Foto: Conde NastPolitisch bietet "Vanity Fair" keine brisanten Themen: Eine Lobhudelei auf Sigmar Gabriel, das "exklusive" Tagebuch der getöteten russischen Journalistin Anna Politkovskaja und Michel Friedmans Besuch bei der NPD decken das Ressort Agenda ab. Letzteres ist sicher lesenswert, aber für "Vanity Fair" zu unspektakulär. Dazu gesellen sich mit einem Portrait des US-Präsidentschaftsanwärter Barack Obama und einer Story über den Internetpionier Niklas Zennström zwei Themen, die man gefühlt auch schon mehrfach gelesen hat.

Kurze Frage an die Macher in Berlin: Wieso finden sich Til Schweiger, Jamie Foxx und Eddie Murphy im Ressort "Leute", aber ausgerechnet Silvester Stallone bei der "Kultur"? Abgesehen von einem der üblichen Artikel zu Filmneustarts finden sich in der Kultur dann noch u.a. die TV-Kolumne von Jörg Thadeusz (gerne mehr davon) und die einzige Story, die "Vanity Fair" in dem Licht erscheinen lässt, in dem man es erwartet hätte: Das Portrait des Malers Georg Baselitz. Wären manch andere Themen so wenig berechenbar und vorherschaubar gewesen, hätte schon der Erstling eine Wundertüte werden können.

So fehlt es "Vanity Fair" zwar nicht an Inhalt, aber an Überraschungen. Und in der Flut an Themen gehen einzelne herausragende Stücke dann sowieso unter. Das Problem der "Vanity Fair" liegt eben nicht im Detail. Es ist vielmehr die falsche Rechnung der Macher. Die einfache Addition guter Texte ist bei der hohen Erwartungshaltung an "Vanity Fair" nicht genug. Erst recht nicht, wenn man selbst in der Erstausgabe die eigene Eitelkeit mit einem Text über den Mythos "Vanity Fair" noch weiter pflegt.
 
Foto: DWDL.de
Michel Friedman und sein Treffen mit NPD-Funktionären


Überhaupt: Der Mythos "Vanity Fair". Der entwickelte in den vergangenen Wochen ein gespenstisches Eigenleben. Je mehr über das Magazin geschrieben wurde, je stärker sich die Vorberichte zum Deutschlandstart gegenseitig übertreffen wollten und dabei versuchten, stets mindestens so kreativ, so lässig und auf den Punkt zu klingen wie ein Artikel in der (US-)"Vanity Fair" selbst, je mehr gewann man den Eindruck es liege allein in den Händen von Condé Nast Bewegung in den deutschen Printmarkt zu bringen.

Immerhin haben sie es geschafft. Was schreckten die Platzhirschen auf als Condé Nast den Start der "Vanity Fair" ankündigte. Heute können die aber durchatmen: Die solide Hausmannskost von Poschardt und seinem Team sollte Ihnen nicht den Magen verderben. Und die wirkliche Herausforderung muss "Vanity Fair" erst noch meistern, wenn man wöchentlich am Kiosk liegt. Chefredakteur Poschardt dürfte heute übrigens vergeblich auf eMails gewartet haben. Im Editorial ruft er dazu auf, ihm persönlich Feedback zu geben. Nur existierte die Adresse posh@vanityfair.de bis zum Mittag nicht.

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Viel Zeit zum Lesen bleibt Ulf Poschardt ohnehin nicht: Nach Monaten der Vorbereitung auf die Erstausgabe bleibt jetzt nur eine Woche bis zu Heft Nr.2. Und in einer Woche lassen sich nicht noch einmal 330 Seiten füllen. So beantwortet die Erstausgabe eigentlich keine der brennenden Fragen. Wie sich die wöchentliche "Vanity Fair" im Konzert der anderen großen Wochentitel positioniert, wird sich erst noch zeigen - in einigen Wochen, ohne die geballte Aufmerksamkeit zum Start, mit weniger Werbekunden, weniger redaktionellen Seiten und einem höheren Verkaufspreis.