Martin Krapf© IP Deutschland
Seit mehr als fünfzig Jahren gibt es Fernsehwerbung in Deutschland, seit mehr als 25 Jahren ist sie für einen Großteil des Programmangebotes – das der privaten Sender – von existenzieller Bedeutung. Nach wie vor decken die großen Sendergruppen RTL und ProSiebenSat.1 den überwiegenden Teil ihres Finanzbedarfes mit dem klassischen Werbezeitenverkauf. Im Kern wird das auf längere Sicht wohl auch so bleiben.

"Die Werbeausgaben folgen dem Mediennutzungsvehalten der Menschen", konstatiert Joachim Schütz, Geschäftsführer der Organisation Werbungtreibende im Markenverband (OWM). Seine Prognose für das Fernsehen als Werbeträger: "Fernsehen wird ein wichtiges Medium bleiben, das aufgrund seiner Reichweite und kreativen Möglichkeiten auch in den nächsten Jahren eine bedeutende Rolle für Markenaufbau und Markenführung spielen wird".

Es gibt mehrere Herausforderungen, denen sich die Branche künftig stellen muss. So verpasste sich die Arbeitsgemeinschaft Fernsehforschung (AGF), in deren Auftrag die Fernsehreichweiten und Einschaltquoten ermittelt werden, im vergangenen Jahr eine neue Währung, die nach und nach auch die neuen Nutzungsformen für Fernsehinhalte mit einbeziehen soll. So wie das Fernsehprogramm mittlerweile mehr und mehr aus Programmmarken – wie zum Beispiel „Deutschland sucht den Superstar“ oder „Germany's next Topmodel“ – besteht, die durch die verschiedenen Medienkanäle von der Show bis hin zu Schnipseln auf Video- und Mobilportale wandern, so soll auch die Quote künftig gemessen werden. Der Trend geht zur Messung der Reichweite von Inhalten, nicht von Plattformen. "Wir sind zuversichtlich, dass zukünftig auch  die Nutzung unserer Fernsehprogramme auf mobilen Endgeräten und dem PC  adäquat  erfasst wird", sagt Florian Ruckert, Geschäftsleiter Marketing bei RTL-Vermarkter IP Deutschland und Vorsitzender der AGF.

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Bei den großen Vermarktern bastelt man zudem an neuen Messgrößen. Im Sommer kündigte IP Deutschland an, bis Jahresende ein schlüssiges Konzept für einen sogenannten iTKP vorzulegen, der emotionales Involvement der Zuschauer auf eine halbwegs nachvollziehehbare Messgröße herunterbrechen soll. Zudem diskutiert die Branche über eine Neujustierung der einheitlichen werberelevanten Zielgruppe, die derzeit zwischen 14 und 49 Jahre alt ist.

Eine Anpassung der Referenzzielgruppe sei „so unausweichlich wie die Schwerkraft“, sagt IP-Deutschland-Chef Martin Krapf (Bild oben). Die Hersteller hätten ihm zufolge längst erkannt, dass sie sich mit ihrer Produktpalette der demografischen Entwicklung nicht entziehen können, jetzt sei es an der Zeit, dass Media nachzieht. An der Existenz zahlreicher Planungszielgruppen ändere das nichts. „Die Referenzzielgruppe muss das Gefüge im Sendermarkt abbilden und sollte so gefasst sein, dass sie mindestens achtzig Prozent der Planungszielgruppen beinhaltet“, so Krapf. Der RTL-Vermartker kann sich die Altersgruppe der 20-59-jährigen als neue Standardzielgruppe vorstellen.

Thomas Wagner© SevenOne Media
Das sieht man bei ProSiebenSat.1 eher problematisch. "Ich halte es es für falsch, eine Zielgruppe erst bei 20 Jahren zu starten“, sagt Thomas Wagner (Bild links), Vorsitzender der Geschäftsführung von SevenOne Media. "Gerade in der jungen Medienlandschaft findet Markenbildung doch statt“, so Wagner. Man müsse die Diskussion um die Standardzielgruppe ernst nehmen, dürfe aber nicht vergessen, dass es eine akademische Diskussion sei, die an der bislang bewährten Markenwährung im TV rüttelt. Mit der Planungspraxis habe die Diskussion wenig zu tun. Sein Vorschlag: "Statt sich am Alterssegment zu reiben, wäre es doch viel spannender, aussagekräftige Faktoren, wie verfügbares Haushaltseinkommen, Investitionsbereitschaft und Einstellung zum Konsumverhalten stärker einzubeziehen".

Große Erwartungen haben die privaten Fernsehunternehmen auch an die Politik. Neben einer inhaltlichen Begrenzung von ARD und ZDF im Internet hoffen Sie auch auf eine baldige Entscheidung zu ihren Gunsten in Sachen Werbeverbot für die Öffentlich-Rechtlichen. Zwischen fünf und sechs Prozent ihres Gesamtbudgets von mehr als 9 Milliarden Euro beziehen ARD und ZDF in Hörfunk und Fernsehen aus Werbung. Bereits bei der jüngsten Entscheidung der Ministerpräsidenten über den Rundfunkänderungsstaatsvertrag sah es zunächst nach generellem Werbeverbot aus. Herausgekommen ist nur eine Leicht-Variante, die Sponsoring in weiten Teilen verbietet. Für Jürgen Doetz, Präsident des Privatrundfunk-Verbandes VPRT "eine herbe Enttäuschung".