RTL ist zu danken, weil der Sender dem Zuschauer mit „Helden“ vorführt, dass man den Begriff Katastrophenfilm auch ganz anders definieren kann. Galt bisher der „Haialarm auf Mallorca“ als schlechtester RTL-Film aller Zeiten, so steht nun mit „Helden“ ein harter Konkurrent in den Startlöchern. Am Tag der Deutschen Einheit soll er Zuschauer locken, was möglicherweise auf eine rechtliche Auseinandersetzung hinausläuft, denn es wird sich doch sicherlich ein Winkeladvokat finden, der diesem flimmernden Teil eine Verletzung der Feiertagswürde attestiert. Wozu? Zu Recht.
Ich habe schon viele schlechte Filme gesehen. Seit einem Vierteljahrhundert schaue ich beruflich fern, aber „Helden“ schlägt alles. Gäbe es in Deutschland eine goldene Himbeere für den schlechtesten Film des Jahres, stünde dieses Machwerk komplett ohne Konkurrenz da. Man fragt sich allen Ernstes, mit welchen Drogen jene versorgt wurden, die bei RTL so etwas zur Ausstrahlung freigeben. Man kommt dann aber zum traurigen Schluss, dass da nur eine Droge im Spiel war, und die heißt Unvermögen.
Um es mal vorwegzunehmen. Ich liebe Katastrophenfilme und Artverwandtes. Ich hatte selbst bei „White House Down“ meinen Spaß. Ich verstehe, dass diese Filme, in denen beinahe der Weltkrieg oder irgendein Vulkan ausbricht, immer auch zum großen Teil Comic sind und von der Ironie leben, die der Zuschauer mögen muss. Allerdings ist das mit der Ironie so eine Sache. Ironie muss eine Ebene unterlaufen. Was aber, wenn ein Film schon so tief startet, dass ein Unterlaufen seines Niveaus der Anbohrung des Erdkerns gleichkäme?
Die Ausgangsstory ist rasch erzählt. Im Genfer Kernforschungszentrum probieren sie, den Urknall nachzustellen. Es gelingt, aber es passiert, was einige Wissenschaftler befürchtet haben: Es bildet sich ein Schwarzes Loch. In der Folge kommt es zu Satelliten- und Flugzeugabstürzen, Erdbeben und schlechten Filmen wie diesem.
Die Ausgangslage ist also nicht die schlechteste. Mit dieser Idee könnte man arbeiten. Allerdings nicht mit dem Personal, das RTL für diesen Film versammelt hat. Fast alle, die an diesem Teil mitgewirkt haben, sollten sich mal eine ziemliche Weile in die Ecke stellen und sich schämen. Als da sind: Heiner Lauterbach, Christiane Paul, Armin Rohde, Hannes Jaenicke, Yvonne Catterfeld, Heikko Deutschmann, Steffen Wink und Christine Neubauer. Ja, die Christine Neubauer. Und die ist noch nicht einmal die schlechteste Schauspielerinnendarstellerin in diesem Oberflop. Natürlich ist sie eine patente Nebendarstellerin, die als Krankenschwester massenhaft Leben rettet, eben weil sie alles kann. Man kennt die Neubauer so. Sie hatte nicht viel zu verspielen.
Einen Rest von Fähigkeit hatte man aber zumindest noch Hannes Jaenicke attestiert. Lange lebte ich in der Illusion, dieser Mann könne ein bisschen mehr als nur alle Besorgnis dieser Welt in Offstimme und Buch zu vereinen. Ich hatte mich daran gewöhnt, dass Jaenicke das personifizierte Gewissen ist. Wenn er auftaucht ist etwas von übel. Dass es noch viel schlimmer kommen kann, zeigt „Helden“. Jaenicke ist ein Baustellenmann in Berlin, der erfährt, dass seine Tochter beim Urknall in Genf zugegen war und nun dringend gerettet werden muss. Also drängt er sich in einen Helikopter, in dem schon Christiane Paul sitzt, die eine Wissenschaftlerin spielt, die alles früh gewusst hat, eine Art weiblicher Hannes Jaenicke also. Gemeinsam starten die beiden, die wie in Filmen dieser Art üblich, nebenbei noch ihre einst gescheiterte Beziehung aufzuarbeiten suchen, zur Jagd nach dem Computer eines jugendlichen Tunichtguts. Dessen Laptop beinhaltet die Formel, mit der man den Niedergang der Welt noch stoppen kann. Aber natürlich stürzt der Hubschrauber ab...
„Helden“ trägt den Zusatztitel „Wenn dein Land dich braucht“, müsste aber eher mit der Unterzeile „Was das Land nicht braucht“ ausgestattet sein. „Helden“ ist eine Leistungsschau des kollektiven Unvermögens, geballt in einer Produktion von Dreamtool Entertainment, in der ganz offensichtlich peinlich genau darauf geachtet wurde, dass absolut nichts stimmt. Ich bin ein bisschen mangelhafte Logik gewohnt aus den Actiongeschichten von „Auf der Jagd nach...“, aber die waren gegen „Helden“ Goldstücke der deutschen Fernsehkultur.
Man nehme nur mal einen besonders abstrusen Seitenstrang der Geschichte. Der spannt sich auf einem Gurkenhof im Spreewald. Dort sind Feldarbeiterinnen zugange, die alle so aussehen, als würden sie Gurken nur zur persönlichen Weiterbildung sammeln und ansonsten vor allem für den Pirelli-Kalender posieren oder das Personal in irgendwelchen Top-Model-Castingshows stellen. Das könnte ein schön ironischer Twist am Rande sein, weil nebendran noch der einst großmäulige Bruder des aufrechten Hofbesitzers im Sterben liegt. Aber Ironie ist eben eine Kunst, und nicht jeder ist ein Künstler.
Getoppt wird all das aber noch von der Bundeskanzlerdarstellung, die Heiner Lauterbach hinlegt. Den hat man fein zurechtgemacht, denn in den meisten Szenen wirkt er so sehr wie sein eigenes Denkmal, dass man die Befürchtung nicht los wird, jeden Moment könne eine Taube auf ihm landen und ihn mit ihrer Hinterlassenschaft schmücken. Aber dann spricht er doch, und ich musste mehrfach an mich halten, um nicht auf die Auslegeware zu sinken und mich dort vor Lachen zu kugeln. Wohlgemerkt, kein Lachen aus Wissen, sondern Lachen aus Verblüffung. Dass es jemand wagt, so etwas auf den Fernsehschirm zu bringen, haut mich nach all den Jahren immer noch aus der Kurve. Und wenn ich die aktuellen Hervorbringungen aus dem Hause RTL betrachte, fürchte ich, dass das Ende der Fahnenstange noch lange nicht erreicht ist. Oder um es mit einem abgewandelten Oscar-Wilde-Zitat zu sagen: Am Ende ist alles schlecht, und wenn es noch nicht schlecht ist, ist es nicht von RTL.
Im Film sieht man übrigens in einer Szene Köln in Trümmern liegen. Im Beiheft zum Film kann man das Bild ganz in Ruhe studieren. Unten links ist undeutlich auch das Gelände zu sehen, wo die Deutzer Zentrale von RTL liegt. Darüber kräuseln sich Wölkchen, die nicht ganz genau erkennen lassen, ob da nun Schutt und Asche ein Stelldichein wagen. Es wäre also noch etwas zu tun. Daher ergeht mein Ruf an die Forscher im Genfer Kernforschungszentrum: Forscht ein bisschen weiter. Das mit dem Urknall und seinen Folgen scheint mir angesichts dieses Films keine so ganz schlechte Alternative zu sein.