Es ist wieder Zeit für den charmantesten Negativ-Preis der Medienbranche: Bereits zum siebten Mal ehrt die Redaktion des Medienmagazins DWDL.de Personen, Unternehmen und Leistungen des vergangenen Jahres, die "ziemlich ui-jui-jui" waren. Hintergrund dieser seit 2008 vergebenen Auszeichnung ist eine Aussage des ehemaligen ARD-Programmdirektors Günter Struve, der einen gewagten Auftritt der Künstlerin Lady Bitch Ray in der Sendung "Schmidt & Pocher" gegenüber dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" mit zum Kult gereiften Worten kommentierte, diese Sendung sei "ziemlich ui-jui-jui" gewesen. In Anerkennung dieser charmanten, aber deutlichen Kritik verleiht das Medienmagazin DWDL.de den Goldenen Günter. In dieser Woche werden wir Ihnen jeden Tag einen der Gewinner vorstellen.

Der Goldene Günter© DWDL / Bulo
Der Goldene Günter 2014 in der Kategorie "Peinlichkeit des Jahres" geht an den Rankingshow-Skandal des vergangenen Sommers.

Rekapitulieren wir noch einmal im Schnelldurchgang: Anfang Juli holte die prominent besetzte Rankingshow „Deutschlands Beste!“ an gleich an zwei aufeinanderfolgenden Abenden mit 4,15 bzw. 4,22 Millionen Zuschauern den Tagessieg für das ZDF. Mitten im Sommer sind das sehr starke Reichweiten. Gejubelt wurde in Mainz aber nur kurz, weil bekannt wurde, dass das Ranking der Show manipuliert wurde, u.a. um Gäste der Sendung, darunter ZDF-Mann Claus Kleber („Täter, i hate you“), besser aussehen zu lassen. Keine zwei Wochen musste Oliver Fuchs, Unterhaltungschef der Mainzer, freiwillig gehen. Zufriedenstellende Antworten und eine wirkliche Aufklärung gibt es bis heute nicht. Der Austausch eines Kopfes musste als Symbol reichen - da nehmen sich die Öffentlich-Rechtlichen und die Politik nichts. Die aufgeregte Menge musste befriedigt werden.



Wiederum zwei Wochen später stellte sich der NDR selbst an den Pranger. Pro-aktiv hatte Fernsehdirektor Frank Beckmann dort die unzähligen Rankingshows der vergangenen Jahre überprüfen lassen. Das Ergebnis? In vielerlei Hinsicht ernüchternd. In gleich zwölf Fällen wurde manipuliert. Man weiß allerdings nicht, ob man darüber weinen oder lachen soll. Kollege Niggemeier hat in seinem Blog die peinliche irrelevanz der Online-Votings eindrucksvoll dokumentiert. Anders als beim ZDF wurden die Rankings beim NDR zwar nicht als repräsentativ verkauft. Ein bisschen zu stolz ob der selbst initiierten Überprüfung verteidigte man beim NDR Veränderungen in Rankings falls sie dramaturgisch nötig wären. Ganz wichtig sei nur, dass dies dann dem Zuschauer gegenüber auch transparent gemacht werde. Wenig später räumten auch auch HR, WDR udn RBB Manipulationen ein.

Zu diesem Zeitpunkt hatte sich die Öffentlichkeit, auch geprägt durch die Tonalität mancher Berichterstattung, schon ihr Bild vom Rankingshow-Skandal gemacht: Alles drehte sich um die Glaubwürdigkeit von ARD und ZDF. Wer schon vorher kein Vertrauen hatte, fühlte sich in seinem Misstrauen dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk gegenüber bestätigt. Später im Jahr - bei anderen Themen (Ukraine) - gab es berechtigte Kritik an nicht umfänglicher oder zu einseitiger Berichterstattung. Doch beim Rankingshow-Skandal taten die vermeintlich schärfsten Kritiker des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ARD und ZDF den größten Gefallen: Sie lenkten vom eigentlichen Problem ab und ermöglichten den Verantwortlichen so manchen Scherz darüber, wie dramatisch schon eine Manipulation der „Spannendsten Seen Norddeutschlands“ sei.

Wie man auf die Idee kommt, Spannung zum Kriterium einer Bewertung von Seen zu machen, bleibt übrigens eines der amüsanteren Rätsel des vergangenen Sommers. Aber lassen wir uns davon nicht ablenken auf der Suche nach dem Kern des Problems. Der Skandal um die Rankingshows ist nur ein Symptom. Die eigentliche Krankheit ist ein viel zu hungriges öffentlich-rechtliches System. Erkenntnis wäre hier der erste Schritt zur Heilung. Und während im ZDF personelle Konsequenzen gezogen wurden und die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit weitaus größer war als bei den Verfehlungen in den dritten Programmen der ARD, so sind diese in Wahrheit der empörendere Skandal. Für die dritten Programme der ARD sind Rankingshows bequeme Lückenfüller, die keine großen Anstrengungen erfordern. Billigst produziertes Fernsehen für das der NDR beispielsweise zu faul war, Kamerateams durchs Land zu schicken. Wozu redaktionellen Aufwand betreiben, wenn sich das Ranking kurzerhand verändern und dann Archivmaterial benutzen kann. Billiger geht immer. Ein Programm will gefüttert werden.

Der Skandal bei belanglosen Rankingshows ist nicht die Manipulation. Es ist auch nicht die fehlende Transparenz der Belanglosigkeit. Es ist in der Masse ihre Existenz, wenn dahinter die finanzielle Not steht, kein Budget zu haben um all die öffentlich-rechtlichen Sendeflächen mit besseren und teureren Programmen zu bestücken. Die Antwort darauf kann sicherlich nicht die Forderung nach noch mehr Geld sein. Das ist auch den Verantwortlichen bei ARD und ZDF klar. Sie sparen schon massiv, auch wenn das von Kritikern des Systems selten (an)erkannt wird. Doch das reicht nicht. Die Medienpolitik muss die Aufgaben des öffentlich-rechtlichen Rundfunk klarer definieren - was sich auch die kreativen Köpfe innerhalb von ARD und ZDF nur wünschen können. Denn von der beinahe unglaublich großen Finanz-Ausstattung landet zu wenig Geld tatsächlich im Programm. Es gilt Strukturen zu verschlanken und Flächen zu reduzieren. Weniger Aufgaben müssen besser bewältigt werden können. Die Medienpolitik ist gefordert.

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