Zugegeben: Es mag etwas komisch wirken, wenn man als junger Mensch, der gerade mal die Hälfte der langen "Sportstudio"-Geschichte miterlebt hat, zu dem Schluss kommt, dass früher vieles besser gewesen sein muss. Ganz falsch ist dieser Eindruck vermutlich nicht, denn inzwischen - fast auf den Tag genau 50 Jahre nach der ersten Sendung - mag das "Aktuelle Sportstudio" zwar noch aktuell sein, doch unter Sport versteht die Redaktion inzwischen in der Regel nur noch Fußball. Da wirkte die Doping-Diskussion, für die vor wenigen Tagen wohl nur deshalb Platz war, weil die Bundesliga noch pausierte, beinahe wie eine Sendung vom anderen Stern. Ausgaben wie diese sind leider eine Ausnahme geworden.
Die Spielberichte der Bundesliga, für die das ZDF vermutlich ein hübsches Sümmchen an die DFL überweist, nehmen seit Jahren fast die komplette Sendung ein. Und so gut wie immer kommt auch der Studiogast aus den Reihen der Liga - dass es sich dabei in den seltesten Fällen um die Protagonisten handelt, die den Spieltag prägten, ist mindestens so ärgerlich wie die späte Sendezeit. Genommen wird häufig, so scheint es jedenfalls, wer am Samstagabend nichts besseres zu tun hat als sich auf den Lerchenberg kutschieren zu lassen. Echte Erkenntnisse bieten die Gespräche nur selten, was auch daran liegen könnte, dass den großen Stars gerne mal reichlich Honig ums Maul geschmiert wird.
Nicht auszuschließen also, dass im Laufe der Jahre eine gewisse Abhängigkeit, ein Geben und Nehmen zwischen Liga und Journalisten entstanden ist. Doch das gilt freilich längst nicht nur für den ZDF-Klassiker. Michael Steinbrecher, der in diesem Monat nach mehr als 20 Jahren als Moderator das "Sportstudio" verlassen wird, ließ kürzlich in einem Interview mit der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" kritische Zwischentöne aufkommen. Die Frage, ob der Sportjournalismus zu gefällig ist, sei "sicher berechtigt", so Steinbrecher im Gespräch mit Michael Horeni. Zudem werde bei der Auswahl der Gäste auch schon darüber nachgedacht, ob in der nächsten Woche ein Champions-League-Spiel von Bayern, Dortmund oder Schalke anstehe, auf das man hinweisen könne. Sicher: So machen es alle, doch mehr Abwechslung täte dem "Sportstudio" gut.
Einer, der es wissen muss, wie sich das "Sportstudio" mal anfühlte, ist Dieter Kürten. Niemand hat die Sendung so häufig moderiert wie er. Auf die Frage, welche seine prägendste Erinnerung an die Anfangstage der Bundesliga ist, antwortete er kürzlich in einem Interview mit "11 Freunde": "Das sind vor allem die Freiheiten, die wir damals genossen haben. Gerade beim 'Sportstudio' konnten wir sehr viel ausprobieren. Heute ist da vieles zwangsläufig genormt und zeitlich festgefügt." Und so gilt es zu hinterfragen, ob das starre Korsett, in das die Bundesliga das "Sportstudio" zwängt, nicht viel häufiger aufgebrochen werden sollte. Das runde Jubiläum des Fernsehklassikers, der sich mit der legendären Titelmusik und der Torwand zumindest einen Rest seines ursprünglichen Charmes bewahrt hat, wäre ein guter Anlass.
Vieles war früher also tatsächlich besser. Aber eben nicht alles, wie auch Dieter Kürten nur allzu gut weiß. "Im Grunde mussten wir bei jedem Angriff eine neue Aufnahme starten, auch wenn der Ball im Seitenaus landete", erinnerte er sich im "11 Freunde"-Interview. "Man wusste ja nie, was als Nächstes geschehen würde. Wir haben ja noch auf 16-Millimeter-Filmen gedreht, und so kamen schnell Hunderte von Metern an Filmband zusammen. Und trotzdem war man am Ende nicht sicher, ob alle Tore drauf waren." Zudem blieb in den Anfangstagen nicht mal genügend Zeit, um den Stadionton parallel zum Bild aufzunehmen. Die Emotionen der Zuschauer kamen daher aus der Konserve. "Es kam schon mal vor, dass während eines Spiels zwischen Fortuna Düsseldorf und dem 1. FC Köln plötzlich 'Uwe, Uwe'-Rufe erklangen." Zumindest das könnte dem "Sportstudio" heute nicht mehr passieren.