll bei RTL II You", sagt Martin Blickhan, Leiter der Programmkommunikation. "So können wir - egal ob lineares TV oder Digitalangebot für die junge Zielgruppe - auf jedem Kanal die passenden Persönlichkeiten einsetzen." Doch auch Blickhan macht deutlich, dass der Weg vor die Kamera auf ganz vielfältige Weise verlaufen kann. "So wie wir bei RTL II inhaltlich ständig Neues ausprobieren halten wir auch stets Ausschau nach geeigneten Talenten - ob durch eigene Recherchen oder mithilfe der Produktionsfirmen." Und natürlich arbeite man auch eng mit Künstleragenturen und ihren Talentscouts zusammen.
Im besten Fall entwickeln sich talentierte Gesichter on air weiter, so wie etwa bei den "RTL II News", die im Wechsel von drei Moderatoren präsentiert werden. Blickhan: "Alle hatten schon vor den 'RTL II News' reichlich Moderationserfahrung und werden gezielt weiterentwickelt. Unsere Hauptmoderatorin Sandra Schneiders begleitet mit 'Zeit für Helden' bereits ein weiteres Format bei RTL II. Neben den Moderatoren sind auch die Außenreporter der News täglich on air - ihre Entwicklung beobachten wir natürlich ebenfalls." Spannend auch der Weg, den "taff"- und "red"-Moderatorin Viviane Geppert bei ProSieben hingelegt hat: Nach einem Volontariat bei "red!" arbeitete sie zunächst als Redakteurin, ehe der Sprung vor die Kamera folgt. "Daher weiß sie genau, wovon sie spricht", betont ProSieben-Sprecher Christoph Körfer. Es geht also auch ganz ohne klassisches Musikfernsehen. Praktisch war's für die Nachwuchsarbeit aber allemal.