Johannes B. KernerMan riskiert viel in Deutschland, wenn man als Medienjournalist über Johannes B. Kerner schreibt und nicht spätestens im zweiten Satz einen herablassenden Kommentar oder Vergleich untergebracht hat. Zu oft wurde er schon als das Übel des deutschen Fernsehens ausgemacht; seine Sendung als Beleg für belangloses und verzichtbares Fernsehen genommen. Eine Meinung, in deren Windschatten man es sich bequem machen kann. Oder eben auch nicht. Warum spaltet Johannes B. Kerner? Der Versuch einer Antwort.

Kerners Abschiedssendung beim ZDF war am Donnerstagabend beinahe so etwas wie ein trotziges Signal an alle Kritiker. Serviert wurde dem Zuschauer ein Zusammenschnitt der besten Gäste und besten Szenen. Hohe Kunst war es allerdings nicht. Knapp 12 Jahre und weit über 1.000 Sendungen machen es nicht schwer, ein komprimiertes BestOf durchaus unterhaltsam zu füllen. Einige der Rückblicke jedoch halfen auch dabei, den Mythos Kerner zu ergründen. Was macht ihn beim Publikum so beliebt und bei den Kritikern so verhasst? Es ist das Gottschalk-Syndrom.
 

 
Wie auch die ältere der beiden "Wetten, dass..?"-Blondinen ist Johannes B. Kerner in seinem ZDF-Talk mehr Gastgeber als Moderator gewesen. Er lädt ein und lebt dann in erster Linie von denen, die kommen. Bei der beinahe legendären Auseinandersetzung zwischen Alice Schwarzer und Verona Pooth spielte Kerner irgendwann nur noch eine Nebenrolle. Das kann man kritisieren oder als wohltuend bezeichnen. Im Grunde aber ist es egal: Kerner wurde wegen den Gästen geschaut, nicht wegen ihm bzw. seiner Moderation. Das erklärt sehr genau den Unterschied zwischen der Beliebtheit der Sendung und dem Urteil der Kritiker über ihn als Person.

Denn die Kritiker stürzen sich allein auf die Moderationsqualitäten eines Gastgebers, dessen größte Leistung sicher wirklich nicht in seiner Fragetechnik sondern in der Schaffung einer relevanten Fläche für aktuelle Talkgäste im deutschen Fernsehen liegt. Das klingt vielleicht sehr speziell oder um die Ecke gedacht. Aber wie kein anderer bot Kerner etwas, was im ansonsten immer tiefer im Sumpf der vorproduzierten Dokusoaps und "authentisch nachgespielten" Geschichten versinkenden deutschen Fernsehen verloren geht: Eine Spielfläche für aktuelle Unterhaltung von völlig banal bis durchaus mal ernst. Das Publikum wusste das zu schätzen.