Bild: ARD / GaboLieber Herr Pilawa, der Verlag Kiepenheuer & Witsch hat im November unter Ihrem Namen das Nachschlagewerk "Zeitreise" veröffentlicht. Warum sollte ich es lesen?

Weil dieses Buch Lust auf Geschichte macht!. Es ist aus der Idee des "Geschichts-Quiz" geboren, aber im Gegensatz zur TV-Show versendet es sich nicht einfach. Vielleicht erzeugt es eine gewisse Nachhaltigkeit in der Vermittlung des Themas. Ich sehe es als eine nette Ergänzung.

Der "Literaturanzeiger" schreibt über Ihr Buch: "Das Inhaltsverzeichnis ist in den Zufallsgenerator einer Quizshow geraten."

Ehrlich gesagt: Ich versuche mich nicht als Hobbyhistoriker. Wir haben tatsächlich mit den Themen der Quizshow gearbeitet, denn es ist uns in der Sendung gelungen, das trockene Thema Geschichte unterhaltend aufzubereiten - mit in der Spitze 8,5 Millionen Zuschauern. Wir haben ein Thema verpackt, das eigentlich in den Elfenbeintürmen der Universitäten stattfindet. Man kann sich gut darüber streiten, ob Sissis Tätowierungen wissenschaftlich wichtig sind - aber wir haben ein paar Leuten die Angst vor dem schweren Thema genommen. Die Sendung war übrigens eine schwere Geburt, weil wir als Unterhalter im Öffentlich-Rechtlichen System das Genre Geschichte besetzen wollten. Es gehört normalerweise in andere Bereiche.

Welche Einwände hatte die ARD gegen das Geschichts-Quiz?

Tja, Geschichte ist ja per se etwas Trockenes, Seriöses, das muss ja wissenschaftlich untermauert und fundiert und mit Quellen belegt sein. Das passt in den Köpfen vieler Fernsehmacher nicht in die Unterhaltungssparte. Dafür gibt‘s ja Kulturredaktionen.

Es herrschte Angst, ein Thema an die Unterhaltung zu verschenken?

Ja, natürlich! Das ist ein Grundproblem des öffentlich-rechtlichen Fernsehens: Wir haben unglaubliche Berührungsängste untereinander. Zum Beispiel bewegt die schlauen Köpfe des öffentlich-rechtlichen Fernsehens die Frage, ob eine politische Talkshow am Sonntagabend nun bei den Chefredakteuren angesiedelt sein soll - oder, wie "Christiansen", bei der Unterhaltung. Solche Diskussionen gehen am Zuschauer vorbei. Der Zuschauer schaltet ein - und möchte sich, auch in journalistischen Formaten, gut unterhalten wissen. Das beste Beispiel ist Frank Plasberg - der selbst sagt: "Ich bin nicht der Vorzeigejournalist, als der ich vom Feuilleton oft gehandelt werde, sondern ich will unterhalten - und neugierig sein". Ich versuche seit Jahren, die Berührungsängste im öffentlich-rechtlichen System aufzubrechen.

Wollen Sie auch Institutionen wie den Fernsehrat reformieren, der zuletzt mit seinem Papier zu "Anne Will" Negativschlagzeilen gemacht hat?

Wäre ich naiv, würde ich das sofort bejahen. Ich weiß aber, dass diese Institutionen nicht reformierbar sind. An diesen Papieren finde viel schlimmer, dass sie immer wieder in den Redaktionen landen. Es ist furchtbar: Da existiert nicht einmal der geschüzte Rahmen einer Redaktions- oder Gremiensitzung, in dem man angstlos diskutieren kann. Man muss doch die Möglichkeit haben, über jede Sendung intern zu diskutieren, ohne den Wortlaut des Gesprächs am nächsten Tag in der Presse nachzulesen! Die Medienjournalisten müssen zur ARD schon gar nicht mehr recherchieren, weil jede wichtige Information automatisch durch irgendein Leck dringt.
  
Foto: ARD
 

Hatten Sie selbst schon ein Diskretionsproblem?

Die Unterhaltung gehört in den Öffentlich-Rechtlichen per se nicht zu den schützenswerten Programmflächen. Deshalb stehen wir auch nicht im Fokus der Kritik. Dennoch: Auch zu uns gibt es sicherlich das eine oder andere Papier. Ich kenne nur noch keines.

Warum forschen Sie nicht nach, wenn es so einfach ist, an diese Papiere zu kommen?


Weil mir die Kritik der Zuschauer näher ist. Für die mache ich das Programm, und deshalb wehre ich mich auch nicht gegen Quotendiskussionen. Die Zahlen sind entscheidend für meine Daseinsberechtigung als Unterhalter. Ich lese Quoten nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ: "Wer hat mich geguckt? Wen habe ich erreicht?"

Setzen wir an Ihrem Buchthema "Zeitreise" an und denken uns ins Jahr 1998. Schröder wird Kanzler, auf Sat.1 laufen noch Softsexfilme, und Sie bekommen dort Ihre eigene Talkshow. Mit welchen Worten würden Sie Ihr Kapitel "1998" beginnen?

1998 war ein Aufbruchsjahr, auch in den Medien. Damals haben sich die Privaten Gedanken gemacht, wie sie Zuschauer von den Öffentlich-Rechtlichen rüberholen können. 2008 ist es umgekehrt. Da hat sich eine 180°-Drehung vollzogen, die ich nicht gutheiße. Denn das öffentlich-rechtliche Fernsehen muss sich eingestehen, dass es manche Zuschauer gar nicht mehr erreichen kann.

Ist die Einkaufstour bei den Privatsendern eine falsche Strategie?

Auf jeden Fall. Klar: Jeder muss gucken, was sein Konkurrent macht, um etwas zu adaptieren. Aber wenn ich bemerke: Ich kann eine Sendung in der ARD nur schlechter kopieren als sie ein Privatsender macht, dann muss ich es sein lassen. Die Öffentlich-Rechtlichen dürfen eben nicht so konsequent trashig daherkommen wie die private Konkurrenz. Also sollten sie ihre Finger vom Trash lassen.

Ist "Bruce" ist ein Beispiel für schlechte Adaption?


Ja. Nehmen wir doch Sendungen wie "DSDS" oder das Dschungelcamp. Außerordentlich erfolgreiche Formate, die im öffentlich-rechtlichen Fernsehen nicht möglich sind. Also: Finger davon! Gar nicht erst versuchen! Bruce selbst ist ein großartiger Typ - der innerhalb einer Sendung wunderbar funktioniert hat. Aber er ist für sich genommen natürlich nicht der Heilsbringer für die Erlangung junger Zuschauer. Programmentscheidungen wie "Bruce" verstehe ich einfach nicht. Trotz der gigantischen Werbekampagne ist die Sendung nicht mal ansatzweise angekommen.