Es ist ein grauer Tag, den sich Jan Böhmermann für seinen Interview-Marathon ausgesucht hat, und das triste Industrie-Umfeld im Kölner Stadtteil Ehrenfeld sorgt nicht gerade für gute Laune. Böhmermann, an diesem Tag nicht im feinen Anzug, sondern im blauen Kapuzenpulli, lässt sie sich dennoch nicht verderben, auch wenn er sich gerade eine Abmahnung eingefangen hat, weil er ein Bild des Fotografen Martin Langer twitterte und damit gegen das Urheberrecht verstieß. Als wir das neue Studio betreten, freut sich Böhmermann beinahe wie ein kleiner Junge. Er strahlt über das ganze Gesicht. Dabei ist noch gar nicht alles fertig, doch Schreibtisch, Vorhang und Instrumente für die neue Show-Band sind schon mal da. Böhmermann zeigt freudig auf ein Kreuz am Boden. Dort wird er künftig zu Beginn seiner Sendung stehen, die durch den Wechsel ins Hauptprogramm nun "Neo Magazin Royale" heißen wird.

Der Shiny Floor lässt an diesem Tag noch auf sich warten. Er ist Sinnbild für die Unangepasstheit, die sich das ZDF mit Böhmermann ins Haus holt. "Der ZDF-Programmdirektor hat per Dienstanweisung angeordnet, dass er einen Shiny Floor sehen möchte", sagt er und spielt auf ein DWDL.de-Interview an, in dem Norbert Himmler kürzlich mutmaßte, sein Schützling würde bei einem Shiny-Floor-Format die ganze Sendung über sein Gesicht im Boden spiegeln. Für einen wie Böhmermann ist das ein gefundenes Fressen. "In den ersten drei Folgen werde ich anweisungsgemäß weinend auf dem Fußboden zusammenbrechen und fassungslos mein Spiegelbild betrachten", kündigt er an und für einen kurzen Moment ist man versucht, ihm das abzunehmen.

Rund 200 Zuschauer finden in Böhmermanns neuem Studio Platz, das in den vergangenen Wochen im Gebäude eines ehemaligen Teppichladens gebaut wurde. Das ist insofern konsequent, da man das "Neo Magazin" bislang im Hinterhof einer unweit gelegenen Teppichreinigung produzierte. "Vorne inspiriert uns die Firma Good Times dazu, immer hochwertiges und seriöses Fernsehen zu machen. Und wenn wir diese Inspiration mit der Durchfahrt des Tores verinnerlicht haben, landen wir in einem alten Teppichladen, der ganz notdürftig mit Klicklaminat und einem Eimer Alpinaweiß menschenfreundlicher gestaltet wurde." Wirklich glamourös wirkt in diesem Teil Kölns herzlich wenig, doch Böhmermann und das junge Team der Bildundtonfabrik stört das nicht. Ihnen geht es vor allem darum, so wenig wie möglich gestört zu werden von sesselpupsenden Fernsehmachern.

"Wir sind absichtlich nicht zur MMC oder nach Adlershof gegangen", betont Böhmermann. "Hier kann es nicht heißen: Räumen Sie das Studio, damit der Deutsche Fernsehpreis revolutioniert werden kann. Und es steht auch nicht alle zwei Tage ein ProSieben-Redakteur in der Kulisse, um zu gucken, was wir so machen. Wir haben unsere Ruhe und nehmen gerne in Kauf, dass dafür die Damen in Herrenurinale pinkeln müssen." Dass für eine wöchentliche Show ein Studio gebaut wurde, das sogar etwas größer ist als das, aus dem Harald Schmidt jahrelang sendete, überrascht dann aber doch. Klein und eng sei das bisherige gewesen, erwidert Böhmermann. So klein, dass jedes Mal der Schreibtisch herausgeschoben werden musste, wenn eine Band auftreten wollte. Das wird künftig gewiss nicht mehr passieren. Selbst ein Elefant fände locker Platz.

"Wir haben plötzlich alle das Gefühl, dass wir auf einmal Fernsehen machen."
Jan Böhmermann

Doch auch wenn einige Elemente des früheren Studios in Böhmermanns neuem Show-Wohnzimmer aufgegriffen wurden, so wird beim Betreten doch sehr schnell deutlich, wohin der Weg führen soll. "Während der Planung der neuen Räume wurde vielen langsam klar: Mist, wir haben aus Versehen eine Late-Night-Bühne entworfen!" Ob sich das ZDF das so vorgestellt hat, ist nicht überliefert - zu verhindern ist der Schritt nun aber ohnehin nicht mehr. "Ich sag wie's ist: Wir machen eine Late-Night-Show - eine wöchentliche zwar, aber eine echte Late-Night-Show", gibt Jan Böhmermann unumwunden zu, auch wenn er das, wie er sagt, selbst noch nicht richtig verstanden hat. "Das Selbsteingeständnis, eine Late-Night zu moderieren und das vermutlich immer schon getan zu haben, ist nicht so einfach. Aber das 'Neo Magazin' war im Grunde immer schon eine Late-Night-Show."

Ob sein Plan aufgehen wird, muss sich freilich erst noch zeigen. Zehn oder zwölf Sendungen werde man bestimmt brauchen, bis es rund läuft, gibt der Moderator vorsorglich schon mal in Richtung all jener Kritiker zu Protokoll, die am Donnerstag oder Freitag mit gespitztem Bleistift vor dem Fernseher sitzen und womöglich bemängeln werden, dass manches nicht mehr so ist wie bisher. "Wir haben plötzlich alle das Gefühl, dass wir auf einmal Fernsehen machen", sagt Böhmermann, als wir mitten im Studio stehen, in dem das "Neo Magazin Royale" von dieser Woche an vor rund 200 Zuschauern aufgezeichnet wird. Es ist eine interessante Aussage, die nicht so recht zu dem passen will, was das "Neo Magazin" bislang versprach: "Alles andere ist Fernsehen" war stets im Abspann der Sendung zu lesen. Und jetzt, da Böhmermann endlich den Sprung ins Hauptprogramm gelugen ist, soll das "Neo Magazin" plötzlich auch dazugehören?