Herr Jauch, ohne drum herum zu reden: Wie lautet Ihre Bilanz nach den ersten zehn Sendungen im Ersten? Vielleicht runtergebrochen auf die Frage: Leichter oder schwerer als erwartet?

Wenn ich alles zusammen nehme, eigentlich leichter als erwartet. Ich ging davon aus, dass wir uns mit der Themensetzung schwerer tun oder in der Anfangsphase Schwierigkeiten haben würden, hochkarätige Gäste zu bekommen. Aber das war beides zum Glück gar kein Problem. Inhaltlich würde ich nach zehn Sendungen sagen, dass drei weniger gelungen waren, vier waren ordentlich bis sehr ordentlich und mit drei Sendungen konnten wir mehr als zufrieden sein. Die Sendung mit der Bundeskanzlerin im Einzelinterview gehört für mich übrigens auch dazu.

Neigt man bei einem solchen Einzelgespräch nicht dazu, dass man sich dem Gesprächspartner mehr annähert als man will, weil ein Contra fehlt?

Man kommt immer schlauer aus einer Sendung raus als man reingegangen ist. Bei der Einzelanalyse im Nachgang gibt es immer die Situation, dass man feststellt, eine Nachfrage an der einen Stelle wäre schön gewesen. So, wie in der Rückschau auch der eine oder andere nicht so spannende Punkt angesprochen wurde. Das ist eben eine unberechenbare Livesendung, in der ja für Angela Merkel auch einiges auf dem Spiel stand. Ihre Kanzlermehrheit im Bundestag galt noch als ungesichert und sie wollte den Zuschauern mit Verve erklären, warum sie so unbedingt auf Europa setzt.

Wie sieht Ihre Bilanz bei der Sendung mit Helmut Schmidt und Peer Steinbrück aus ?

Da gab es einen Punkt, bei dem wir schon vor der Sendung klar war, dass der heikel werden könnte. Er betraf meine Nachfrage, wie Schmidt die Buch-Passage mit dem Kommunismus in China meinte. Daraufhin antwortete er: „Genauso wie ich es gesagt habe.“ Nach einer kurzen Pause hat er es dann noch mal erklärt und Peer Steinbrück hat sofort realisiert, dass diese Sichtweise nicht die seine ist. Das hat er dann auch deutlich gemacht. Damit hatten beide ihre Standpunkte klar vertreten. Ich akzeptiere, wenn einige sich noch eine längere Diskussion über Menschenrechte in China gewünscht hätten, aber bei begrenzter Sendezeit müssen die Schwerpunkte eben verteilt werden. Gerade bei den beiden gab es sehr viele interessante Sichtweisen – oft auch durchaus unterschiedliche. Sendungen unter Live-Bedingungen sind immer Chance und Risiko zugleich.

Zu nett gewesen zu sein, wie es im „Spiegel“ kritisiert wurde, trifft Sie also nicht?

Ganz gewiss nicht. Aber es gibt sicherlich Zuschauer, die die Kompetenz des Moderators daran messen, dass er Menschen in seiner Sendung an die Wand nagelt oder in  ausweglose Situationen bringt, so dass sie am Ende als geprügelter Hund den imaginären Kampfplatz verlassen. Mein Ziel ist aber zum einen Klarheit, worum es überhaupt geht. Im zweiten Schritt geht es aber natürlich darum, Widersprüche aufzuzeigen, Worthülsen aufzubrechen und  politische Winkelzüge zu entlarven. Eine solche politische Gesprächssendung muss immer einen kritischen Ansatz haben, aber für Verbalinjurien oder persönliche Attacken, die zuweilen gern unter dem Deckmantel der „political correctness“ daherkommen, stehe ich nicht zur Verfügung. Deshalb versuche ich auch dafür zu sorgen, dass die Gäste im allgemeinen ausreden können und sich nicht dauernd ins Wort fallen. Das funktioniert auch sehr gut. Im übrigen werden identische Sendungen von unterschiedlichen Menschen auch völlig verschieden gesehen. Deshalb kann ich mit der Kritik auch leben.

Stichwort „Spiegel“ und „Zeit“: Der Besuch von Helmut Schmidt und Peer Steinbrück bei Ihnen war in jener Woche Teil einer großen PR-Runde. Wird man da zum Helfer einer Kampagne?

Jeder, der in so eine Sendung geht, hat im Kopf, was er sagen will und einen klaren Plan, was er kommunizieren will. Niemand geht bei solchen Sendungen ohne Ziel vor die Kamera. Jeder hat da seine eigene Agenda auf dem Schirm. Das finde ich auch in Ordnung. Wir waren im Fernsehen die ersten und einzigen, die die beiden zu Gast hatten. Kein Journalist sagt zu dieser Konstellation „Nein“, nur, weil die zwei auch ein Buch geschrieben haben. Der Zuschauer hat das übrigens ähnlich gesehen und die Sendung mit der bisher höchsten Einschaltquote für unsere Sendung belohnt. Das ist auch die  dritte Sache über die ich froh bin nach den ersten zehn Sendungen: Wir haben sehr gute Einschaltwerte.

Aber...

...die Quotendiskussion kommt irgendwann immer. Da mache ich mir keine Illusionen. Und dann wird auch in einer öffentlich-rechtlichen Anstalt intensiv darüber diskutiert werden, wieviel Akzeptanz für diese Sendung an diesem Platz erwartbar ist. Ich will ganz ausdrücklich Qualität und Quote. Wir haben einen wunderbaren Sendeplatz direkt hinter dem „Tatort“ bzw. „Polizeiruf“. Für eine Gesprächssendung gibt es keinen besseren. Sich dann bei mauer Quote nur dahinter zu verstecken, dass die Öffentlich-Rechtlichen ja nicht auf Quote angewiesen seien, weil sie gebührenfinanziert sind, entspricht nicht meinem Selbstverständnis.