Ab Mittwoch gibt es eine Neuerung bei der Quoten-Messung in Deutschland. Bislang wurden bei der Quoten-Ermittlung nur die Empfangswege Satellit, Kabel und terrestrisch via DVB-T berücksichtigt. All diejenigen, die ihr TV-Signal über IPTV-Angebote wie Entertain der Telekom oder auch Vodafone TV bezogen, waren im dem künftig 5.000 Haushalte umfassenden Panel, aus dessen TV-Nutzung die Zuschauerzahlen für alle rund 36 Millionen privaten Haushalte hochgerechnet werden, hingegen gar nicht vertreten. Das ändert sich ab kommendem Mittwoch nun endlich.
Auch wenn IPTV noch ein vergleichsweise junger Übertragungs weg ist: Der Start von Entertain liegt nun immerhin auch schon sechs Jahre zurück. Wieso hat es also so lange gedauert ehe man nun mit der IPTV-Quotenmessung beginnen kann? Der Grund ist vor allem technischer Natur. Die Verbreitung des Programmsignals erfolgt bei IPTV nämlich nicht mehr tunerbasiert, sondern durch das Streaming von MPEG-Dateien. Die Folge: Die herkömmliche Messtechnik ist im Falle von IPTV gar nicht mehr einsetzbar. Sie kommt bei den Übertragungswegen Kabel, Satellit und DVB-T zwar auch weiterhin zum Einsatz, bei den IPTV-Haushalten setzt man hingegen nun auf "Audiomatching".
Vereinfacht gesagt: In den IPTV-Haushalten im GfK-Panel steht künftig zusätzlich ein UMX getauftes Gerät, das das aktuell laufende Fernsehprogramm "abhorcht". In komprimierter Form werden diese Daten dann als Audiomuster an die GfK in Nürnberg übermittelt, wo gegenwärtig 280 Sender gleichzeitig als Referenz in der sogenannten "Sound Sampling Unit" aufgenommen und ebenfalls komprimiert werden. Die aus den Haushalten übermittelten Daten werden dann mit den GfK-Daten abgeglichen, um daraus durch Mustererkennung zu ermitteln, welches Fernsehprogramm eingeschaltet war. Die Technik, die auch in diversen anderen Ländern eingesetzt wird und somit schon erprobt ist, funktioniert ähnlich wie die der populären Musik-Erkennungsprogramme auf Smartphones wie Shazam oder SoundHound.
Der Ton wird übrigens direkt am Audio-Ausgang der IPTV-Boxen abgenommen, sodass zum Einen niemand Sorge haben muss, dass auch die Gespräche im Raum mitgeschnitten werden - ein Mikrofon besitzt das Gerät nämlich gar nicht -, und zum Anderen auch die Stummschaltung des Fernsehers unproblematisch ist. Die Erkennung funktioniert laut der AGF grundsätzlich ab einer Nutzungsdauer von 2 Sekunden - wobei es bei längeren stillen Passagen auch schonmal länger dauern kann. Überhaupt sind es die zwei bis drei Prozent der Fälle, in denen eine eindeutige Zuordnung eben nicht möglich ist, die ein letztlich doch vergleichsweise kompliziertes Regelwerk nötig machen.
Die Audiomuster nächtlicher Wiederholungen sind beispielsweise identisch mit denen der Ausstrahlung in der Primetime - zumindest wenn keine Werbeblöcke, die sich unterscheiden, während der Nutzungszeit zu hören sind. Ist eine genaue Zuordnung nicht möglich, schlägt man die Nutzung kurzerhand der Erstausstrahlung zu, da diese als deutlich wahrscheinlicher angenommen wird. Anderes Problem: Simulcast. Extremfall ist hier die "Tagesschau" um 20 Uhr, die neben dem Ersten auch in zahlreichen Dritten, auf Phoenix und 3sat gleichzeitig zu sehen ist. Um hier eine genaue Zuordnung hinzubekommen, werden in den Panel-Haushalten auch die Infrarot-Signale der Fernbedienung mit aufgezeichnet. Konnte ein bestimmtes Infrarot-Signal früher schonmal einen bestimmten Sender zugewiesen werden, geht man davon aus, dass auch diesmal wieder dieser Sender eingeschaltet wurde. Es handelt sich dabei um ein lernendes System - das allerdings nach jeder Kanal-Umbelegung wieder von Neuem lernen muss. Gelingt auch das nicht, greifen eine Reihe anderer Regeln bis als ultima ratio auch hier statistische Wahrscheinlichkeiten herangezogen werden.
Sind durch die Aufnahme der IPTV-Haushalte nun ab August deutliche Verschiebungen in den Quoten zu erwarten? Wohl kaum: Unter den 36,04 Millionen TV-Haushalten befinden sich nur 1,11 Millionen IPTV-Haushalte, aber 16,88 Millionen Kabel, 16,69 Millionen Satelliten- und immerhin 1,37 Millionen Terrestrik-Haushalte. Die Verschiebungen dürften also in sehr überschaubarem Bereich ausfallen. Angesichts dessen kann man sich natürlich schon fragen, ob dieser ganze Aufwand dann überhaupt berechtigt ist.
Zum Einen ist aber zu erwarten, dass die Bedeutung des IPTV-Empfangsweges weiter ansteigt. Zum Anderen wird sich die Einführung der Audiomatching-Technik in der Zukunft auszahlen - denn sie funktioniert völlig unabhängig von der zugrundeliegenden Übertragungstechnik. Messen lässt sich damit künftig auch die - bislang noch immer nicht erfasste - Nutzung von TV-Inhalten am Computer. Möglich wird also beispielsweise die Quotenmessung bei Angeboten wie Zattoo, Mediatheken oder über TV-Sticks und Tuner-Karten. Wie der allgemeine TV-Konsum löst sich nun also auch die TV-Quoten-Messung vom klassischen Fernsehgerät - und das ist angesichts der Tatsache, dass man die tatsächliche TV-Nutzung abbilden will, tatsächlich dringend nötig.