Seit "X Factor" wissen wir, dass es möglich ist, eine Castingshow zu machen, in der der Gesang der Talente und keine Schicksalsgeschichten im Mittelpunkt stehen. Zugleich wissen wir aber auch, dass "X Factor" derzeit bei VOX alles andere als überragend läuft. Ordentliche Quoten sind damit zu holen, aber sonderlich spektakulär sind sie nicht. Dafür ist RTL zuständig: Mit "Deutschland sucht den Superstar" und "Das Supertalent" fährt der Kölner Marktführer regelmäßig Marktanteile von mehr als 30 Prozent in der Zielgruppe ein - trotz aller Kritik an den Formaten geben die Quoten RTL ganz offensichtlich recht.

Man darf also durchaus die Frage stellen, ob es nicht gerade das Zurschaustellen der Kandidaten mit all ihren persönlichen Geschichten ist, das die Zuschauerzahlen in die Höhe treibt. VOX versucht mit "X Factor" das Gegenteil und auch die Eurovision-Castings von Stefan Raab gingen in eine andere Richtung. Sie alle eint jedoch eines: Sie sind eben längst nicht so erfolgreich wie die so oft kritisierten RTL-Formate. Nun will auch "The Voice of Germany" unter Beweis stellen, dass es anders gehen kann als bei Dieter Bohlen. Nur soll es bitte erfolgreicher sein, wünscht man sich in Unterföhring.

Wie ernst RTL "The Voice" nimmt, sieht man alleine schon daran, dass man mit "Das Supertalent" sein größtes Show-Schiff dagegen programmierte. Die aus den Niederlanden stammende Castingshow, die im Sommer dem US-Sender NBC tolle Quoten bescherte, hat für ProSiebenSat.1 hierzulande einen derart hohe Bedeutung, dass man sie auf gleich zwei Sendern laufen lässt. Bevor Sat.1 am Freitag einsteigen wird, machte ProSieben am Donnerstag den Anfang. Und gleich zu Beginn wurde man nicht müde zu betonen, wie wichtig doch die Stimme sei - und wie sehr man sich von anderen Formaten unterscheidet.

Doch kann das funktionieren? Die Antwort nach der ersten Folge lautet: "Ja, aber." Ja, weil in der Premiere zwei Stunden lang durchweg gute bis sehr gute Stimmen zu hören waren, die versuchten, die Juroren um Nena und Xavier Naidoo von sich zu überzeugen. Und ja, es kann auch deshalb funktionieren, weil die "Blind Auditions", die derzeit laufen, tatsächlich neuartig sind. Dass die sogenannten Coaches die Kandidaten nur hören, nicht aber sehen, ist spannend und stellt die Musik in der Tat in den Mittelpunkt - zumal im Gegensatz zu "DSDS" die Auftritte der Kandidaten bis zum Ende gezeigt werden und schon gar nicht durch verletzende Kommentare oder peinliche Zeichentrick-Einblendungen der Lächerlichkeit preisgegeben werden. Die Live-Band im Studio oder der gemeinsame Auftritt der Coaches zu Beginn der Show zeigt: ProSieben und Sat.1 meinen es tatsächlich ernst.