Niemand brauche eine Digitalstrategie, sagt ausgerechnet der Digitalchef von Super RTL. Klingt paradox, ist aber so - und Boris Bolz kann es auch erklären. „Eine Digitalstrategie impliziert direkt, dass es parallel dazu noch eine andere Strategie z.B. für das Fernsehgeschäft gibt - und schon teilt man die Energie im Haus. In wie vielen Unternehmen gibt es stiefmütterlich behandelte Digital-Abteilungen? Wir haben also viel tiefer angesetzt und an einer neuen Unternehmensstrategie gearbeitet, die alle mitnimmt.“ Bolz ist seit vergangenem September im Unternehmen. Claude Schmit, Geschäftsführer von Super RTL, hat den 45-Jährigen von Red Bull geholt und zum Chief Digital & Marketing Officer ernannt.
Gemeinsam geht es um den grundlegenden Umbau des gesamten Unternehmens. Schmit betont beim Gespräch mit dem Medienmagazin DWDL.de: „Unsere Digitalaktivitäten sind keine Alibi-Projekte, um parallel dazu weiter Fernsehen zu machen wie bisher. In meiner doch schon etwas längeren Karriere als Super RTL-Geschäftsführer ist das die wichtigste Veränderung. Aus unserem Sender wird ein Content Hub. Wir machen Programm für Kinder, produzieren es selbst oder kaufen ein, und bringen es auf unterschiedlichen Wegen zu den Kids. Einer davon wird nach wie vor das lineare Fernsehen sein.“
Fernsehsender umschreibe aber nicht mehr ausreichend, was das Unternehmen machen will. Es gehe um die Aufbereitung von eigenproduzierten und eingekauften Inhalten für diverse Ausspielwege - mal kostenfrei, mal kostenpflichtig - und die Schaffung von Werbeumfeldern für Marken, die längst über das TV hinaus buchen müssen, um junge Zielgruppen in ihrer Mediennutzung umfassend zu erreichen. „Wir verdienen im Fernsehen unverändert Geld“, will Geschäftsführer Claude Schmit an der Stelle festhalten. „Wir handeln also nicht aus der Not, sondern aus der Überzeugung heraus, dass sich etwas ändern wird.“
"Wir werden die Erwartungen der Eltern an ein bedenkenlos nutzbares Angebot erfüllen"
Boriz Bolz, Chief Digital & Marketing Officer bei Super RTL
Und ja, es ist mehr als ein neuer Anstrich bestehender Webangebote.Im Jahr 2018 starten gleich sieben große App-Projekte, wovon einige weit über das hinausgehen, was man gemeinhin als banale Verlängerung von Fernsehprogrammen verstehen würde. Da wäre zum Beispiel ein sicheres Social Network für Kinder, ein sehr ambitioniertes Unterfangen. Es gehe, so Digitalchef Bolz, „um eine App, mit der sich Kinder innerhalb eines geschützten Raums miteinander vernetzen können, aber in erster Linie, um sich kreativ auszutoben.“ Zielgruppe seien besonders die 10- bis 13-jährigen Mädchen - und in gewisserweise auch ihre Eltern.
Denen verspricht er: „Das Ganze wird redaktionell betreut, so dass hochgeladene Bilder und benutzte Sprache kontrolliert werden, um die Erwartungen der Eltern an ein bedenkenlos nutzbares Angebot zu erfüllen. Wir werden mit der App voraussichtlich im August starten.“ Ebenso unabhängig vom TV-Programm wurde heimlich still und leise „WoodieHoo“ gestartet - eine komplett neu entwickelte App für Vorschulkinder, die eine Welt mit Charakteren entdecken können, „die bereits so angelegt ist, dass wir daraus später auch mehr machen können - eine eigene TV-Serie beispielsweise“, erklärt Boris Bolz.
Eines der neuen Spielfelder von Super RTL: Die Game-App "Woodie Hoo"
Bislang ist „WoodieHoo“ nur in Österreich und Großbritannien verfügbar. Super RTL goes international? Ja, sagt Geschäftsführer Claude Schmit. „Wir wollen mit einer international verwertbaren IP (Intellectual Property, Anm. der Red.) experimentieren. Da uns unsere in Deutschland etablierten Marken Toggo und Toggolino im Ausland wenig bringen, haben wir uns für einen eigenständigen Ansatz entschieden und sind sehr gespannt, wie WoodieHoo dort ankommen wird. Das Projekt haben wir in nur sechs Monaten gestemmt. Bei Erfolg könnten wir aus dieser neuen Marke mit relativ wenig Aufwand und Vorlauf ein noch größeres Universum schaffen.“
Neben einem Social Network und einer neuen Gaming-Welt, die später auch zur Serie werden könnte, will Super RTL aber auch bestehende Marken digital neu interpretieren. So bekommt die im linearen Programm vergangenes Jahr wiederbelebte Kinder-Gameshow „Super Toy Club“ eine aufwändige Game-App, die im Sommer getestet wird und im September zum Start der zweiten Staffel im linearen Programm offiziell starten soll. Auch das TV-Format „Woozle Goozle“ bekommt eine App. Hinter der Entwicklung mit dem Arbeitstitel „Videomat 3001“ steckt eine Edutainment-App mit Wissensclips zu diversen Alltagsthemen. Sie soll Ende des Jahres kommen. Hier wie in den meisten anderen Apps können Werbekunden neben Pre-Roll-Ads auch In-Page-Ads buchen.
„Wir sehen zahlreiche Wachstumsfelder und gehen in die Offensive.“
Super RTL-Geschäftsführer Claude Schmit
Und dann gibt es die etablierten Marken, die teilweise mit neuen Apps oder umfassenden Updates neu aufgestellt werden, darunter die Kindermarke Toggo, die Vorschulmarke Toggolino und das SVoD-Angebot Kividoo. Letzteres wurde bereits vor drei Jahren unter weitgehendem Ausschluss der großen Öffentlichkeit gestartet. Oder, wie es Super RTL-Geschäftsführer Claude Schmit, formuliert: Man sei sehr konservativ vorgegangen bei dem Projekt. Aber: „Wir sehen zahlreiche Wachstumsfelder und gehen in die Offensive.“
Details dazu kommen von Digitalchef Boris Bolz: „Zum Einen wollen wir in der Distribution auf neue Plattformen. Smart TVs, Apple TV, Amazon Channels oder Bundle-Angebote mit TV-Providern können einen deutlichen Schub geben. Wir werden zudem an der User Experience arbeiten, ins Marketing investieren und weiter passenden Content suchen. Wir akquirieren Content auch gezielt nur für Kividoo, so haben wir gerade einen Programm-Deal mit Viacom geschlossen.“