Johannes B. KernerAngesichts des breiten Themenspektrums und der unterschiedlichsten Gäste ist Kerner dabei stets ein Moderator auf dem Pfad des kleinsten gemeinsamen Nenners. Das lässt alle aufschreien, die sich mehr erwarten, etwa investigativere Fragen fordern und ein schärferes Profil als das des Schwiegermutter-Lieblings. Doch stört das Kerner bekanntlich herzlich wenig, denn so hatte Kerner bei der Masse somit bislang nie ein Problem. Wenn also Quote und Kritik ein unterschiedliches Bild von der Qualität des ZDF-Tallks zeichneten, dann weil der persönlich kritisierte Kerner als Moderator gar keine so große Rolle spielte.

Oft genug hat er selbst gesagt, dass seine Sendung in der Hauptsache von seinen Gästen lebt. Was bei anderen wirklich nicht mehr als eine Floskel ist, bringt es hier auf den Punkt. Die Gäste zählten und er war nur der Gastgeber. Und als solcher war er geeignet für die hohe Politik, den banalen Boulevard und alles, was sich dazwischen bewegt. Dass er eben beinahe freien Zugriff auf alle Gäste hatte, die er haben wollte, ist sein größter Verdienst. Neben Gottschalk und allenfalls noch Raab gibt es wenige, die in dieser Liga spielen. Genau das faszinierte wohl auch Sat.1-Geschäftsführer Guido Bolten, der Kerner vom ZDF zu sich holte.
 

 
Dort täte Kerner gut daran, nichts anderes zu probieren als das, was ihn und seinen ZDF-Talk so erfolgreich gemacht hat. Denn ohne den Glanz der Gäste würde es dunkler um Kerner. Die Zeichen dafür stehen gut - immerhin ist beinahe das gleiche Team an Bord. Außerdem wären Experimente noch gewagter als sonst, weil der neue Sender und Sendeplatz schon Herausforderung genug ist. Jeweils montags ab 21.15 Uhr soll "Kerner" ab November bei Sat.1 live auf Sendung gehen. Zuvor läuft dann um 20.15 Uhr die von Sat.1 seit Monaten angedrohte und jetzt offenbar fertige Dokusoap "Deutschland wird schwanger".

Da letzte Dokusoap-Versuche am Montagabend scheiterten, sind die Vorzeichen nicht allzu gut. Auf ein starkes Vorprogramm kann Johannes B. Kerner also wahrscheinlich nicht setzen, aber allen Kritikern zum Trotz auf eine recht große Fangemeinde - auch wenn die nicht unbedingt twittert oder bloggt. Auf die jedenfalls setzt  auch Sat.1, wo man insgeheim hofft, dass Kerner so etwas wie die neue Schreinemakers wird. Die quotenstarke Schreinemakers, um die in den 90er Jahren zeitweise kein Weg vorbei führte.