Herr Himmler, war 2014 ein gutes Jahr für das ZDF?
2014 war ein gutes Jahr für das ZDF. Wir hatten eine Menge Neues und Bemerkenswertes auf dem Schirm und in der Mediathek: neue Serien am Vorabend, modern und familiennah, vier neue Samstagskrimis, den gelungenen Relaunch der „Anstalt“, herausragende Dokumentationen und einen tollen Fußballsommer. Allerdings, und das gehört auch zu einem ehrlichen Rückblick: auf die Ereignisse um „Deutschlands Beste“ hätte ich gut und gerne verzichten können. Will man dieser Erfahrung etwas Positives abgewinnen, dann haben wir im Showbereich unser Selbstverständnis überdacht.
Wie sieht dieses Selbstverständnis denn aus?
Das kann ich sehr klar beantworten: Das oberste Gut der Öffentlich-Rechtlichen ist die Glaubwürdigkeit. Das gilt in allen Programmsparten gleichermaßen, da gibt es für mich auch keinen Unterschied zwischen einer Nachrichtensendung und einer Unterhaltungssendung. Wir dürfen dem Publikum – auch in der Show – nichts vorgaukeln.
Rankingshows gab bzw. gibt es auch bei den Privatsendern. Steckt in der Empörung über die Fehler der Öffentlich-Rechtlichen der kleine Trost, dass man von Ihnen einfach mehr erwartet hätte?
Nein, da hilft das Schielen auf Andere nicht weiter. Fernsehen braucht Haltung, zumal im öffentlich-rechtlichen Bereich. Das wird zu Recht vom ZDF erwartet. Im Übrigen zeigen das auch unsere Sendungen, in der Show, in der Fiktion, in der Information. Umso mehr schmerzt eine solche Entgleisung.
Hinter der ZDF-Unterhaltung steht für 2015 ein so großes Fragezeichen wie noch nie. Es werden Köpfe und Formatideen gebraucht, nach diesem, sagen wir, lehrreichen Jahr und dem Ende von „Wetten, dass..?“
Fragezeichen würden dann da stehen, wenn wir keine Entscheidungen getroffen hätten. Aber klar: Wenn man „Wetten, dass..?“ nach 33 Jahren in den Ruhestand verabschiedet, dann ist das eine große Zäsur, die auch von der Öffentlichkeit aufmerksam verfolgt wird.
Und in diesem Ruhestand gibt es auch keine Altersteilzeit?
(lacht) Nein, „Wetten, dass..?“ wird es so nicht mehr geben. Das kann ich ihnen hier ganz eindeutig sagen. Wissen Sie, ich glaube, dass die Sendung ein Stück ihrer Besonderheit verloren hat.
Woran machen Sie das fest?
Wenn ich mir anschaue, wie die Medienwelt sich um „Wetten, dass..?“ herum verändert hat, dann wird klar: einige Alleinstellungsmerkmale sind verloren gegangen. Hollywoodstars, die gerne etwas maulfaul auf der Couch sitzen, sind nichts Besonderes mehr. Früher brachte „Wetten, dass..?“ die Stars nach Deutschland und in die deutschen Wohnzimmer - heute kann ich sie jederzeit auf meinem Smartphone haben. Auch der von schreienden Teens begleitete Auftritt einer Boygroup ist keine Besonderheit mehr, weil man schon alle möglichen Ausschnitte der Konzerte bei YouTube findet. Und Drittens: Menschen, die ein besonderes Talent präsentieren wollen, können Sie inzwischen am Fließband bei „Das Supertalent“ bekommen.
Wenn sich Will Arnett in einer US-LateNight-Show über „Wetten, dass..?“ lustig macht - ärgert man sich über einen Gast, der erst die Promotionfläche Ihrer Show sucht und dann darüber herzieht oder die deutsche Presse, die eine Anekdote überbewertet?
Letzteres. Wenn man sich seinen Auftritt bei Jimmy Kimmel anschaut, dann sieht man doch sofort, dass das eine Anekdote ist, die er als Gast mitbringt, um in der Comedy-Show etwas beizusteuern. Und die Deutschen sind immer ein dankbares Thema, weil Vorurteile gepflegt werden können. Außerdem hört man bei Arnett ja auch ein großes Staunen über die Größe der Show heraus. Ich freue mich, wenn ihm auffällt, dass es in den USA keine ansatzweise so große Show gibt, mit einer so großen Bühne und so vielen Zuschauern, gemessen an der Landesgröße. Das gefällt mir. Aber wenn dann aus seiner Anekdote mehr gemacht wird als es war, erstaunt mich diese bewusst verdrehte Berichterstattung.
Was wird das denn für eine Sendung am 13. Dezember?
Keine Beerdigung, sondern ein würdiges Abschiednehmen von einer großen Show, die über Jahrzehnte ein großes Publikum unterhalten hat. Und bevor die Frage kommt: Wir arbeiten auch nicht an einem „Wetten, dass..?“-Nachfolger. Diese Aufgabe wird auf mehreren Schultern liegen. Es gab auch nicht die eine Serie, die auf die „Schwarzwaldklinik“ folgte.
Es gab Spekulationen, dass das ZDF im nächsten Jahr die Frequenz der Präsenz von Markus Lanz ändert?
Nein, wir freuen uns, dass Markus Lanz im Dezember bei uns „Menschen“ präsentiert und auch im nächsten Jahr dreimal die Woche mit seinem Talk bei uns auf Sendung ist.
Pilawa verloren, mit Inka Bause wenig gemacht und Christian Rach hat im ZDF noch nicht zu sich gefunden: Hat die ZDF-Unterhaltung ein Köpfe-Problem?
Also da bin ich anderer Meinung.
Das überrascht mich jetzt nicht
(lacht) Ich bin aus zwei Gründen anderer Meinung. Wir haben neben Markus Lanz gute Köpfe wie Johannes B. Kerner, Oliver Welke, Carmen Nebel, Rudi Cerne und Andrea Kiewel, die alle Formate haben, die zu ihnen passen. Und ein solches werden wir im nächsten Frühjahr auch für Christian Rach haben. Will sagen: Wir müssen erst ein gutes Format finden und dann die passende Besetzung finden, nicht umgekehrt. Dazu passt beispielsweise „Tausend“, unsere Gameshow-Entwicklung mit der BBC. Es macht meiner Meinung nach auch in der Fiktion keinen Sinn zu sagen, wir haben Schauspieler X aber noch kein Drehbuch. Umgekehrt funktionierts: Wir wollten „Schuld“ machen und konnten Moritz Bleibtreu dafür gewinnen.
Zur Fiktion kommen wir gleich noch, aber bleiben wir noch kurz in der Unterhaltung: Herr Böhmermann darf jetzt auch im Hauptprogramm ran - weil er zu dumm ist für RTL.
(lacht). Ja, der Herr Böhmermann. Wenn er ein Shiny Floor-Format um 20.15 Uhr bekäme, würde er wahrscheinlich die ganze Sendezeit über nur auf dem Boden knien und sein Spiegelbild betrachten. Deswegen fangen wir mit dem „Neo Magazin“ am Freitagabend nach „Aspekte“ erst einmal an den Programmrändern an. Um ihn ans ZDF-Publikum und das ZDF-Publikum an ihn zu gewöhnen. Da fühlt er sich wohl und darf auch all das tun, was er ja wirklich gut macht.
Wohin steuert das ZDF 2015 in der Primetime-Unterhaltung?
Ich habe mich über die erfolgreiche Udo Jürgens-Gala neulich sehr gefreut. Das ist ein schöner Ausweis öffentlich-rechtlicher Unterhaltung, die etwas zu sagen hat - mit einem Protagonisten, der etwas zu sagen hat. So eine „Tribute to“ als Sendungsformat fortzusetzen, ist eine der Ideen für 2015. „Quiz Champion“ war mit 5,2 Millionen sehr erfolgreich - und im Übrigen auch nicht so weit entfernt von dem, was „Wetten, dass..?“ holt - und geht im nächsten Jahr weiter. Dann denke ich, dass auch Wissenschaftsshows mit einem fundierten fachwissenschaftlichen Hintergrund eine Rolle spielen werden.
Machen Sie mir jetzt Hoffnungen auf ein Comeback der „Knoff Hoff Show“?
Ich glaube, dass die „Knoff Hoff Show“ damals einen Nerv getroffen hat, aber wir heute wissenschaftlicher sein müssen als an der amüsanten Oberfläche zu kratzen. Ich denke da eher an Vorbilder bei der BBC. Bei Christian Rach wiederum werden wir den umgekehrten Weg gehen: Von der Bühne raus ins Land gehen, damit er das macht, wofür er bekannt und beliebt ist. Er wird Restaurant-Gründer in mehreren Städten beim Start in die Selbstständigkeit unterstützen - und da auch nicht nach drei Tagen einfach abreisen.