Volker HerresHerr Herres, seit dem 1. November sind Sie im Amt des Programmdirektors der ARD. Wie ist es Ihnen seitdem ergangen?

Die ersten Wochen waren lebhaft, turbulent und nie langweilig. Ich habe immer gedacht, dass ich als NDR-Fernsehdirektor viel gearbeitet habe –  aber man kann noch mehr arbeiten. Seit ich hier bin, bin ich viel mehr unterwegs als vorher und habe mittlerweile die Genscher-Sorge, dass ich mir irgendwann selbst im Flugzeug begegne.

Zu Ihrem Antritt war zu lesen, Sie seien der Nachlassverwalter Ihres Vorgängers Günter Struve. Wie stehen Sie dazu?

Das ist ein hässlicher Begriff. Ich bin Struves Nachfolger und knüpfe selbstverständlich an das an, was ich vorgefunden habe – und das ist ein erfolgreiches nationales Vollprogramm. Solche Begriffe verstehe ich immer als Aufforderung, aus Profilierungsgründen alles umzuschmeißen, nur um etwas anders zu machen. Das wäre aber das Dümmste, was man machen könnte.

Was haben Sie seit Ihrem Einzug in der Programmdirektion mehr zum Einsatz bringen müssen: Diplomatisches Geschick oder Durchsetzungsvermögen?

Es ist immer eine Mischung aus beidem. Das Amt des Programmdirektors ist eine koordinierende Funktion, bei der es darum geht, dass man mit neun Landesrundfunkanstalten zu einer gemeinsamen Meinungsbildung kommt und dabei das Beste für das Erste Deutsche Fernsehen erreicht.
 

 
 
Steht nach Ihrer bisherigen Erfahrung am Ende ein Konsens oder mussten Sie schon auf den Tisch hauen?

Ich habe in meinem Leben nur ganz selten auf den Tisch gehauen. Ich neige nicht zu Brachial-Gesten, sondern setze eher auf die Kraft von Argumenten und Überzeugung.

Jüngst haben Sie sich im Rahmen des neuen TV-Deals auch die Erstauswertungsrechte für die Sonntagsspiele der Fußball-Bundesliga gesichert. Gibt es schon eine klare Vorstellung, wie diese Rechte genutzt werden, oder steht hier noch ein zäher Diskussionsprozess innerhalb der ARD bevor?

Ich glaube nicht, dass es ein zäher Prozess wird. Die Irritationen hinsichtlich eines Sendeplatzes hat es eher durch die Presse-Berichte gegeben als durch die Sachlage selbst. Ich gehe davon aus, dass wir die Verwertungsrechte für den Sonntagabend in den "Tagesthemen" nutzen werden.

Ist diese Überlegung schon Konsens oder gibt es Stimmen, denen der Sendeplatz – nach „Anne Will“ – zu spät ist?


In der ARD gibt es zwar immer viele Stimmen – dafür ist sie groß genug –, eine solche habe ich aber noch nicht gehört. Wir werden die Rechte in den bestehenden Formaten nutzen. Der Charme liegt auch darin, dass die Rechte von den Dritten Programmen darüber hinaus in ihren eigenen Sendungen genutzt werden können, wenn die einzelnen Redaktionen das für richtig erachten.

Also wäre auch die Auswertung in den Dritten vor der Ausstrahlung im Ersten möglich?

Ja.

Wäre denn eine Auswertung nach dem „Tatort“ und vor „Anne Will“ im Ersten eine denkbare Alternative?

Das ist kein Thema. Wir haben die Rechte nicht erworben, um unser Programmschema zu ändern, sondern wir haben sie erworben, weil sie im Gesamt-Angebot gut mitzuerwerben waren. Unsere Absicht war nicht, eine Schemadebatte auszulösen. Das ist nur durch die Berichterstattung geschehen.