Er weiß einfach wie man Sympathien einsammelt. Die Rede von Netflix-CEO Reed Hastings zur Eröffnung des Netflix Slate Events in Paris begann am Montagmorgen mit einer Anekdote aus der Vergangenheit - als Netflix noch DVDs durch die USA verschickte. Den millionsten Kunden habe er damals voller Stolz mit einem Steak bei Denny’s („Ein nicht so tolles Restaurant“, Reed Hastings) gefeiert. From Zero to Hero - die Dramaturgie der Rede glich denen vieler seiner bisherigen Auftritte. Der Roman-Vergleich war drin. Der Handy/Festnetz-Vergleich auch. Und das bedingungslose Bekenntnis zum Bingewatching. Die Erfolgsgeschichte von Netflix als Unternehmen und Synonym für eine neue Generation von Fernsehen ist zweifelsohne beeindruckend. Sie wurde inzwischen nur vielleicht einmal zu oft erzählt.



Aber als zur bekannten Marke gewordenen Ohrfeige für das lineare Fernsehen surft Netflix auf einer bislang anhaltenden Welle der Euphorie - auch unter Journalisten. Manch anderer Marktteilnehmer würde davon träumen, wenn allein die Inhalte im Mittelpunkt stünden und jede Frage nach Einschaltquoten oder Abonnentenzahlen in einzelnen Märkten weg gelächelt werden könnten. Netflix-CEO Reed Hastings hat darin Übung. Auch beim ersten Netflix Slate Event in Paris, der bisher größten Programmpräsentation des Unternehmens mit gut 250 Journalisten und geladenen Gästen, bleibt die Frage nach Belegen für die Erfolge nicht ungestellt.

"Ich denke es ist höchst unwahrscheinlich, dass wir das ändern werden.“

Netflix-CEO Reed Hastings über die Geheimniskrämerei um Nutzungsdaten.n


„Das Großartige an der Nicht-Veröffentlichung von Einschaltquoten ist, dass es dieses Mysterium und diese Neugier schafft. Das funktioniert ganz gut für uns“, sagt Hastings in einer kleinen Gesprächsrunde später am ersten Messetag. „Die Branche ist von der Frage ganz besessen, aber wir glauben, dass es die Kreativen schützt. Eine Serie die einen langsamen Start erwischt, wird bei uns nicht gleich als Flop bezeichnet und bekommt die Chance sich zu entwickeln. Und manchmal werden aus den Serien, die erst im Tempo anziehen, am Ende große Hits. Keine Einschaltquoten zu veröffentlichen hilft also uns und den Kreativen. Ich denke es ist höchst unwahrscheinlich, dass wir das ändern werden.“

Seinen Sonderstatus festigte Netflix auch mit dieser Veranstaltung in Paris. Aus gleich zwei Gründen wirkte der Netflix Slate Event sehr ungewöhnlich: Zum Einen ist es die Fokussierung auf fiktionale Programme. Netflix unterscheidet sich ja nicht nur durch die VoD-Technik vom linearen Fernsehen sondern gerade in Deutschland - mehr als in den USA - durch die ungleich größere Konzentration auf Serien. Ein Genre in dem das gesammelte deutsche Privatfernsehen in den vergangenen drei Jahren nicht so viele Produktionen präsentieren konnte wie Netflix an nur einem Tag, auch wenn sich die Schlagzeilen-tauglichen Neuigkeiten in Grenzen hielten: Es gab die Starttermine für die 2. Staffel „Marco Polo“ sowie die erste britische Netflix-Produktion „The Crown“.



Zum Anderen verblüfft der Aufwand, den Netflix betreibt für eine solche Hausmesse. Die Älteren unter uns werden sich erinnern: Einst gab es in Deutschland mal die Telemesse, die das Medium Fernsehen zelebrierte. Es folgten einige Jahre lang eigene Events von ProSiebenSat.1 und der Mediengruppe RTL Deutschland bevor man sich auch diese weitgehend gespart hat. Der Auftritt von Netflix in Paris erinnert an jene Zeiten, in denen sich das deutsche Fernsehen mit mehr Leidenschaft und Stolz präsentierte. Oder anders gesagt: Netflix macht das was deutsche Sender irgendwie auf dem Weg verloren haben. Man findet sich selbst schon sehr geil und kann das auch vermitteln. Das sorgt zunächst mal für eine erfreulich positive Stimmung.

Aber nochmal zurück zur Eröffnungsrede in der Hastings davon sprach, wie die Medien Radio und Film zusammen einst das Medium Fernsehen ermöglichten. Wie dann durch den Wunsch nach Vielfalt VoD im Sinne von VHS und DVD auf der einen und Pay-TV auf der anderen Seite entstanden sind. „Jetzt kommt unter Internet Television wieder alles zusammen. Internet Television ist die nächste Stufe des Entertainments. Es bringt das Beste aus VoD und Fernsehen zusammen“, verkündet Hastings von der Bühne des Auditoriums in der Cité du Cinéma im Pariser Norden. „Die neue Ära gehört Internet Television. Und warum ist Internet TV besser als lineares Fernsehen? Weil es on demand ist. Nie wieder werden wir sagen: Was läuft denn? Stattdessen fragen wir uns: Was wollen wir gucken?“

Reed Hastings© Netflix

Die Begrüßung endete mit sehr gesunden Selbstbewusstsein: „Die Welt steht heute mehr als je zuvor vor vielen Herausforderungen. Durch den Ausbau eines global verfügbaren TV-Netzwerks und das Teilen von Content aus allen Teilen der Welt leisten wir unseren Beitrag zur globalen Verständigung, für mehr Frieden und Empathie“, sagte der Netflix-CEO und überließ die Bühne den Kreativen, die in mehreren Panels über ihre Arbeit an den Netflix-Serien sprachen. Parallel gab es die Gelegenheit zu Einzel-Interviews mit den anwesenden Talents in jeweils zur Serie passenden Sets. Inszenierung ist eben alles. Zwei Tage lang standen u.a. Kevin Spacey („House of Cards“), Ashton Kutcher („The Ranch“), Tituss Burgess ("Unbreakable Kimmy Schmidt") oder Ricky Gervais und Eric Bana („Special Correspondents“) zur Verfügung.