Gerne verkaufen uns Elektrofachmärkte schöne neue Fernsehgeräte mit hochauflösend gefilmten Dokumentationen. Kein Genre wirkt bildgewaltiger, höherwertiger und eleganter. Egal ob die Naturdokumentation im Kleinen, der Kameraflug über unseren Planeten im Großen oder die Reise in die Vergangenheit mit computer-animierter Nacherzählung weltgeschichtlicher Ereignisse - all das zeigt uns die Welt aus Blickwinkeln, die wir meist noch nicht kannten, so wie auch manche Dokumentation über Einzelschicksale uns ungewohnte Perspektiven eröffnet. Und obwohl der deutsche TV-Haushalt immer mehr Doku-Sender empfangen kann, bleibt von diesem Reiz immer weniger übrig. International renommierte Marken wie Discovery, National Geographic oder A+E, die im Kern noch immer für die klassische Dokumentation stehen mögen, haben in ihren PayTV-Kanälen längst erkannt: Mit optimiertem Storytelling lässt sich mehr erreichen. Mit kuriosen Charakteren sogar noch mehr.



Aus Doku-Sendern wurde Dokutainment mit seichten Dokusoaps, die zwar in der wilden Natur spielen aber doch die Geschichten von Freunden, Brüdern oder ganzen Familien erzählen. "Duck Dynasty" ist nur eines der derzeit so unfassbar erfolgreichen Reality-Formate mit denen ehemalige Dokusender ein Stückchen ab haben wollen vom großen Kuchen der fiktionalen Programme mit von Fans regelrecht geliebten Charakteren. Es ist die Symbiose aus Erzählung und Beobachtung, die so erfolgsversprechend scheint. Doch auf der Strecke bleibt das einst so hochgehaltene Genre der klassischen Dokumentation. Ein Genre, das übrigens viel mehr her gibt als die thematisch meist auf ein Teilsegment spezialisierten Doku-Sender aus den USA, die es bislang im deutschen Fernsehen gibt. Deswegen ist es kurios: Obwohl es - auch dank deutscher Anbieter - schon eine Vielzahl an Sendern in dem Segment gibt, füllt GEO Television eine Lücke. Am 8. Mai startet der jüngste Sender der Mediengruppe RTL Deutschland zunächst nur über das IPTV-Angebot Entertain der Deutschen Telekom. Weitere Verbreitungspartner dürften aber in Kürze folgen.

Für Klaus Holtmann, bei RTL verantwortlich für die PayTV-Kanäle, ist der Sender ein besonderes Abenteuer, weil man unter den Markennamen GEO agiert und damit Erwartungen erfüllen muss, die an die seit 1976 existierende und sorgsam gepflegte Print-Marke geknüpft werden. Der Sender ist zwar kein Joint-Venture mit Gruner+Jahr - die Kölner haben lediglich die Marke lizenziert - und doch habe man im Austausch mit den Hamburger Kollegen das Markenverständnis verinnerlicht, verspricht Holtmannn. Ein Blick auf das Programm der kommenden Monate verrät: Fast jede Dokumentation, die in den letzten 20 Jahren einen Oscar gewann, wird bei GEO Television zu sehen sein. Viele davon als deutsche TV-Premiere. Unzählige weitere Filme sind Festival-Gewinner, Emmy- oder BAFTA-Preisträger. Die Botschaft von Klaus Holtmann bei diesem Ausblick ist klar: Man will preisgekröntes, anspruchsvolles Fernsehen zeigen. Man wolle ein "Kompliment an die Intelligenz des Publikums" sein. Das ist, um es freundlich zu formulieren, eine sehr überraschende Abwechslung zu dem, was Jahre lang als Parole aus Köln-Deutz kam. Ausgerechnet RTL bringt den Anspruch zurück ins PayTV - und begeistert mit dem LineUp.

Besonders der Montagabend wird im Programm von GEO Television so etwas wie das Aushängeschild des Senders. Während die restlichen Abende der Woche jeweils einer Themenwelt zugeordnet ist, soll die Primetime zu Wochenbeginn den besonders ausgezeichneten Doku-Meisterwerken egal welcher Machart vorbehalten bleiben. Am ersten Montag (12. Mai) nach dem Sendestart zeigt GEO Television um 20.15 Uhr den schwedisch-britischen Dokumentarfilm "Searching For Sugar Man", der 2013 mit dem Oscar ausgezeichnet wurde und die Suche zweier Südafrikaner nach dem amerikanischen Musiker Sixto Rodriguez thematisiert, als Deutschland-Premiere. Dieser hatte Anfang der 70er Jahre in den USA erfolglos zwei Alben veröffentlicht, bevor er spurlos verschwand. Nachdem seine Musik auf ungewöhnlichen Wegen im von Apartheid abgeschotteten Land Südafrika eine riesige Fangemeinde findet, versuchen zwei Südafrikaner das Schicksal ihres verschollenen Idols aufzuklären, das nach Meinung der Meisten längst tot ist. Darauf folgt die Deutschland-Premiere des auf diversen Festivals gefeierten Films "Jason Becker - Not dead yet".