Wer denkt, dass interaktive Konzepte im TV-Umfeld etwas gänzlich Neues wären, der irrt. Ganz im Gegenteil kann das interaktive Fernsehen sogar auf eine recht lange Geschichte zurückblicken. Allerdings findet sich dabei allerlei Skurriles und Absurdes - von extra großen Fernbedienungen bis hin zu Smartphones, die den TV-Bildschirm abfilmen. Sender und Produzenten schmücken sich gerne mit dem Attribut "interaktiv", um eine Aufwertung zum aktiven Zuschauer zu suggerieren - und so klebt das Label "Interaktivität" auf so ziemlich allem, was vom normalen TV-Programm abweicht und auch nur im Entferntesten irgendwas mit "Mitmachen" zu tun hat.

Am Anfang steht also die Definition. Problematisch wird es jedoch genau hierbei - was ist interaktives Fernsehen überhaupt? Zählt der fast vier Jahrzehnte bestehende Videotext auch dazu, weil der Zuschauer durch die Auswahl der Seite und Eingabe der Seitenzahl via Fernbedienung gezielt eine Auswahl trifft? Die ersten Zuschaueranrufe wurden schon im Jahr 1959 von der NBC "The Today Show" ins Fernsehstudio durch gestellt, aber ist diese heute noch weit verbreitete Form wirklich in dem Sinn interaktiv? Wie sieht es mit TV on Demand, Fernsehen via Internet, oder dem "Tatort"-Twittern aus? Einigen kann man sich wohl darauf, dass sich viel Unterschiedliches in der Kategorie "Interaktives Fernsehen" befindet - idealerweise müsste es dem Zuschauer zumindest Einfluss auf den Inhalt des Mediums gewähren. So zumindest die Theorie. Der Blick in die Praxis zeigt vor allem einen großen Hype um wenig.

Das von Anfang an belächelte Tool, das das Tor zur viel versprechenden Welt der Interaktivität öffnen sollte, kam im Februar 2007 als Import aus der Schweiz auf den deutschen Markt: eine interaktive Fernbedienung namens "Betty". Groß waren die Träume, die jäh zerplatzten. "Betty" sollte langfristig die klassische Universalfernbedienung ersetzen, dem Zuschauer passend zum laufenden TV-Programm ein interaktives Begleitprogramm liefern und das Fernsehen spannender machen. "Wir wollen mit Betty das Fernsehen für die Betty-Zuschauer noch attraktiver machen, indem wir Ihnen viel Spaß und einen klaren Zusatznutzen bieten und das Ganze noch mit Sofameilen und Superpreisen belohnen", erklärte Wolfram Schmidt, damaliger Vorstandsvorsitzender der Betty TV (Deutschland) zum Start.

Zunächst wurden die Dienste nur zu Sendungen von ProSiebenSat.1 zur Verfügung gestellt, etwas später war auch ein gewisses Programmspektrum von RTL an Betty gekoppelt. Parallel zum laufenden TV-Programm wurden Spiele, Mitmach-Quizshows, Voting-Aktionen weiterführende Informationen oder Werbung angeboten, was auf einem Textbildschirm auf der Fernbedienung sichtbar war. Das alles sollte mit allen bestehenden TV-Geräten funktionieren, ohne dass dafür etwa eine zusätzliche Set-Top-Box nötig war – das Konzept basierte also ausschließlich auf der Fernbedienung. Das "Betty"-Display besaß mehrere Auswahl- und Abstimmtasten und zusätzlich einen OK-Knopf.

Gewinne aus Spielen wurden als Bonuspunkte, oder besser gesagt, "Sofameilen" ausbezahlt - die gespeicherten Daten wurden über das Modem des Telefons übertragen. Auf Anbieterseite konnte man sich dadurch natürlich über die Aufzeichnung der Seh- und Nutzungsgewohnheiten der Konsumenten freuen. Die Markteinführung verlief jedoch anders als geplant. So konnte "Betty" bis Mitte Juli 2007 in Deutschland gerade einmal 100.000 Mal abgesetzt werden, das Ziel von 500.000 bis zu einer Million wurde deutlich verfehlt, so dass das Projekt "Betty" sowohl im Nachbarland Schweiz als auch in Deutschland bis Ende 2007 und damit noch im selben Jahr, eingestellt wurde.