Kritik kam von Philipp Walulis, in diesem Jahr für sein inzwischen bei EinsPlus laufendes Format "Walulis sieht fern" mit dem Grimmepreis geehrt, der die zahlreichen Scripted Realitys als "austauschbarer Brei, der am Nachmittag im Fernsehen wabert" anprangerte und mahnte, dass zu viele dieser Formate für Sender wie RTL auf lange Sicht eher schädlich sind, weil sie auf Kosten ihrer Glaubwürdigkeit gehen könnten. "Das ist wie Crack: Auf kurze Sicht funktioniert das, aber auf lange Sicht macht es den Körper kaputt", sagte Walulis, der Stefan Cordes von Filmpool damit indirekt zum Dealer machte. Der aber beruhigte die Kritiker: "In ein paar Jahren wird das Fernsehen wieder anders aussehen."
Und doch ist es längst nicht so, dass ausschließlich preiswerte Programme im deutschen Fernsehen zu finden sind. Die Frage ist nur, wie ernst es die Sender damit meinen. "Qualität wird oft als Feigenblatt genutzt, um mal wieder einen Grimmepreis zu gewinnen", kritisierte Sky-Filmchef Marcus Ammon. Doch er hat gut Reden: Im Bezahlfernsehen kann er es sich erlauben, die Nische zu bedienen, wie etwa mit dem Serien-Abspielkanal Sky Atlantic HD. Mit HBO-Serien habe man eine Möglichkeit, anders zu sein, sagte Ammon. "Ich war verwundert, dass niemand zuvor einen Output-Deal mit HBO wollte." Zugleich unterstrich Ammon die schon seit geraumer Zeit im Raum stehende Ankündigung, im Serienbereich auch Eigenproduktionen wagen zu wollen.
Derzeit sei man mit Produzenten im Gespräch über entsprechende Projekte. "Wir bauen auf eine Nische, die vom Privatfernsehen nicht besetzt wird", gab Ammon die Richtung vor. Das dürfte auch den Produzenten Dieter Wedel freuen, der in München ebenfalls über das vermeintliche Billigfernsehen diskutierte - und dabei nicht an markigen Worten sparte. So bezeichnete er den Deutschen Fernsehpreis mal eben als "Missgeburt", weil dort zusammenkomme, was nicht zusammengehöre - nämlich öffentlich-rechtlichen und privates Fernsehen. "Für die Privaten ist das Programm bloß eine notwendige Überbrückung von einer zur anderen Werbeinsel", kritisierte Wedel, der sich fast schon desillusioniert gab. "Marktanteile und Qualitätsfernsehen geht offenbar nicht gleichzeitig." Dass Dominik Grafs Mehrteiler "Im Angesicht des Verbrechens" kaum Zuschauer gefunden habe, ist seiner Einschätzung für viele seiner Kollegen ein echtes Problem.
"Der Schrecken über das Programmdesaster ist überall zu spüren", sagte Wedel, der zugleich eine "Krise der Zuschauer" ausgemacht haben will. "Wenn sie überrascht werden, schalten sie ab." Joachim Kosack konnte den Frust über die schwachen Quoten von "Im Angesicht des Verbrechens" allerdings nur schwer nachvollziehen - auch, weil Graf vermutlich gar nicht den Anspruch gehabt habe, sechs oder sieben Millionen Zuschauer erreichen zu wollen. "Wer das vorher gedacht hat, ist einfach vernagelt. Das ist Quatsch und Käse", sagte Kosack. "Im Angesicht des Verbrechens" sei ein Nischenprogramm gewesen. "Man muss es nur vorher definieren und nicht hinterher jammern." Und so bleibt die Hoffnung, dass im deutschen Fernsehen auch in Zukunft noch Platz sein wird für Sendungen wie diese.
Ähnlich wie Dieter Wedel äußerte schließlich auch der nun wieder auf die Produzentenseite gewechselte Kosack auf den Medientagen München die Hoffnung, die Inhalte wieder stärker in den Mittelpunkt zu stellen. "Lasst uns erst mal über Inhalte reden - und erst als Zweites darüber, wie man sie finanziert und wo man sie senden kann." Wenn man als Sender zu viel Einfluss nehme, dürfe man sich auch nicht über die Ideenlosigkeit in der Branche beklagen. Doch ganz auf die Formate des sogenannten "Billigfernsehens" sollte man besser nicht verzichten, auch weil Philipp Walulis sonst möglich bald arbeitslos wäre. Dieser brachte es deshalb am Ende der Diskussion pointiert auf den Punkt: "Ein bisschen Trash kann sein."