Stefan, lass uns über Übermedien.de reden. Morgen starten Boris Rosenkranz und Du Eure neue Website. Für Medienkritik seid Ihr beide bereits bekannt. Was unterscheidet die neue Website von den bisherigen Plattformen?
Für mich ist es ein großes Abenteuer, weil ich das zum ersten Mal als Unternehmen anlege. Sowohl mit meinem Blog als auch beim Bildblog haben wir ja einfach mal angefangen und geguckt, was daraus wird. Hinter Übermedien.de steckt von vornherein der Traum, davon leben zu können. Das kann uns natürlich niemand garantieren, aber dadurch hat es von Anfang an eine andere Herausforderung: Wir wollen damit Geld verdienen.
Dann fangen wir gleich mit der Finanzierung an: Wie wollt ihr Geld verdienen?
Wir hoffen, dass unsere Leser uns bezahlen. Man kann für 3,99 € im Monat Abonnent werden und dann auf der Seite alles sofort frei lesen. Ein Teil der Artikel liegt hinter einer Paywall. Das ist natürlich immer ein Spagat, weil wir eigentlich wollen, dass sich unsere Geschichten möglichst weit verbreiten und jeder sie lesen kann.
Also ist die Paywall mehr Kompromiss als Überzeugungstat?
Es ist Notwendigkeit - und der Versuch, die richtige Mischung zu finden. Einerseits Dinge frei anzubieten, damit sie sich verbreiten. Andererseits exklusive Inhalte zu definieren, für die Leute Geld bezahlen würden. Auf jeden Fall wird das Archiv kostenlos sein. Bei den Öffentlich-Rechtlichen werden Inhalte nach sieben Tagen depubliziert, bei uns frei zugänglich.
Du setzt bislang auch schon stark über Verbreitung via Social Media. Maximale Verbreitung und Paywall gehen natürlich auseinander…
Ja, und manche Leute werden natürlich stöhnen, wenn sie dann nach einem Klick zum Zahlen aufgefordert werden. Wir wollen den Leuten das Bezahlen immerhin so einfach machen wie möglich. Ich bin überzeugt, dass es eine wachsende Bereitschaft gibt, für Inhalte im Netz bezahlen. Die Hürde ist häufig gar nicht der konkrete Betrag, sondern die Lästigkeit von Anmeldung und Bezahlung. Unsere Paywall ist ein Blendle-Button. Ich war, als ich mich zum ersten Mal im Zeitungskiosk von Blendle angemeldet habe, begeistert, wie angenehm und schmerzfrei das war. Und wer bei Blendle schon angemeldet ist, kann uns mit nur einem Klick abonnieren. Das ist ein Teil der Antwort auf die Frage, wie man den Widerstand der Leute überwindet.
Reden wir über die Gründe für eine Anmeldung: Die Inhalte. Was bietet Übermedien.de?
Eigentlich das, was ich bisher gemacht habe, nur kontinuierlicher, vielfältiger, toller. Boris Rosenkranz ist mit dabei, und wir hoffen, uns auch viele andere Autoren und Mitstreiter leisten zu können. Es geht uns um das ganze Spektrum der Medienkritik: Einerseits die relevanten, manchmal sehr anstrengenden Debatten darum, wo im Journalismus wirklich etwas schief läuft Da mangelt es ja gerade nicht an heißen Themen. Andererseits soll es auch Spaß machen. Medien bieten so viel Gesprächsstoff.
Geht es ausschließlich um Kritik?
Nein. Wir werden eine Rubrik haben, wo wir ausdrücklich und ausschließlich positive Sachen empfehlen: beispielhafte Zeitungsartikel, gute Fernsehsendungen oder interessante YouTube-Videos. Wir wollen nicht nur einen Tunnelblick haben auf das, was misslungen ist.
Und das gelingt Dir?
(lacht) Jeder, der mich kennt, ahnt wahrscheinlich, dass ich doch oft von Ärger angetrieben bin. Vermutlich wird es auch häufiger den empörten Niggemeier geben - und vielleicht den empörten Rosenkranz. Aber wir wollen ein vollständigeres Bild liefern. Und dazu gehört auch, dass es großartigen Journalismus gibt oder hervorragendes Fernsehen. Die Vielfalt betrifft übrigens auch die journalistischen Mittel. Das kann mal Satire, mal ein Video sein.
Wie regelmäßig soll es neue Inhalte geben?
Das ist nicht wie mein Blog, in dem ich einfach nichts veröffentliche, wenn ich keine Zeit oder Lust habe. Wir wollen schon aktuell, regelmäßig und kontinuierlich berichten - und den Leuten etwas für ihr Geld liefern..
Konkurrenz für DWDL.de. Das wird spannend.
(lacht) Naja, Nachrichten sind eher nicht unser Geschäft. Wir wollen kein Branchendienst sein und DWDL Konkurrenz machen. Wir denken natürlich, dass uns die Branche lesen wird, richten uns an aber an die kritischen Mediennutzer.
Wer steckt hinter der Firma bzw. hat das Geld für den Start investiert?
Das ist unser Geld. Wir haben keinen Investor. Wir hatten zwischendurch auch überlegt, ob es helfen könnte, einen Finanzinvestor zu suchen, aber die wollen das schöne Geld, was sie mitbringen, ja auch wiederbekommen. Wir hatten die Sorge, dann in eine Situation zu kommen, in der die Unabhängigkeit und Freiheit, die wir anstregen, beeinträchtigt wird vom Druck von jemandem, der Rendite erwartet. Man muss ja glücklicherweise heute auch kein Vermögen mehr ausgeben, aber wir haben eine GmbH gegründet und Geld für eine Website, für Technik, Kamera und eine Art Studio investiert.
Schließt Ihr Werbung komplett aus?
Nein, wird sind da undogmatisch. Aber es wird sicher kein aufdringliches Geflacker geben. Wir hoffen, dass wir im Kern von unseren Leser leben können, die uns auch Werbeeinnahmen gegenüber unabhängig machen.
Habt Ihr Euch Ziele definiert für Übermedien.de?
Wir haben nicht einmal intern einen Businessplan. Es kann uns ja ohnehin kein Mensch sagen, wie viele Leute uns unter welchen Voraussetzungen wie viel Geld geben würden. Aber wir brauchen schon ein paar tausend Leute, das kann man sich ausrechnen. Und je mehr es werden, um so mehr Ideen können wir verwirklichen. Vorerst werden wir aber auch frei weiter für die FAS bzw. den NDR arbeiten
Du beobachtest die Medien auch seit langer Zeit. Wenn in den vergangenen Monaten die Kritik immer lauter geworden ist - liegt das dann daran, dass mehr Menschen als früher einfacher ihren Unmut artikulieren können oder dass die Medien schlimmer geworden sind?
Es liegt auch daran, dass die Kritik hörbarer geworden ist. Seit mindestens zehn Jahren reden wir darüber, wie das Internet die Mediennutzung verändert und dass man sich plötzlich aus allen Quellen informieren kann und das selber dann auch weitererzählen kann. Das war aber irgendwie immer nur Theorie, und erst seit kurzem spüren wir, wie sehr das alles verändert. Was die Qualität der Medien selbst angeht, geht es in beide Richtungen. Ich habe das Gefühl, dass viele Medien besser geworden sind, wenn es um den Dialog mit den Lesern oder Zuschauern geht. Und es gibt auch immer noch guten seriösen Journalismus. Aber dazu kommt ein wachsender Teil, der nur auf Skandalisierung, auf Lautstärke und Klicks setzt. Das macht es auch schwieriger für den guten - teuren - Journalismus mit Anspruchen, sich durchzusetzen.
Diese permanente Empörung und Eskalation sorgt bei mir zunehmend für Kopfschmerzen. Wie geht es Dir?
Ja, das Gefühl habe ich auch. Ich habe auch manchmal das Gefühl, dass ich mich da einfach rausziehen möchte. Ich habe ja wirklich auch oft Lust, Krach zu schlagen, ertappe mich aber immer öfter dabei, dass ich sage: Das ist jetzt ohnehin alles schon so heiß gelaufen, da möchte ich jetzt nicht auch noch jemand sein, der das weiter anheizt.
Bei Übermedien.de wird das aber wohl hin und wieder so sein oder nicht?
Wir haben natürlich das Selbstbewusstsein zu sagen, vielleicht ist gerade unser Beitrag zu der Debatte, derjenige, der die Leute voran bringt, schlauer macht, oder ein paar wesentliche Aspekte da rein bringt, die bislang untergegangen sind. Aber das Gefühl einer Überanstrengung angesichts der Geschwindigkeit, in der so viele Themen inzwischen eskalieren, das habe ich auch. Durchatmen würde uns allen oft helfen. Die Zeit wollen wir uns nehmen.
Stefan, lieben Dank für das Gespräch.