Foto: ARD/Marco GrobMan merkt schnell, dass es eine Momentaufnahme ist: Was Michael Hanfeld am Dienstag in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ über deutsche LateNight-Shows schreibt, ist aus dem Moment heraus entstanden. Vermutlich aus dem Entsetzen über die entgleiste „Schmidt & Pocher“-Sendung aus der vergangenen Woche. Es ist aber keine wirkliche Analyse der deutschen LateNight - aus einem ganz einfachen Grund. Die deutsche LateNight ist längst tot. Und das schon seit dem 21. Oktober 2004 als Anke Engelke sich mit „Anke Late Night“ vom Bildschirm verabschiedete.

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Man kann über die Sendung von Engelke streiten. Doch was ihre Sendung hatte und sowohl „Schmidt & Pocher“ als auch der „Niels Ruf Show“ fehlt: Die Regelmäßigkeit. Und das Genre LateNight ist in erster Linie ein Gewohnheitsprogramm, das mir als Zuschauer den Tag und seine Schlagzeilen noch einmal möglichst bissig vor Augen hält und um unterhaltende Elemente ergänzt. Doch „Schmidt & Pocher“ senden nur, wenn Ihnen kein Grund für eine weitere Pause einfällt und die „Niels Ruf Show“ kommt einmal in der Woche. Sicher laufen beide Sendungen am späten Abend, doch mit dem Genre wie man es aus dem US-Fernsehen kennt und das sich beide Sendungen zum Vorbild nehmen, haben die Formate nichts zu tun.

Foto: ScreenshotHarald Schmidt sei am Ende, schreibt Hanfeld und wird ganz theatralisch: „Sollte er noch irgend einen Anspruch an sich selbst stellen, müsste er jetzt vors Publikum treten und sagen: Hier stehe ich und kann nicht anders als zu sagen, dass ich mich gerirrt habe.“ In Pocher natürlich. Der habe wiederum nichts als Zoten und Unterleibsgrotesken zu bieten. Es fehle ihm an Esprit und Feingefühl für Pointen und Gäste, so Hanfeld in der „FAZ“, der auch noch Dr. med Eckart von Hirschhausen unwitzig findet. An diesem emotionalen Rundumschlag gegen alles und jeden, der bei „Schmidt & Pocher“ mal vor die Kamera darf, ist sicher irgendwo im Detail auch etwas Wahres dran. Was bitter aufstößt ist die Tatsache, dass im Grunde alles nur an Pochers Umgang in der letzten Sendung aufgehängt wird.

Da vergleicht Hanfeld Oliver Pocher mit Hape Kerkeling, der es meisterhaft verstehe, Unbekannte in eine kurios-missliche Lage zu bringen, ohne sich über sie lustig zu machen. Allerdings tut Kerkeling dies nur über seine Figuren - und ich hoffe, dass nicht ernsthaft jemand Horst Schlämmer eine LateNight geben will. Das wäre zwar sicher ein großer Spaß. Nur würde es dann wieder einmal beweisen, dass die Deutschen dieses in den USA mit Sorgfalt gepflegte Genre nicht verstehen.


Ganz klar ist: Die Sendung in der vergangenen Woche war durch Gast Lady Bitch Ray extrem billig auf Sex fixiert und nichts, worauf Harald Schmidt und Oliver Pocher stolz sein sollten. Doch anstatt den Umgang von Pocher mit einem unmöglichen Gast zu kritisieren, wäre hier vielleicht früher anzusetzen: Wer hat diese Frau eigentlich eingeladen? Und war damit nicht schon vorprogrammiert, dass alles so aus dem Ruder laufen würde? Sicher war es das. Und das ist erbärmlicher als die Tatsache, dass Pocher... ja was eigentlich? Ist die Tatsache, dass er am Ende der Sendung einen Musikgast der kein Deutsch spricht, auf deutsch anredet so ein Drama? Reden wir hier über einen Vorfall, der wenige Sekunden andauerte?

Foto: SevenSensesEinmal tief Durchatmen. „Schmidt & Pocher“ ist kein Ersatz für das, was Harald Schmidt früher bei Sat.1 gemacht hat. Vielleicht sollte man diese persönliche Enttäuschung aber inzwischen überwunden haben und bitte nicht aus lauter Verzweiflung Hoffnungsträger sehen, wo keine sind. "Wer hätte gedacht, dass einem eines Tages Niels Ruf als Hoffnungsträger erschiene?", fragt Hanfeld in der FAZ“. Niemand. Und es denkt auch heute keiner. Zumindest nicht im Zusammenhang mit seiner LateNight-Show, die seit anderthalb Jahren zunächst beinahe unter Ausschluss der Öffentlichkeit für ein paar zehntausend Zuschauer im PayTV-Kanal Sat.1 Comedy lief und seit dem 14. April auch die Sat.1-Zuschauer langweilen darf.

Ganz offensichtlich von der Wut und Enttäuschung über "Schmidt & Pocher" getrieben, argumentiert Hanfeld bei Niels Ruf völlig unbeholfen. Das einzige Argument pro Niels Ruf ist dann doch allen Ernstes: "Wenigstens denunziert er seine Gäste nicht." Ansonsten attestiert selbst Hanfeld seinem "Hoffnungsträger", dass sein persönliches Format als Gastgeber noch nicht ganz Schritt halte und die Gags auch nicht die besten seien. Bei aller Liebe: Das Format des Gastgebers und die Gags - was gibt es Wichtigeres in einer LateNight-Show? Und wurde nicht auch Schmidt damals bei Sat.1 u.a. dafür geliebt, dass er manchen Gast hart anging und kein Blatt vor den Mund nahm? Und damit ist nicht nur seine "Dirty Harry"-Zeit gemeint.

Bild: Sat.1 Die "Niels Ruf Show" hat zwei grundlegende Probleme. Und es hat fast eine eigene Komik, dass beide seit anderthalb Jahren nicht behoben wurden. Niels Ruf schafft es immer noch zu oft einen guten Gag der Autoren mit seiner Präsentation in der Show völlig zu vergeigen. Und das mit furchtbar hoher Treffsicherheit. Noch dazu fehlt der Show Atmosphäre. Als Fernsehzuschauer hört man das Publikum in etwa so selten Lachen wie man selbst lacht. Stattdessen bei jedem Gag - ob vergeigt oder nicht - völlig überzogenes Klatschen. Das wirkt so aufgesetzt, dass man sich beinahe die manchmal peinliche Stille von "Anke Late Night" wünscht, die aber wenigstens ehrlich und nicht inszeniert wirkte.

Schade ist das insbesondere wegen Niels Ruf: In der RTL-Comedyserie "Herzog" konnte er überzeugen - leider nur nicht genügend Zuschauer. Das Problem setzt sich auch bei der "Niels Ruf Show" fort: Die Einschaltquoten sind katastrophal. Dabei wäre es durchaus wünschenswert Niels Ruf wieder öfter im Fernsehen zu sehen. Er kann ein Hoffnungsträger sein - nur nicht für die LateNight. Weder er, noch Harald Schmidt oder Oliver Pocher werden die deutsche LateNight retten. Und das allein schon der Form halber: Mit einer wöchentlichen Sendung ist das nicht möglich. Doch auch mit der Qualität beider Sendung wäre das schwierig. Das Genre LateNight im deutschen Fernsehen ist tot. Seit dem Ende der „Harald Schmidt Show“ bei Sat.1 lag es bereits im Koma. Mit dem Ende von „Anke Late Night“ wurde jede Hoffnung begraben. Eine Fernsehnation allein gelassen mit „Fun Freitag“ und Comedy Central. Na herzlichen Dank.