Über das deutsche Fernsehen zu schimpfen, ist mit Blick auf das Nachmittagsprogramm ganz sicher keine allzu schwere Aufgabe. Gerne ist in diesem Zusammenhang von Billigfernsehen die Rede - und billig ist das Programm häufig gleich im doppelten Sinne: Aus wirtschaftlicher und inhaltlicher Sicht. Fernsehkritikerin Klaudia Wick machte die Sender für diese Entwicklung allerdings nicht alleine verantwortlich, sondern sieht auch das Publikum in der Pflicht. "Erst sparte das Publikum, dann sparten die Sender. Am Ende waren alle restlos voneinander enttäuscht", sagte Wick auf den Münchner Medientagen. In der folgenden Diskussion ging es allerdings überraschenderweise gar nicht ausschließlich um umstrittene Formate wie "Familien im Brennpunkt" oder wie all dieses gescripteten Sendungen sonst heißen mögen.
Viel mehr stand glücklicherweise die Frage im Raum, wie sich das derzeit oft trostlose Programm zum Guten verbessern lassen kann. Joachim Kosack, Geschäftsführer teamWorx Ufa und bis vor wenigen Wochen Geschäftsführer von Sat.1, baut nicht zuletzt auf das Unerwartete. "Wenn wir nicht überraschen, sind wir nur noch auf ausgetretenen Pfaden unterwegs." Persönliche Visionen seien entscheidend - aber auch die finanziellen Mittel. "Freiheit im Kopf hat auch mit Geld zu tun", betonte Kosack, der sich wohl auch deshalb von Sat.1 verabschiedete, weil die Spielräume angesichts zahlreicher Sparmaßnahmen immer weniger wurden. Auf der Podiumsdiskussion zog er Vergleiche zu Einsparungen im Theater. "Wir lassen das Opernhaus, aber schaffen das Orchester ab und machen Playback."
Angesprochen auf seinen bisherigen Arbeitgeber wollte Kosack allerdings nicht zu sehr ins Detail gehen. Auf die Frage, was er über die schlechten Quoten von Sat.1 denke, sagte er: "Das ist ein eigenes Panel." Zudem sei auch das "andauernde Wechseln von Geschäftsführern" ein Problem, so Kosack, der mit Blick auf seine eigene kurze Amtszeit an der Senderspitze damit auch den einen oder anderen Lacher auf seiner Seite hatte. Dass in Sat.1 gerade die ersten drei von vier Serien-Neustarts floppten, sieht er unterdessen realistisch. "Das kann passieren und hat nichts mit Qualität zu tun." Die Ansprache habe einfach nicht geklappt. "Wenn mir heutzutage der Einschaltimpuls nicht gelingt, bin ich tot", so Kosack, der die Suche nach neuen TV-Hits mit Schrotgewehr-Schüssen in einem Tunnel verglich.
Stefan Cordes, Geschäftsführer von Filmpool Entertainment und damit verantwortlich für zahlreiche Scripted-Reality-Formate im deutschen Fernsehen, betonte unterdessen, der Marktforschung nicht zu viel Glauben zu schenken. Sie sei "kein verlässliches Instrument" und "nicht wahnsinnig relevant", so Cordes. Viele seiner Formate hätten in der Marktforschung schlecht abgeschnitten und seien beim Publikum letztlich dann doch angekommen. Zu den größten Erfolgen zählt dabei ohne Zweifel die RTL II-Soap "Berlin - Tag & Nacht", die nicht zuletzt von der starken Verknüpfung mit sozialen Netzwerken lebt. "Facebook hat dem Programm genutzt, um Aufmerksamkeit zu erreichen", erklärte der Filmpool-Mann, der vom Ausmaß des Erfolgs jedoch selbst überrascht wurde. "Wir hatten ja keine Ahnung."
Dass nur noch Misserfolgsvermeider das Sagen hätten, wies Cordes allerdings zurück. "Berlin - Tag & Nacht" überhaupt zu starten, sei von RTL II und Programmdirektor Holger Andersen nämlich ein großes Risiko gewesen. Unterstützung bekam er dabei von Ex-Sat.1-Chef Kosack, der "Berlin - Tag & Nacht" gar als "echte Programminnovation" bezeichnete, die den Zuschauern etwas geben würde, was man zuletzt Mitte der 90er Jahre bei klassischen Seifenopern gesehen habe. Die Frage von Moderator Torsten Zarges, ob das, was Scripted-Reality-Macher Stefan Cordes bei zahlreichen Sendern zu verantworten hat, Billigfernsehen sei, beantwortete dieser übrigens offen und ehrlich mit nur einem Wort: "Ja."