Wir saßen am Anfang, aber wollten dann doch nicht auffallen. Also tanzten auch wir in unserer Sitzreihe mit. Ungläubig lacht und staunt man abwechselnd - und vergisst dabei, fast sechs Stunden gewartet zu haben. In Deutschland haben wir schon hunderte Studioaufzeichnungen hinter uns - aber so etwas haben wir noch nie erlebt. Ein Satz, der platt klingt, aber unsere Verwunderung doch perfekt in Worte fasst. Ein Warm-Up braucht diese Show nicht mehr. Stattdessen kommt Preisansager George Gray, sozusagen der aktuelle Walter Freiwald der US-Version, auf die Bühne für ein paar Witze und nur eine einzige Anweisung, die er mit den Worten "You know there is just one rule…" beginnt und die plötzlich im Chor schreiend aus dem Publikum mit "Stay with Drew" beantwortet wird. Gemeint ist: Auf der großen Bühne der Show immer dem Moderator folgen.

Sicherheitshinweise braucht das Warm-Up in den USA nicht. Dann geht alles ganz schnell und routiniert: Drew Carey kommt plötzlich auf die durch Kameras und Crew-Mitgliedern erstaunlich volle Bühne, es geht los und ehe man sich versieht, ist eine Stunde rum. In den USA füllt die Show einen Stundenslot - ist also doppelt so lang wie damals bei uns. Das legendäre Rad zur Entscheidung über den Einzug ins Finale kommt somit zweimal auf die Bühne. Aber nicht nur das wird geschoben. Die ganze Show ist eine logistische Meisterleistung, weil so ziemlich alles zum Einsatz kommt - nur keine LED-Technik. Hier gibt es echte Kulissen, mechanische Tore und allerlei Spiel-Kulissen, die rein- und wieder rausgeschoben werden.

In der Spitze waren 17 Mitarbeiter gleichzeitig auf der Bühne - und das während Drew - mit der Kamera nah auf ihm - unbeirrt moderierte. Dieses Gewusel auf der Bühne, die kitschige Kulisse, die 90er Musik vor dem Start der Aufzeichnung, die ausrastenden Kandidaten, der schmierige Preisansager, das Zahnpasta-Lächeln von Drew Carey - all das zusammen ergab eine Zeitreise zurück in die goldenen Zeiten des deutschen Privatfernsehens in den 90er Jahren. Und während die Aufzeichnung dem Ende entgegen geht und uns Paul, der Pressesprecher der Show, hinter die Kulissen holt, überlegen wir, ob das für oder gegen "The price is right" spricht.

Letztlich war es, so unser Fazit, eine willkommene Abwechslung zum Boom der Scripted Reality-Formate in Deutschland: Eine klassische Studioproduktion, wie wir sie in der deutschen Daytime so kaum noch kennen. Mit verrückten Kandidaten, die jedoch nicht weit im Voraus gecastet wurden, sondern spontan am Tag der Aufzeichnung aus dem Studio-Publikum gepickt werden, um in simplen Spielen um Sachpreise zu kämpfen. Das ist vielleicht banal, aber echt. Nach sechs Stunden gemeinsamen Wartens, in denen man viel von den Hoffnungen und Erwartungen gehört hat, die viele Kandidaten in diesen Besuch der Show legen, kann man die überschwengliche Freude über einen Gewinn auf der Bühne noch einmal besser verstehen.

Erst hinter den Kulissen zeigt sich, dass nicht allein das Studio diese Gameshow von deutschen Daytime-Programmen unterscheidet - sondern auch das Lager. Denn wo keine LED-Technik zum Einsatz kommt, braucht es Kulissen in einer Anzahl, wie es sie so im deutschen Fernsehen vielleicht sonst nur bei Volksmusik- und Schlagershows im öffentlich-rechtlichen Rundfunk gibt. Zwei ganze Studiohallen stehen voll mit Requisiten, doch das reicht nicht. Weil im Juli gerade Drehpause für die Dailysoap "The Bold and the Beautiful" ist, stehen Spielkulissen wie die von Plinko oder Absturz (samt Kraxelhuber) vor dem fiktiven Wohnzimmer-Fenster der Soap-Familie. Eine Ordnung lässt sich nicht erkennen. Auf der Suche nach bestimmten Kulissen laufen wir mehrfach hin und her - und lernen: Wer genug Mitarbeiter für die Suche hat, braucht nicht zwingend ein System.

Den Weg zum Studio zurück findet man leicht. Mitten durch die Studiohallen reiht sich eine auffallende Schlange: Bäume, Zäune, Stühle, Lampen, Tische, die Spielkulissen selbst und natürlich die Gewinne - alles, was für die in Kürze beginnende zweite Aufzeichnung des Tages gebraucht wird. Wir wissen also, was gleich gespielt wird. "Und das ist der Grund, weswegen wir Euch erst nach Eurer Aufzeichnung hinter die Kulissen führen konnten", erklärt Paul. Wir hätten ja sonst Kandidaten im Publikum Tipps geben können, sagt er und verdreht bei einem Seufzer die Augen. "Hat halt was mit der Versicherung zu tun." Auch er arbeitet schon viele Jahre für die Show, doch manch einer ist schon fast 30 Jahre dabei. So wie die verantwortliche Redakteurin des Tages. Sie erzählt über die verschiedenen Schwierigkeitsstufen der Spiele und die neuen, von Drew Carey erfundenen Spiele, während sie letzte Vorbereitungen für die zweite Aufzeichnung des Tages trifft.

"The Price is right", das hat hinter den Kulissen, auf der Bühne und im Publikum viel mit Tradition zu tun. Nur vorsichtig versucht man zu erneuern. Der feine Altherren-Humor des Bob Barker ist etwas mehr Comedy a la Drew Carey gewichen und das Stab-Mikrofon von Carey ist anders als das von Barker immerhin inzwischen kabellos. Doch statt einem Jugendwahn zu folgen, setzt die Produktion auf eine treue, eingeschworene Fangemeinde, auch wenn diese altert. Man fühlt sich wohl in der Nische, auf die man zusteuert. In Zeiten, in denen wir bald übersättigt sind an geskripteten Geschichten, und das Durchschnittsalter des TV-Publikums steigt, könnte eine so klassische Produktion auch in Deutschland wieder eine Chance haben. Die ehrlichen Emotionen dieser Gameshow jedenfalls waren eine erfrischende Abwechslung.

"Aber hoffentlich doch", sagt die Redakteurin, als wir ihr von der Hoffnung auf ein Comeback in Deutschland erzählen. Sie ist an diesem Tag nicht die erste, die ganz irritiert reagiert, als sie von uns erfährt, dass die Show in Deutschland schon seit 15 Jahren nicht mehr läuft. Wir ziehen weiter. Nur von einigen Monitoren getrennt sitzt wenige Meter weiter plötzlich ein uns bekanntes Gesicht: Eine der Gewinnerinnen aus unserer Aufzeichnung wird gerade über die genaue Abwicklung ihres Gewinns informiert. Ihre persönlichen Daten werden aufgenommen. Gänzlich unglamourös auf einem Klappstuhl hinter der Zuschauertribüne, die bald schon wieder mit dem Publikum für die nächste Show gefüllt wird. Wir verlassen das Studio 33 und sind zurück im Jetzt. Unsere Handys haben wir wieder. Nur unser Auto wurde abgeschleppt. Es ist jetzt 15 Uhr und wir haben eine bemerkenswerte Zeitreise in die kunterbunte heile Welt des amerikanischen Daytime-TV hinter uns. James ging übrigens leer aus. Das sei Schadenfreude, erklären wir Paul noch. Ein englisches Wort dafür gibt es nicht.