Zweifel, wonach die Sendung in Zukunft weniger unkonventionell daherkommen könnte als bisher, wiegelt Jan Böhmermann ab. "Ich muss mich ja weiter in der undergroundigen Fernsehcommunity blicken lassen können", sagt er und strahlt dabei ein Stück weit Selbstzufriedenheit aus. Aber auch die Auswahl des Bandleaders macht Hoffnung auf ungewöhnliche Pfade. Dendemann, ein Rapper, dessen letzte Chartplatzierungen schon ein paar Jährchen zurückliegen, soll für die passenden Zwischentöne sorgen. Ein André Rieu sei Dende, wie Böhmermann ihn nennt, gewiss nicht, sagt er und schmiert seinem Arbeitgeber in diesem Zusammenhang reichlich Honig ums Maul. "Mir ist bewusst, dass ich manchmal eine große Belastung fürs ZDF bin. Aber ein Sender, der Helene Fischer und Dendemann unter einem Dach vereint, kann kein ganz so schlechter Sender sein."

Dendemann und Band im Neo Magazin Royale© ZDF/Ben Knabe

Rapper Dendemannn und seine Band Die Freie Radikale

Nur mit Blick auf den Sendeplatz gibt sich Böhmermann plötzlich überraschend kleinlaut. Freitags, irgendwann nach Mitternacht, versteckt am Programmrand - ob die Zielgruppe zu diesem Zeitpunkt wirklich vor dem Fernseher sitzt, darf bezweifelt werden. Immerhin ist es jedoch ein Sendeplatz, der Böhmermanns Truppe weitgehende Narrenfreiheit garantiert. Problematischer könnte da schon sein, dass zwischen Aufzeichnung und Ausstrahlung zwei Tage liegen, schließlich darf das "Neo Magazin" auch im royalen Kleid seinen angestammten Sendeplatz bei ZDFneo behalten. "Wir sehen das realistisch, weil wir das theoretisch auch in zwanzig Jahren noch machen wollen", sagt Böhmermann und winkt ab, als die Frage im Raum steht, ob der Sendeplatz nach der "heute-show" nicht deutlich attraktiver wäre. Mehrfach schüttelt er den Kopf. Lieber will er seine Ruhe haben.

"Wir starten mit dem größtmöglichen Vertrauen und mit allen Möglichkeiten, derbe abzuliefern oder es voll zu verkacken. Und wenn wir etwas verkacken, versuchen wir es nächste Woche nochmal." Mitternacht sei dafür genau der richtige Sendeplatz. "Ich kann mir gut vorstellen, dass ich sehr glücklich bin, wenn ich die Sendung ein Leben lang um 0 Uhr weitermachen kann", versichert er, um dann doch deutlich zu machen, sein Ziel mit dem Sprung ins ZDF gewiss noch nicht erreicht zu haben. "Ich kann mir vorstellen, dass das Team noch ein bisschen glücklicher wäre, wenn wir die Sendung zwei, drei oder gar viel Mal pro Woche machen könnten. Das Studio wäre dafür jedenfalls bereit." Dass die Sendungen dann anders daherkämen als bisher, ist Böhmermann bewusst. "Mehr im Fluss" wären sie, "so wie jetzt im Radio bei 'sanft & sorgfältig' mit Olli Schulz".

"Niemand reicht an Schmidt heran. Die Bewunderung ist grenzenlos."
Jan Böhmermann

Schon jetzt lässt Jan Böhmermann keinen Zweifel daran, zusätzliche Ausgaben locker füllen zu können. "Wir haben dreißig Minuten Sendeplatz, aber Material für zwei Stunden", betont er und signalisiert damit reichlich Motivation. All das ist freilich noch Zukunftsmusik, doch in diesem Moment wird klar, an welcher Stelle des Fernsehens sich Jan Böhmermann verortet. Täglich auf Sendung gehen, so wie das Harald Schmidt einst tat, ehe er irgendwann die Lust verlor. "Niemand reicht an Schmidt heran. Die Bewunderung ist grenzenlos", sagt Böhmermann, der selbst einige Jahre lang zu Schmidts Ensemble zählte. "Der Nimbus, mit dem ich durch die letzten zwanzig Jahre gegangen bin: Keiner kann Late Night wie Harald Schmidt. Und das stimmt. Nur Harald Schmidt kann Harald Schmidts Late Night." Jede Late Night funktioniere letztlich immer nur mit und durch einen Moderator. "Es ist nie kopierbar. Selbst in den Anfangsjahren von Harald Schmidt, als er aussah wie David Letterman und jede Geste imitiert hat, dauerte es zwei Monate bis aus einem Letterman-Imitat der echte Harald Schmidt wurde", erinnert sich der Schmidt-Nachfolger in spe.

Dass Schmidt inzwischen gar nicht mehr sendet, bereitet Böhmermann allerdings kein Kopfzerbrechen. "Am Ende von Schmidts Show gebe ich nicht ihm, sondern seinem Publikum die Schuld. Zum Glück habe ich ein anderes", sagt er und schiebt eilig den Wunsch eines Schmidt-Comebacks hinterher. Womöglich gibt es Hoffnung. Erst kürzlich sei er ihm begegnet, erzählt Böhmermann. Beim Vertrauensarzt der Film- und Fernsehversicherung habe er ihn gesehen, "beide mit einem Urinbecher in der Hand". Ein wenig Smalltalk, mehr nicht. Schweres Parfum habe Schmidt aufgetragen. "Womöglich was Größeres auf dem 'Traumschiff'", mutmaßt Böhmermann, der nun zumindest schon mal beim "Traumschiff"-Sender angekommen ist, sollte sich der Late-Night-Traum doch nicht erfüllen. Der Traum hat allerdings gerade erst begonnen. Der kleine Junge im blauen Kapuzenpulli strahlt. Es ist ein schöner Traum.

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