Passend dazu regte sich "Tagesspiegel"-Autor Matthias Kalle bereits vor einigen Tagen darüber auf, das Feuilleton könne den "Kampf gegen die Scham nicht gewinnen". Manch einer, so sein Vorwurf, würde im Dschungel so viele Metaebenen sehen, "als würde es sich um Literatur oder von mir aus um die US-Serie 'Homeland' handeln". Da ist sie wieder, diese gezwungene Empörung über ein Format, das eben nur auf den ersten Blick eines ist, für das man sich schämen muss. Hören wir doch endlich damit auf, uns beim Schauen des Dschungelcamps gegenseitig ein schlechtes Gewissen einzureden. Die Liste der schlechten Sendungen ist schlicht zu lang, als dass man sich ausgerechnet über jenes Format empören sollte, das es in vielen Punkten schafft, anders zu sein als das meiste, das uns sonst beim täglichen Zappen begegnet.
Den Tiefpunkt der Debatte bot am Dienstag allerdings kein Zeitungsartikel. Viel mehr war es der hochnäsige Auftritt von Schauspielerin Katrin Sass in der ZDF-Talkshow von Markus Lanz, der einen wirklich fragen lässt, ob so mancher in der Auseinandersetzung mit dem Dschungelcamp nicht vollends den Verstand verloren hat. In einem schier nicht enden wollenden Redeschwall schimpfte Sass über das Format und ging den anwesenden Peer Kusmagk derart unverschämt an, dass man sich schon fragen musste, wer sich denn nun eigentlich lächerlicher macht: Die Camper im RTL-Dschungel oder diese zornige Frau im beigen Sessel neben Markus Lanz. Dabei hatte es Kusmagk ja vor zwei Jahren tatsächlich geschafft, die beiden Wochen erhobenen Hauptes zu überstehen.
Doch als Kusmagk schließlich zur Gegenwehr ansetzte, fauchte Sass: "Dann geh doch nach Hause, wenn dir das zu blöd ist!" Auch Lanz schaffte es nur schwer, die Schauspielerin zu beruhigen. "Das ist unglaublich, sich hierhin zu setzen und zu sagen, ich will erhobenen Hauptes raus - ich fresse Schwänze, aber erhobenen Hauptes. Was soll denn das?" In Kusmagks Richtung schob sie kurz darauf hinterher: "Der Junge ist einfach zu unbekannt und hat vielleicht nur 50.000 gekriegt!" Doch worüber regte sie sich nun eigentlich auf? Darüber, dass ein Haufen unbekannter Promis zwei Wochen lang für Geld einem Millionenpublikum Unterhaltung liefert? Überraschend viele Worte für ein Format, das ihr angeblich völlig egal ist. Und das sie dennoch gesehen hat, wie Sass zugab.
Nein, man muss das Dschungel gewiss nicht in die Sphären von Goethe oder Kafka heben. Doch so zu tun, als sei "Ich bin ein Star - Holt mich hier raus!" so etwas wie der Verfall jeglicher Kultur, wird dem Format eben auch nicht gerecht. Viel mehr schafft die Sendung etwas, was inzwischen im Fernsehen nur noch selten gelingt: Sie sorgt für Gesprächsstoff - und für den sonst kaum möglichen Spagat zwischen Voyeurismus und pointierter Auseinandersetzung mit dem Geschehen. Das ist gut gemachtes Fernsehen und daher selbstverständlich preiswürdig. Ganz im Gegensatz zu manch aufgeblasenen Kommentaren nebst lächerlicher Entrüstung über die eigentlich längst überfällige Nominierung eines Formats, das es verdient hat, nicht nur oberflächlich als Ekel-TV abgetan zu werden.