Trend Nr. 1: Mehr Serie!
2015 ist das Jahr, in dem sich Substanz und Blütenträume voneinander unterscheiden lassen werden. Jahrelang hat die halbe TV-Branche von den großartigen US-Vorbildern geschwärmt, von "Game of Thrones" und "House of Cards", und über der Frage gebrütet, ob wir Deutschen so etwas auch zustande bringen könnten. Auf Dauer war das sehr theoretisch und darum sehr ermüdend.
Erfreulicherweise sind einige Produzenten und Sender inzwischen weiter. Weit genug, um ihre eigenen Antworten auf die Frage zu geben. "Deutschland!" von UFA Fiction für RTL, "Weinberg" von Bantry Bay Productions für TNT Serie oder "Die Lebenden und die Toten" von Real Film Berlin fürs ZDF werden nach den ersten Vorab-Eindrücken qualitativ aus dem Einerlei herausragen. Und dann wird Tom Tykwer im Laufe des Jahres seine Serie "Babylon Berlin" für ARD und Sky drehen, die in puncto Ambition und Aufwand eine neue Dimension darstellen dürfte.
Diese und weitere Serienprojekte spiegeln das neu erwachte deutsche Selbstbewusstsein wider, packend, relevant und auf internationalem Niveau seriell erzählen zu können. Dass dies durchaus ein Teil unserer Fernsehkunst ist, haben Könner wie Helmut Dietl, Edgar Reitz oder Dieter Wedel in früheren Jahrzehnten bewiesen.
Aber irgendwann hat sich allmählich eine nicht ganz gesunde Zweiteilung des real existierenden TV-Angebots eingeschlichen: hier die anspruchsvollen, zeit- und gesellschaftskritischen Einzelstücke, von denen das deutsche TV jedes Jahr locker zwei bis drei Dutzend preiswürdige ausspuckt; dort die auf größtmöglichen Konsens ausgerichteten Serien, die sich nur selten einen Hauch horizontaler Erzählung trauen und im Bestreben, ihr Publikum nur ja nicht zu überfordern, das Mittelmaß schon einprogrammiert haben.
Die Folgen dieser Zweiteilung sind, dass die Zuschauer systematisch entwöhnt, die Ambitionen der Kreativen gestutzt wurden - und dass es deshalb jetzt diesen aufgeregt-zittrigen Neuaufbruch in Richtung Serie gibt. Die Chancen sind tatsächlich größer denn je, weil sich die Angebots- und Distributionsmodelle international dramatisch verändert haben und weiter verändern werden. Wir kommen darauf noch bei Trend Nr. 2 zurück.
Insofern wäre es geradezu fahrlässig, die damit verbundene Serienwelle nicht aufzugreifen. Doch bei aller berechtigten Euphorie muss auch die unangenehme Wahrheit ausgesprochen werden, dass nicht jedes Serienprojekt neuen Typs ein Erfolg werden wird. Gerade aufgrund der langen Entwöhnung kann es realistischerweise zu mancher Enttäuschung kommen. Dann ist es unerlässlich, dass die Macher - und mehr noch die Senderverantwortlichen - Stehvermögen beweisen. Sie werden es brauchen, um die Welle nicht vorschnell abebben zu lassen.
Auch im US-Markt hat es in den zwölf Jahren zwischen "Sopranos" und "Homeland" schließlich manchen Flop und Rückschlag gegeben. Für alle ambitionierten Geschichtenerzähler wird es sich lohnen, durchzuhalten und eigenständige Stoffe zum Leben zu erwecken. Der Bedarf an unverwechselbaren Qualitätsserien, die Sendern oder sonstigen Plattformen ein Gesicht geben können, wächst und wächst.
Das zeigt sich, wenn ein eingefleischter US-Reality-Sender wie E! Entertainment am 15. März mit "The Royals" (Elizabeth Hurley als Königin einer fiktiven Monarchie) seine erste Fiction-Serie startet oder wenn hierzulande Vox als erste fiktionale Eigenproduktion eine deutsche Version der spanischen Krankenhausserie "Pulseras rojas" drehen lässt.
Lesen Sie mehr zu den Trends Nr. 2 und 3 - mehr On-Demand und mehr Relevanz - auf den nächsten Seiten...