Am Freitag startet AppleTV+ als neuester Anbieter im globalen Streamingmarkt. Anders als etwa Netflix oder Amazon hat Apple für sein neues Angebot keine Library an Filmen und Serien eingekauft, so dass ausschließlich explizit für AppleTV+ produzierte Sendungen zu sehen sein werden. Zum Start am 1. November sind das zunächst vier Serien sowie eine Dokumentation ("Die Elefantenmutter").

Bei "The Morning Show", "See" und "For all mankind" sind zum Auftakt jeweils drei Episoden verfügbar, die weiteren folgen im Wochentakt immer freitags. Ausnahme ist die halbstündige Dramedy "Dickinson", die zum Auftakt bereits mit allen Folgen verfügbar ist und somit z.B. mit dem einwöchigen kostenlosen Probe-Abo komplett zu sehen sind. Danach kostet AppleTV+ im Monat 4,99 Euro "für bis zu sechs Familienmitglieder".

In den vergangenen Monaten hat Apple mit einer Reihe von Deals die technische Reichweite von AppleTV+ erhöht: Erwartbarerweise ist AppleTV+ über die TV-App auf allen Apple-Geräten sowie via Browser nutzbar. Darüber hinaus ist die App jedoch nun auch auf dem FireTV-Stick von Amazon oder ausgewählten Smart-TVs, u.a. von Samsung, verfügbar. DWDL.de konnte die ersten drei Episoden der Serien vorab sehen. Unser Urteil zum ersten Serien-Quartett von Apple...

"The Morning Show“, so konventionell wie unterhaltsam

"The Morning Show" ist zweifelsohne das Prestige-Projekt von AppleTV+. Die Serie von und mit Jennifer Aniston sowie Reese Witherspoon gehörte zu den ersten Produktionen, mit denen Apple vor zwei Jahren seine Ambitionen im Streaming-Markt ankündigte. Das Team einer erfolgreichen Morningshow im US-Fernsehen wird von der Nachricht erschüttert, dass dem langjährigen Co-Host Mitch Kessler (gespielt von Steve Carell) sexuelle Nötigung vorgeworfen wird.

Die Serie erzählt in den zehn Folgen der ersten Staffel von den Konsequenzen, dem beruflichen wie persönlichen Umgang mit dem ehemaligen Kollegen, den alle zu kennen glaubten, und insbesondere vom Machtkampf um die Zukunft der Sendung, nachdem Alex Levy (gespielt von Jennifer Aniston) ihren Co-Host verloren hat und der Sender mit dem Gedanken spielt, die ganze Sendung zu überarbeiten. Dabei kommt auch Reese Witherspoon als Reporterin Bradley Jackson ins Spiel - wie genau, sei jedoch nicht verraten.

The Morning Show

Auch wenn #metoo die Story der Serie ins Rollen bringt und wir Steve Carell häufiger sehen, steht die Aufarbeitung dessen dann gar nicht im Fokus der ersten drei Folgen, die Kritikern vorab zur Verfügung gestellt wurden. Es geht viel mehr um den täglichen Sendebetrieb und die Zukunft des Formats. In den USA sind die Frühstückssendungen der Networks Aushängeschilder der jeweiligen Häuser. Entsprechend aufgeschreckt sind alle. "The Morning Show" erinnert zum Auftakt enorm an Aaron Sorkins "The Newsroom", gepaart mit ein bisschen "The Good Wife“.

Man könnte auch sagen: "The Morning Show" ist ziemlich konventionell. Die Erwartungen an die Serie waren im Vorfeld so groß, dass man schon auf eine Enttäuschung wetten konnte. Nach den ersten drei Episoden, die bislang zu sehen waren, bekommt die Serie von vielen Kritikern die volle Breitseite: "Variety" schreibt gar von einem Fehlschlag. Von Versagen. Es sind harte Urteile, die sich darauf begründen, dass die Serie trotz zwei herausragender Hauptrollen sehr gewöhnlich daher kommt und (noch) zu wenig aus dem Thema mache, das aus US-Sicht sogar so manche reale Vorlage hat.

Aniston / Witherspoon

Reese Witherspoon und Jennifer Aniston feiern die Premiere von "The Morning Show" im Lincoln Center for the Performing Arts in New York.

Lohnt sich "The Morning Show" also überhaupt? Ja, unbedingt. "The Morning Show" ist vielleicht auch ein Stück weit sinnbildlich für den Ansatz von AppleTV+. Erklärtermaßen will Apple, zum gelegentlichen Gespött mancher Kritiker, mit seinem Programmangebot nicht die Grenzen des Erlaubten austesten. In einem immer intensiveren SVoD-Wettbewerb der abgefahrenen High-Concept- und Genre-Serien, in dem das Extravagante zum Zweck des Auffallens längst zur Norm geworden ist, sticht eine hervorragend gespielte Alltagsgeschichte mit relevantem Kern als willkommene Abwechslung hervor.

Das kolportierte XXL-Budget von 300 Millionen Euro für die schon beauftragten zwei Staffeln wird nicht auf Anhieb sichtbar und es brauchte sicher auch nicht Apple, um eine solche Serie zu erzählen. Aber der Machtkampf in bzw. um "The Morning Show" ist handwerklich gute Serienunterhaltung, die schnell reinzieht. Manche Chancen lässt die Serie noch ungenutzt, lässt #metoo zunächst links liegen, aber ist in jedem Fall eine mediale Hochglanz-Soap, wie letztlich auch "Succession" bei HBO, die sich durchaus süffig konsumieren lässt.