TV-Standorte"Hier ist Berlin." - Das waren noch ganz andere Fernsehzeiten, als Dieter Thomas Heck mit dem Städtenamen, der irgendwie wohl auch Programm war, die "Hitparade" im ZDF beginnen ließ. "Hier ist Berlin." – das hieß im Westen vor der Wende: Berliner Union Film Studios in Tempelhof. Zu Zeiten der Mauer war das Atelier das große Fernsehzentrum  auf der Westseite der geteilten Stadt – allzu viele Sender gab es ja zu der Zeit auch noch nicht. Seitdem ist viel passiert. Längst ist Berlin keine Insel mehr. Das gilt im großen deutschen Zusammenhang, wie auch mit Blick auf die Fernsehszene. Berlin konkurriert vor allem mit Köln und ein bisschen auch mit München um die großen Produktionen, die den Fernsehbetrieb am Laufen halten.

Das wird nicht einfacher, nachdem im vergangenen Jahr Sat.1 die Stadt verlassen hat. Der Sender wurde mittlerweile in Unterföhring unter dem Dach der ProSiebenSat.1 TV Deutschland mit seinen Geschwistern verschmolzen. Seitdem ist es stiller geworden in Berlin. Für die großen Shows fehlt der Stadt mittlerweile das natürliche Einzugsgebiet, die Branche produziert lieber in Köln. Zwar ist mit dem RBB eine ARD-Landesrundfunkanstalt in der Region präsent, doch das reicht selten aus und ist für eine florierende Fernsehstadt vielleicht eine notwendige, aber noch keine hinreichende Bedingung. "Wir hätten uns natürlich gewünscht, dass Sat.1 in Berlin bleibt, konzentrieren uns aber jetzt darauf, die vorhandenen Sender am Standort zu stabilisieren", sagt Barbara Kisseler, Chefin der Senantskanzlei Berlin.
 

 
Man freue sich sehr über den Verkauf von N24 an das Team um Geschäftsführer Torsten Rossmann und Ex-"Spiegel"-Mann Stefan Aust. "Denn Berlin ist ein wichtiger News-Standort. Hier werden Politik-Talks produziert, hier entstehen die Nachrichten für Deutschland und die Welt und hier ist mit den Hauptstadtstudios von ARD, ZDF, RTL und weiteren das Zentrum des politischen TV-Journalismus", so Kisseler. In der Tat gibt es in Berlin eine große Fernsehszene, die man gerne übersieht, da sie weniger grell daherkommt: Mehrere hundert Beschäftigte kümmern sich in den Hauptstadtstudios um die politische Berichterstattung. Die Nähe zur Politszene dürfte auch abfärben auf den Charakter des Fernsehens aus Berlin: Es ist fraglich, ob man an einem anderen Standort die Traute gehabt hätte, mit Wulf Schmiese (Bild) einen politischen Korrespondenten der "FAZ" zum Moderator des "Morgenmagazins" im ZDF zu machen.

Dr. Wulf SchmieseDas Abfärben ist ohnehin ein großer Vorteil von Berlin. Hier ist eine große kreative Szene zu Hause – und die hat nicht immer etwas mit Fernsehen zu tun – oder legt manchmal sogar keinen Wert auf TV. In Köln ist das anders. Am Rhein ist ein Großteil des kreativen Denkens den TV-Gesetzen unterworfen. Die Berührungspunkte mit Anderem, Neuem, sind in Berlin manchmal ebenso groß wie die Freiheiten im Denken. Das mag vielleicht auch einer der Gründe sein, warum kreative Fernsehköpfe wie Christian Ulmen sich mit ihren Unternehmen in der Haupstadt ansiedeln. Mit Veranstaltungen wie der Berlinale und einem Film wie „Inglorious Basterds“ ist die Stadt auch international von Bedeutung.

Mehr zum Thema:

Dass ein Großteil der Kreativen – Schauspieler, Musiker, Künstler – sich auch wegen der günstigen Lebenshaltung an der Spree niederlässt, ist da eher zweitrangig. Allerdings: Mit dem harten Sparkurs und dem inhaltlichen Umschwung, der seit Längerem MTV Networks bestimmt, ist ein wichtiger kreativer Fernseh-Impulsgeber der Stadt verstummt.  Zuweilen schickt sich ZDFneo nun an, diese Lücke zu füllen, indem man auf Formate setzt, die vor rund zehn Jahren wohl in das damals noch recht avantgardistische Portfolio des Jugendsenders MTV gepasst hätten. Christian Ulmen und Benjamin von Stuckrad-Barre, die einst auf MTV zu sehen waren, orientieren sich nun zum Mainzer Digitalableger. Auch „Die Süper Tiger Show“ ist so ein Format.

Berlin erfindet sich also neu. Und das betrifft auch die Berliner Union Film, die im Frühjahr vergangenen Jahres wegen einer Insolvenz einen Neustart hinlegen musste – mit deutlich weniger Personal. Noch vor 20 Jahren war das Unternehmen öffentlich-rechtlich geprägt mit einer sehr übersichtlichen Kundschaft. Einen Sender hat man als Gesellschafter allerdigns nicht mit an Bord. Vor allem das ZDF hatte hier seine Zelte aufgeschlagen. Neben der "Hitparade" kamen auch Klassiker wie "Dalli Dalli" und "Der Große Preis" aus der Großstadt. Nach wie vor ist das ZDF ein wichtiger Kunde. Allerdings kommt mittlerweile zum Beispiel das „Morgenmagazin“ aus dem sendereigenen Hauptstadtstudio. Die tägliche RTL-Soap „Gute Zeiten, Schlechte Zeiten“ ist schon 1995  nach Postdam ins Studio Babelsberg abgewandert. Bei der Berliner Union werden mit Sendungen wie "Das will ich wissen" und "Die Besten" allerdings nach wie vor auch große Shows produziert. Kurt Krömer zieht hier außerdem seine "Internationale Show" durch, Sat.1 ließ hier den "Family Showdown" herstellen.
 
Lesen Sie auf der folgenden Seite, mit welcher Strategie sich die Berliner Union Film neu erfindet und wie man in Adlershof den Preiskampf der Studiobetreiber sieht.