Köln am Dienstag, den 27. Mai. Deutschland erlebte gerade das, was wahrscheinlich unser verfrühter Sommer war. Wäre der Umzug in die neue RTL-Zentrale nach Plan verlaufen, hätte das Gespräch schon dort stattgefunden. Doch noch immer sitzt RTL im Kölner Westen an der Aachener Straße. Das Gespräch findet in Schäferkordts Büro statt - mit offener Tür zur Dachterrasse, doch die Luft von draussen kühlte an diesem späten Nachmittag kaum. Dass es heiß her geht bei RTL, wäre dann aber doch eine zu saloppe Schlussfolgerung. Zumal Ruhe, Rationalität und manche überraschend persönliche Antwort das einstündige Gespräch prägen.
 
DWDL: Frau Schäferkordt, fangen wir privat an: Haben Sie eigentlich Wohneigentum?

Anke Schäferkordt: (lacht) Herr Lückerath, kümmern Sie sich neuerdings auch um den Immobilienbereich?

Nein, aber dann hätte Sie gestern Abend ein Beitrag im ARD-Magazin „Report“ interessieren können. Aber wenn Sie es nicht gesehen haben: Sie können es sich ja jetzt noch einmal anschauen in der ARD-Mediathek. Ein tolles Angebot oder?

Ah, verstehe. Also solange es Beiträge aus dem eigentlichen Kernbereich der Öffentlich-Rechtlichen – also Kultur, Bildung und Information - sind, die für eine begrenzte Zeit abrufbar sind, ist das sicherlich etwas, mit dem ich leben kann. Eine zeitlich unbegrenzt abrufbare Library inklusive dem kompletten Unterhaltungsbereich lehne ich strikt ab. Kennen Sie die Abrufzahlen der Kollegen? Welche Sendung da am häufigsten abgerufen wurde?

Es war in den vergangenen Tagen die Telenovela „Sturm der Liebe“. Ob das repräsentativ ist, weiß ich nicht.

Das ist es, darauf wette ich.

Und da würden Sie dann sagen, dass das nichts ist, was bei der ARD online abrufbar sein müsste?

Genau. An der Stelle wo die Öffentlich-Rechtlichen mit Gebührengeldern in einen Markt eindringen, der gerade privatwirtschaftlich im Aufbau ist, kommt es zu einer Verdrängung und der Behinderung einer natürlichen Marktentwicklung. Bereits bestehende Vielfalt wird mit Gebührenmitteln zerstört. Das kann weder im Interesse der Politik sein noch im Interesse der Gebührenzahler.

Welche Art von Internetpräsenz gestehen Sie ARD und ZDF denn zu?

Im Internet gibt es bereits einen existierenden Wettbewerb, so dass die Grundversorgung dort längst, und zwar auch mit qualitativen Inhalten, gegeben ist und nicht durch die Öffentlich-Rechtlichen sichergestellt werden muss.

Also das Internet nur als programmbegleitendes Medium aber nicht neben Radio und Fernsehen als drittes zu versorgendes Medium?

Ganz genau, so haben wir es auch öffentlich mehrfach gesagt. Warum ARD und ZDF dennoch von Zensur sprechen oder so tun, also wolle man ihnen jegliche Präsenz absprechen, fragen Sie die Kollegen am besten selbst.

Dann kommen wir mal zu Ihrem Video-on-Demand-Angebot RTL now. Wie wichtig ist das inzwischen für RTL?

Video-on-Demand ist heute für die Sender noch kein wirtschaftlich wirklich relevantes Standbein, wir sprechen eher über Zukunftsmodelle. Natürlich sind die Wachstumsraten, enorm, die Abrufe bei RTL now steigen jeden Monat. Deshalb haben wir das Angebot ja gerade erst ausgebaut und sind mit frischer Optik online gegangen. Aber von einem Kopf-an-Kopf-Rennen mit dem linearen Fernsehprogramm sind wir derzeit noch weit entfernt.

Sind Video-on-Demand-Rechte für Sie bei aktuellen Lizenzverhandlungen elementar oder noch optional?

In unseren Verhandlungen sprechen wir immer auch über die VoD-Rechte. Fehlende VoD-Rechte würden mich heute jedoch noch nicht davon abhalten, eine gute Serie, die wir unbedingt haben wollen, zu kaufen. Ein Problem habe ich nur damit, wenn die Rechte in den Händen anderer liegen und sie gleichzeitig zur TV-Ausstrahlung bei uns als werbefinanziertes Video-on-Demand zur Verfügung gestellt werden. Wir diskutieren das natürlich mit den Lizenzgebern, weil es der Free-TV-Ausstrahlung schaden kann. Free-TV hat für uns weiterhin Priorität, auch wenn Sie mich jetzt als ewig gestrig bezeichnen (lacht). Video-on-Demand ist noch sehr weit entfernt davon, die gleiche wirtschaftliche Relevanz zu haben. Aber da sich das ändern kann, investieren wir auch hier.
Foto: RTL


Wie sieht es eigentlich mit Handy TV aus? Vodafone-Deutschlandchef Joussen hat es neulich für tot erklärt.

Ich glaube nicht, dass Handy TV tot ist. Ob DVB-H letztlich der Standard ist, der sich durchsetzt, will ich auch nicht abschließend beurteilen. Aber Fernsehen auf dem mobilen Endgerät bleibt definitiv ein interessantes Thema.

Aber es wird schon seit Jahren immer und immer wieder diskutiert und es verzögert sich immer weiter. Ein ermüdendes Thema bei den Branchengipfeln...

Ich gebe Ihnen Recht, dass es bei solchen Veranstaltungen offenbar immer sehr verlockend ist, über ferne Zukunftsmusik zu diskutieren, die aktuell maximal einen Bruchteil unseres Geschäftes ausmacht. Aber das kann man nicht den Protagonisten der Branche vorwerfen, auch nicht nur den Veranstaltern, denn auch die schreibende Zunft hat ihren Anteil. Neues ist immer sexy. Und darüber wird verständlicherweise auch geschrieben. Mit Marc Schröder als dem neuen Geschäftsführer von RTL Interactive haben wir ja, wie Sie wissen, auf einen Hochkaräter gesetzt, weil wir der festen Überzeugung sind, dass da ein großes Stück Zukunft für unsere Gruppe drinsteckt.
 
Trotzdem gelten Sie da - wie Sie selbst schon scherzhaft anmerkten - als eher zurückhaltend...

Unsere Grundfrage ist immer: Wie sieht langfristig gesehen das Geschäftsmodell aus? Das muss man nicht beantworten können, wenn man mit einer guten Idee einfach loslegt. Aber man sollte eine Ahnung haben, bevor man als Unternehmen zwei- oder gar dreistellige Millionenbeträge in eine Idee investiert. Da mag ich eher traditionell sein, aber . dann bin ich es gern, weil die Frage nach dem Geschäftsmodell erlaubt sein muss. Ich bin auch froh, dass wir uns an manchen Dingen nicht beteiligt haben. Was aber eben nicht heißt, dass wir nicht auch ausprobieren. Als wir mit Video-on-Demand gestartet sind, war auch noch nicht klar, ob werbefinanzierte oder kostenpflichtige Angebote die beste Variante sind.
 
Was ist jetzt Ihr Urteil?

Die Abrufzahlen von kostenlosem Video-on-Demand liegen sehr deutlich vor den kostenpflichtigen Angeboten. Und in Umfragen, die wir gemacht haben, hat sich eine überwältigende Mehrheit für Preroll- und Unterbrecherwerbung bei RTL now anstelle von kostenpflichtigen Angeboten ausgesprochen. Die Werbung ist offenbar gelernt.

Noch sind einige Inhalte aber kostenpflichtig: Wäre ein komplett werbefinanziertes Video-on-Demand dann nicht sinnvoller?


Sicherlich nicht zeitlich unbegrenzt. Aber als Catch-Up-TV mit drei bis sieben Tage Verfügbarkeit nach TV-Ausstrahlung kann ich mir das vorstellen. Vorausgesetzt, der Werbemarkt sieht das ähnlich. Vorerst schauen wir uns das aber noch an und sammeln Erfahrungen. An Library-Funktionen mit älteren Folgen und Klassikern glaube ich im werbefinanzierten Bereich allerdings nicht. Das könnte ein Pay-Bereich für Fans einzelner Programme werden. Und Previews zur Free-TV-Ausstrahlung wären sicherlich auch eher kostenpflichtig.